Zwischenruf der AGJ zur Kinder- und Jugend(hilfe)politik im kommenden Koalitionsvertrag

Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ) hat sich mit einem Zwischenruf an die Parteispitzen und die Verhandlungsführer*innen von CDU, CSU und SPD gewandt. Im Hinblick auf das bisherige Sondierungspapier fordert die AGJ Kinder- und Jugend(hilfe)politik stärker in den Fokus zu rücken. In ihrem Zwischenruf nennt sie zehn konkrete kinder- und jugend(hilfe)politische Themen und fordert deren Berücksichtigung im Koalitionsvertrag.

Die AGJ kritisiert, dass im aktuellen Sondierungspapier der CDU/CSU und SPD lediglich an zwei Stellen auf die Belange junger Menschen eingegangen wird: im Kontext von Kindertageseinrichtungen und Schule sowie beim Übergang in das Berufsleben. Laut AGJ sei dadurch die Perspektive auf junge Menschen auf Aspekte der formellen Bildung reduziert. Weder die Vielfalt der Kinder- und Jugendhilfe noch die diversen Belange und Lebenswelten junger Menschen würden auf diese Weise berücksichtigt.

Kinder- und Jugend(hilfe)politik im Koalitionsvertrag stark machen!

Als erste der zehn Forderungen listet die AGJ die Notwendigkeit auf, die Reform des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) hin zu einem Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz (IKJHG) zu finalisieren. Die Reform sei nicht nur für eine gleichberechtigte Teilhabe von jungen Menschen mit Beeinträchtigung und die Unterstützung ihrer Familien von großer Bedeutung. Auch die Kinder- und Jugendhilfe sowie die Eingliederungshilfen bräuchten (Planungs-)Sicherheit für die Bewerkstelligung ihrer Aufgaben. Im Hinblick auf den akuten Fachkräftemangel spricht sich die AGJ für bundespolitische Maßnahmen zur Gewinnung und Qualifizierung neuer Fachkräfte in allen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe aus. Dies sei auch für die Entlastung der derzeit beschäftigten Fachkräfte von Nöten, die den Personalmangel deutlich spürten. An die „Gesamtstrategie Fachkräfte in Kitas und Ganztag“ müsse sich ein umfassender Prozess anschließen, der sämtliche Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe in den Blick nehme.

Sondervermögen: Belange von Kindern und Jugendlichen mitdenken

Kinderarmut hat vielfältige Ursachen und führt zu zahlreichen Benachteiligungen der Betroffenen in verschiedenen Lebenslagen. Um Kinder- und Jugendarmut in Deutschland strukturell und nachhaltig zu bekämpfen, brauche es daher ein Zusammenspiel von individuellen Existenzsicherungsleistungen und sozialer Infrastruktur. „Umfassende existenzsichernde Leistungen für Kinder und Jugendliche aus einer Hand könnten dazu beitragen, das unübersichtliche Nebeneinander familienpolitischer Leistungen – die sich in ihrer Wirkung teilweise aufheben – in eine neue transparente Struktur zu überführen und Bürokratie abzubauen. Wenn dabei deutlich mehr Anspruchsberechtigte als bisher die ihnen zustehende finanzielle Unterstützung tatsächlich erhalten, ist dies sozialpolitisch wünschenswert und nicht als Anknüpfungspunkt für populistische Zuschreibungen zu missbrauchen, die sich gegen Menschen in Armutslagen richten“, heißt es im Zwischenruf.

Bezugnehmend auf das zurzeit debattierte Sondervermögen für Infrastruktur fordert die AGJ dabei auch die Belange von Kindern und Jugendlichen zu berücksichtigen. Es benötige Investitionen und eine nachhaltige Förderung der sozialen Infrastruktur für Kinder, Jugendliche und ihre Familien, um somit auch den wachsenden Anforderungen und steigenden Inanspruchnahme von Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe zu entsprechen. Als wichtiges Instrument gilt hierbei auch der Kinder- und Jugendplan des Bundes (KJP). Über diesen werden nicht nur kurzfristige Projekte gefördert. Erklärtes Ziel des KJP ist es, eine nachhaltige Infrastruktur in der Kinder- und Jugendhilfe zu schaffen und zu stärken. Aus diesem Grund müsse die zukünftige Bundesregierung den KJP als zentralen Baustein für die Förderung von jungen Menschen priorisieren, und dessen Aufstockung und Dynamisierung fest im Koalitionsvertrag verankern.

Übergänge junger Menschen sichern und weiterentwickeln und Kinderrechte stärken

Übergänge in das Berufsleben besser zu gestalten, Schulabschlüsse zu erreichen und den Zugang zu Ausbildung für alle jungen Menschen zu stärken, werden als Ziele im Sondierungspapier definiert und von der AGJ klar befürwortet. „Besonders notwendig ist es, die Instrumente des SGB II, III und SGB VIII für junge Menschen besser aufeinander abzustimmen und inklusiv zu gestalten sowie das Übergangsmanagement zu professionalisieren“, erläutert die AGJ in ihrem Papier. „Neben der Weiterentwicklung der Ausbildungsgarantie braucht es Anreize für Betriebe, wieder mehr auszubilden. Zusätzlich ist der Ausbau der Assistierten Ausbildung wichtig, um junge Menschen mit Unterstützungsbedarfen in betrieblicher Ausbildung bestmöglich zu fördern.“

Angesichts des demografischen Ungleichgewichts zuungunsten junger Menschen fordert die AGJ eine Wahlrechtsreform, durch die das Wahlalter auf Bundesebene auf 16 Jahre abgesenkt würde, um jungen Menschen mehr politische Mitsprache zu ermöglichen. Des Weiteren fordert sie eine Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung, um das Recht von Kindern auf Schutz, Förderung und Beteiligung sichtbar zu machen und zu stärken.

Deutliche Kritik äußert die AGJ an den im Sondierungspapier geplanten Maßnahmen zur Migration. Sie fordert den Zugang zu fairen Asylverfahren weiterhin zu sichern und spricht sich für humanitäre Aufnahmeprogramme und Familiennachzug als „erprobte und planbare migrationspolitische Instrumente“ aus. Insbesondere für junge Menschen und die gesellschaftliche Integration spiele die Familie eine zentrale Rolle. „Statt Abschottung voranzutreiben, gilt es, Migration zu gestalten – weil würdige Lebensbedingungen ein Menschenrecht sind und weil Deutschland als alternde Gesellschaft auf Migration angewiesen ist“, fordert die AGJ.

Über die AGJ

In der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ sind die bundeszentralen Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe zusammengeschlossen. Als kooperatives Netzwerk setzt sich die AGJ im Interesse junger Menschen und Familien dafür ein, die Kinder- und Jugendhilfe weiterzuentwickeln und den kinder- und jugend(hilfe)politischen Dialog zu fördern.

 

Autorin: Mareike Klemz

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