Gesundheitsversorgung sowie Bildungs-, Betreuungs- und öffentliche Mobilitätsangebote sind zentrale Bausteine der staatlichen Daseinsvorsorge. Die Zufriedenheit mit dieser öffentlichen Daseinsvorsorge prägen das Vertrauen in den Staat und in die Demokratie. Erleben Bürger*innen im Alltag einen Mangel in diesen Bereichen, wirkt das auf die Wahlentscheidungen. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hat diesen Zusammenhang in der Studie „Antidemokratische Wahlerfolge im ungleichen Deutschland” beleuchtet.
Am stärksten sind völkisch-nationalistische und rechtsextreme Parteien in strukturschwachen, ländlichen Regionen Ostdeutschlands. Sie werden dort nicht aus Protest gewählt, sondern wegen ihrer Position gegen Menschen mit Einwanderungs- oder Fluchterfahrung sowie ihrer demokratiefeindlichen Haltung. Fremde dienen als Ursache für eine löchrige Gesundheitsversorgung, für fehlende Plätze in Kitas und Schulen oder wirtschaftliche Probleme in einer Region. Zudem gelingt es den Antidemokrat*innen, die demokratischen Kräfte für den Mangel in der Daseinsvorsorge verantwortlich zu machen. Dabei nutzen sie, dass die pessimistische subjektive Wahrnehmung die teils guten objektiven Daten nicht spiegeln – Emotionen statt Fakten.
Zukunftsfähigkeit einer Region
Die Autor*innen Bastian Heider, Tessio Novack, Pauline Scheunert und Benjamin Scholz plädieren nach Auswertung der Daten dafür, nicht nur die multiplen gesellschaftlichen Krisen (Pandemie, Inflation, Klimakrise, geopolitische Konflikte und Kriege) sowie die Transformationsprozesse (demografischer Wandel, Digitalisierung und Dekarbonisierung) als Erklärungsmuster für das Erstarken der Extreme zu verwenden, sondern ebenso die Bedingungen im Lebensumfeld der Bevölkerung. Der Verdacht liege nahe, dass regionale Faktoren, wie Immobilien und Arbeitsmärkte, Unterschiede in der Daseinsvorsorge und die jeweilige sozioökonomische Zukunftsfähigkeit in einer Region die Wahlerfolge wesentlich beeinflussen.
Strukturelle Herausforderungen abfedern
„Indikatoren der Daseinsvorsorge korrelieren zumindest in Teilen signifikant mit Demokratieunzufriedenheit und Wahlerfolgen von Rechtsaußenparteien”, heißt es in der Studie. Zudem weisen die Autor*innen auf Folgendes hin: „Objektiv messbare Indikatoren der Daseinsvorsorge spiegeln die tatsächliche Wahrnehmung der Bevölkerung und den Einfluss auf die Demokratieunzufriedenheit nur teilweise wider”. Räume mit besonderen strukturellen Herausforderungen (vor allem östliche Bundesländer) sowie Regionen mit wachsenden Anpassungshemmnissen (zum Beispiel im Saarland, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) bieten auf dieser Grundlage einen Nährboden für Parteien, die rechtsextreme und demokratiefeindliche Positionen offen vertreten – wie die AfD.
In Daseinsvorsorge investieren
Die Autor*innen der Studie geben nach Deutung der Daten Hinweise, mit welchen Maßnahmen sich das Zutrauen in Demokratie und Sozialstaat stärken ließe:
- Schulen und Bildungsinfrastrukturen stärken
- Infrastrukturen ausbauen
- Ländliche Zentren stärken
- Wirtschaftliche Perspektiven schaffen
- Demografische Balance verbessern
- Erfolge besser kommunizieren
Diese abstrakt klingenden Ansätze bedeuten insbesondere konkret: Breitband-Internet ausbauen. Das Personal in Kitas und Schulen stärken, damit alle jungen Menschen einen Bildungsabschluss erreichen können. Kostenlose Kitaplätze und bezahlbare Heimplätze für ältere Menschen bereitstellen. Ehrenamtliche Vereine unterstützen. Die Erreichbarkeit von Haus- und Fachärzt*innen ausbauen sowie Wartezeiten auf Behandlung reduzieren. Den öffentlichen Nahverkehr stärken und günstig gestalten. Bezahlbaren Wohnraum schaffen. Staatliche Mittel müssen demnach erkennbar dort investiert werden, wo die staatliche Daseinsvorsorge im Alltag eine Rolle spielt.
Text: Michael Scholl