Die zweite Chance auf einen Berufsabschluss – Sofortprogramm gefordert

In Deutschland leben rund 1,5 Mio. junge Erwachsene zwischen 25 und 35 Jahren ohne Berufsabschluss. Ihre Chancen auf echte Teilhabe und Integration am Arbeitsmarkt sind deutlich schlechter, als die von jungen Menschen mit einem entsprechenden Abschluss. Hier ist dringend Handlungsbedarf geboten, nicht nur weil der Ruf nach gut ausgebildeten Fachkräften immer stärker wird. Es geht auch darum, Arbeitsleben in prekären, unsicheren Beschäftigungsverhältnissen und daraus resultierend drohende Alternsarmut zu verhindern. Damit kein junger Erwachsener verloren geht, fordert die SPD eine 2. Chance auf Berufsausbildung. Dazu zählt neben der vorrangigen Vermittlung in Ausbildung statt in Arbeit auch der Zugang zu berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen bis 35 Jahre.

Auszüge aus dem Antrag der SPD „Sofortprogramm ‚2. Chance auf Berufsausbildung'“:

Ausbildung für jeden unter Berücksichtigung der individuellen Situation

„Der Bundestag soll die Regierung auffordern, ein Sofortprogramm „2. Chance auf Berufsausbildung“ für die rund 1,5 Mio. jungen Erwachsenen zwischen 25 und 35 Jahren ohne Berufsabschluss aufzulegen. Ziel ist es, jedem/r jungen Erwachsenen eine Ausbildung anzubieten und dabei seine/ihre spezielle Lebenslage zu berücksichtigen. Im Startjahr 2013 sollen mindestens 200 Millionen € für dieses steuerfinanzierte Sofortprogramm bereitgestellt werden. Prinzipiell müssen die Sondermittel über eine Zeitspanne von fünf Jahren angelegt sein. Die Bundesregierung soll hierfür einen Gesetzesentwurf ausarbeiten, der die folgenden zehn sofortigen gesetzgeberischen Maßnahmen und Initiativen enthält:

(…) Recht auf Ausbildung

Jedem/r Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird das Recht auf eine qualifizierte Ausbildung garantiert. Zunächst ist es Aufgabe der Betriebe, genügend Ausbildungsplätze zu schaffen und die selbst übernommenen Verpflichtungen in diesem Zusammenhang zu erfüllen. Junge Menschen, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden haben, sollen einen öffentlich geförderten und mit der Praxis verzahnten Ausbildungsplatz bekommen. (…)

Neuausrichtung des Ausbildungspakts als Kooperationsleistung von Bund und Ländern

Die Bundesregierung bündelt die derzeit 17 verschiedenen Bundesprogramme, die von drei unterschiedlichen Bundesministerien finanziert werden, zur Unterstützung von Jugendlichen im Übergang von Schule in Beruf. (…) Die Bundesregierung wirkt darauf hin, dass auch die Bundesländer – in enger Abstimmung mit den Regionaldirektionen für Arbeit – eine entsprechend Bündelung und Konsolidierung ihrer ca. 100 Programme vornehmen. Ziel ist es, gute und überschaubare Angebote für junge Menschen vorzuhalten. (…)

Vorrang von „Vermittlung in Ausbildung“ vor „Vermittlung in Arbeit“

§ 3 Abs. 2 SGB II wird dahingehend geändert, dass die Verpflichtung, Menschen unverzüglich in Ausbildung zu vermitteln vom 25. Lebensjahr auf das 35. Lebensjahr ausgeweitet wird. § 3 Abs. 2 SGB II und § 35 SGB III werden um die Vorgabe ergänzt, dass die Vermittlung in Ausbildung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 35 Jahren Vorrang vor der Vermittlung in Arbeit hat.

Zugang zu arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen bis 35 Jahre

Ziel ist es, gute und sinnvolle Maßnahmen, die bereits für Jugendliche existieren, auch für die Gruppe der älteren jungen Erwachsenen zu öffnen. Hierfür ist es nicht notwendig, neue Instrumente zu erfinden. Vielmehr geht es darum, die bereits vorhandene Infrastruktur zu nutzen und sie auf die Altersgruppe der 25 bis 35 jährigen entsprechend umzugestalten. Die Entscheidungen über die Auswahl der Instrumente müssen von den Vermittlungsfachkräften vor Ort getroffen werden. (…)

  • Berufseinstiegsbegleitung nach § 49 SGB III soll für berufsvorbereitende Schulen und junge Erwachsene bis zum Alter von 35 Jahren geöffnet werden;
  • Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen nach §§ 51 ff. SGB III werden auf junge Erwachsene bis 35 Jahre erweitert;
  • Ausbildungsbegleitenden Hilfen (§ 75 SGB III) erhalten auch junge Erwachsene bis 35 Jahren. Ziel ist es, die Quote der Ausbildungsabbrüche zu senken. Die Förderung wird erweitert auf Auszubildende, denen ohne Förderung ein Abbruch ihrer zweiten Berufsausbildung drohen würde und für die diese Förderung für eine erfolgreiche und nachhaltige berufliche Integration erforderlich ist. Auch sollten bestehende Modellprojekte der sogenannten „Assistierten Ausbildung“ für junge Erwachsene bis 35 Jahre geöffnet werden. Über das im Einzelfall anzuwendende Instrument entscheiden die Vermittlungsfachkräfte vor Ort.

Dauer von Vollzeitmaßnahmen individueller regeln

Die Dauer einer Vollzeitmaßnahme, die zu einem Abschluss in einem allgemein anerkannten Ausbildungsberuf führt, muss künftig nicht mehr zwingend zu einer Ausbildungsverkürzung führen wie derzeit in § 180 Abs. 4 SGB III geregelt. Vielmehr sollten das individuelle Lernverhalten und Leistungsspektrum der Geförderten Berücksichtigung finden können. Über die Anwendung der Regelung soll im Einzelfall vor Ort entschieden werden.

Finanzielle Anreize für junge Erwachsene, eine Ausbildung zu beginnen

Junge Erwachsene zwischen 25 und35 Jahren ohne Berufsabschluss werden durch einen finanziellen Anreiz zur Ausbildungsaufnahme motiviert, indem sie zusätzlich zum Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II 150 € pro Monat erhalten. Denn es gilt auch jene für eine Ausbildung zu motivieren, die bereits ein regelmäßiges Einkommen und/oder familiäre Verpflichtungen haben. Die Höhe von 150 € entspricht der Logik einer mit dem Ziel eines Bildungsabschlusses gerechtfertigten Mehraufwandsentschädigung.

Es ist darauf zu achten, dass eventuelle Übergänge von SGB II-Leistungen zu Berufsausbildungsbeihilfe und BaFöG-Leistungen abgesichert werden. Zusätzlich zu dieser Pflichtleistung kann nach bestandener Zwischen- und/oder Abschlussprüfung eine Prämie als Ermessensleistung ausbezahlt werden. (…)

Mehr Teilzeitangebote für Junge Erwachsene

Die bestehenden Angebote von Teilzeitausbildungen (§ 8 BBiG/§ 27 hwO) werden gefördert und offensiv beworben. Die Bundesregierung wirkt auf die Betriebe ein, ihre Bereitschaft zur Bereitstellung von Teilzeit-Ausbildungsplätzen zu steigern. Alleinerziehenden jungen Erwachsenen muss beim Nachholen eines Schul- bzw. Berufsabschlusses – auch in Form einer Teilzeitausbildung – einen Rechtsanspruch auf einen sofortigen Kinderbetreuungsplatz garantiert werden.

Informieren und motivieren

Es wird eine breit angelegte Informations- und Werbekampagne für die Ausbildung junger Erwachsener aufgelegt, die durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales initiiert und koordiniert wird und in enger Kooperation mit der Bundesagentur für Arbeit erfolgt. Bereits bestehende Förderinstrumente sollen bekannt gemacht und beworben werden. (…)

Neue Wege erproben: Jugendberufsagenturen testen

Es sollte geprüft werden, inwiefern „Jugendberufsagenturen“ nach dem Vorbild des „Hamburger Modells“ in allen Bundesländern zu fördern sind. Dann werden Angebote der Berufsorientierung, Berufsberatung und Ausbildungsvermittlung im Sinne des regionalen Managements zusammen geführt. Das wird immer von den örtlichen Gegebenheiten und Zuständigkeiten abhängig sein. In einem ersten Schritt könnte zumindest in jedem Bundesland eine Jugendberufsagentur an den Start gehen.

Die Förderung „aus einer Hand“ für junge Erwachsene bis zum 35. Lebensjahr ohne Berufsabschluss ist jedoch unabdingbar. Auf die Erfahrungen der Arbeitsbündnisse „Jugend und Beruf“ sollte zurückgegriffen werden. Hierbei agieren die Jugendämter und Arbeitsagenturen bzw. Jobcenter als kompetente und gleichberechtigte Partner. (…)“

Quelle: SPD Bundestagsfraktione – Katja Mast (MdB)

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