Die neuesten Ergebnisse der achten Befragungsrunde der COPSY-Studie (Child Outcomes in PSYchology) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) zeigen: Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist immer noch schlechter als vor der Pandemie. Rund ein Fünftel der Befragten berichtet von eingeschränkter Lebensqualität und psychischen Belastungen. Auffällig ist, dass Mädchen und Frauen ab 14 Jahren stärker von psychischen Belastungen betroffen sind als Jungen. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass Kinder und Jugendliche über wirksame Strategien verfügen, um mit den aktuellen Krisen umzugehen.
Kinder und Jugendliche sorgen sich neben Krieg und Terror zunehmend um gesellschaftliche Spaltung und Zuwanderung
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass aktuelle gesellschaftliche Diskussionen einen deutlichen Einfluss auf Kinder und Jugendliche haben. Während die Belastungen durch die COVID-19-Pandemie inzwischen abgenommen haben, beschäftigen sich junge Menschen verstärkt mit globalen und gesellschaftlichen Themen:
- 70 % sorgen sich über Kriege
- 62 % über Terrorismus
- 57 % über wirtschaftliche Unsicherheit
- 49 % über die Klimakrise
In der aktuellen Erhebung wurden zudem neue Fragen zu gesellschaftlicher Uneinigkeit und migrationspolitischen Herausforderungen aufgenommen: 56 % der Kinder und Jugendlichen äußern Sorgen über eine Spaltung der Gesellschaft, 51 % über die Auswirkungen von Zuwanderung.
„Diese globalen Sorgen und gesellschaftlichen Diskussionen führen bei vielen jungen Menschen zu mehr Ängsten und Belastungen. Kinder und Jugendliche, die unter krisenbezogenen Zukunftsängsten leiden, haben ein 3,4 mal höheres Risiko für psychische Auffälligkeiten, Ängste, depressive Symptome und Einsamkeit“, sagt Erstautorin Dr. Anne Kaman (UKE). Die aktuelle Auswertung zum Verlauf der Einsamkeit zeigt ein ähnliches Bild wie bei der Lebensqualität: Während der Pandemie fühlten sich etwa 39 Prozent der Kinder und Jugendlichen einsam, aktuell liegt der Anteil bei 18 Prozent – das Niveau vor der Pandemie von 14 Prozent ist damit noch nicht erreicht.
Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI) und sozialen Medien
Der soziale oder emotionale Einsatz von KI spielt nur eine untergeordnete Rolle. „Wir haben mit Erleichterung festgestellt, dass nur ein sehr kleiner Teil von sieben Prozent der Kinder und Jugendlichen KI nutzt, um über persönliche Sorgen zu sprechen. Das deutet darauf hin, dass KI bisher nicht als emotionaler oder sozialer Ansprechpartner angesehen wird“, sagt Dr. Kaman. Gleichzeitig weist Dr. Kaman auf die Risiken der ungefilterten Nutzung sozialer Medien hin. Kinder und Jugendliche werden häufig mit belastenden oder ungeeigneten Inhalten konfrontiert, was bestehende psychische Belastungen verstärken kann: „Kinder und Jugendliche brauchen eine gute Medienkompetenz, um Inhalte einzuordnen und ihre Nutzung regulieren zu können“.
Besondere Risiken für Kinder in prekären Lebenslagen
Besonders gefährdet sind Kinder aus bildungsfernen Haushalten, mit engen Wohnverhältnissen und psychisch belasteten Eltern. „Unsere Daten zeigen, dass diese Kinder häufiger Ängste, depressive Symptome und eine geringere Lebensqualität haben. Für diese Kinder und Familien braucht es niedrigschwellige Angebote in Schulen und im sozialen Umfeld, um diesen sozialen und gesundheitlichen Ungleichheiten zu begegnen“, sagt Prof. Ravens-Sieberer.
Die Erfahrungen aus der Praxis des MHC-Programms spiegeln die Erkenntnisse der COPSY-Studie wider und unterstreichen die Bedeutung frühzeitiger Präventionsarbeit
„Unsere COPSY-Studie zeigt immer noch eine Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu den präpandemischen Daten. Aber nicht jedes Kind mit psychischen Belastungen muss auch behandelt werden – viele junge Menschen entwickeln starke Bewältigungsstrategien und verfügen über persönliche Ressourcen. Diese Stärken müssen wir gezielt fördern, idealerweise schon in der Schule, um ihre mentale Gesundheit nachhaltig zu stärken“, fasst Prof. Dr. Ulrike Ravens-Sieberer, Leiterin der COPSY-Studie, die aktuellen Studienergebnisse zusammen.
Das Programm Mental Health Coaches zeigte eindrucksvoll, wie Präventionsarbeit zur psychischen Gesundheit erfolgreich in Schulen umgesetzt werden konnte. Die Angebote wurden von den Schüler*innen sehr gut angenommen und die MHC-Fachkräfte entwickelten sich zu vertrauten Bezugspersonen. Die Schulen äußerten den Wunsch nach einer Fortführung des Programms. Durch ihre Angebote trugen die Fachkräfte wesentlich dazu bei, die Resilienz und das Wohlbefinden junger Menschen zu stärken, ihre Ressourcen zu aktivieren und ihnen effektive Bewältigungsstrategien für Krisensituationen zu vermitteln.
Das Modellvorhaben hat gezeigt, dass niedrigschwellige Zugänge innerhalb der Schule funktionieren und dass mentale Gesundheit als fester Bestandteil schulischer Arbeit verankert werden sollte. Wir müssen die Bedarfe junger Menschen ernstnehmen und ihre psychische Gesundheit gezielt fördern. Jetzt gilt es, die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen, um tragfähige Strukturen für Prävention und Unterstützung zu schaffen – damit alle Kinder und Jugendliche die Chance auf gesunde Entwicklung erhalten.
Über die Studie
In der COPSY-Studie untersuchen die UKE-Forschenden die Auswirkungen und Folgen der Corona-Pandemie und globaler Krisen auf die seelische Gesundheit und das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Es ist das einzige langfristige Gesundheitsmonitoring in Deutschland, das sich mit der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen befasst. Insgesamt haben 3.312 Familien mit Kindern und Jugendlichen im Alter von 7 bis 23 Jahren an mindestens einer Befragungswelle der COPSY-Studie von Mai 2020 bis Oktober 2025 teilgenommen, an der achten Befragungswelle nahmen 1.607 Familien teil. Die 11- bis 23-Jährigen füllten ihre Online-Fragebögen selbst aus. Für die 7- bis 10-Jährigen antworteten die Eltern. Die Mehrheit der Eltern hatte einen mittleren Bildungsabschluss. Etwa ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen hatte einen Migrationshintergrund und ein Fünftel der Eltern war alleinerziehend.
Autorin: Özlem Tokyay



