Wohnungsnot als Herausforderung – auch für die Jugendsozialarbeit

Wohnen ist eine der zentralen sozialen Fragen unserer Zeit. Das gilt besonders für junge Menschen, die am Übergang in ein eigenständiges Leben stehen – in Ausbildung, im Studium, nach der Jugendhilfe oder auf der Suche nach ihrem Platz in der Gesellschaft. Der von der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) herausgegebene Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2024/2025“ zeigt: Für viele junge Menschen ist bezahlbares Wohnen längst zur Herausforderung geworden. Sie sind besonders betroffen von steigenden Mieten, Wohnungsnot und einem unzureichenden Angebot an bedarfsgerechten Wohnformen, findet Silke Starke-Uekermann, Projektleitung der BAG KJS für den Monitor „Jugendarmut in Deutschland“.

Jugendarmut trifft auf Wohnungsnot

Junge Menschen in Ausbildung oder Studium wenden häufig einen überdurchschnittlich hohen Teil ihres Einkommens für Miete auf. Wer hierbei keine familiäre Unterstützung hat, ist besonders armutsgefährdet. Laut Jugendarmutsmonitor sind fehlende Rückzugsräume und Wohnsicherheit zentrale Belastungsfaktoren im Alltag junger Menschen – mit Auswirkungen auf Bildung, Gesundheit und gesellschaftliche Teilhabe.

Vielerorts steigen die Mieten seit Jahren stark an. Gleichzeitig sinkt das Angebot an Sozialwohnungen seit Jahren. Zum Jahresende 2024 lag der Bestand bundesweit nur noch bei rund 1,046 Millionen – ein Rückgang um 26.000 Wohnungen im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr 2023. Ende 2014 waren es noch 1,456 Millionen. Die staatlichen Maßnahmen zur Gegensteuerung reichen nicht aus. Im Jahr 2024 wurden lediglich 61.934 neue Einheiten im sozialen Wohnungsbau gefördert. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor.

Reformansätze: Faire Mieten und soziale Verantwortung

Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat im Mai einen umfassenden Gesetzentwurf für „Faire Mieten“ vorgelegt. Darin enthalten sind unter anderem:

  • eine Entfristung der Mietpreisbremse,
  • eine Verschärfung der Regeln für möblierte Wohnungen,
  • neue Vorgaben für Indexmieten,
  • eine Verlängerung des Betrachtungszeitraums für Mietspiegel auf 20 Jahre,
  • sowie eine Absenkung der Kappungsgrenze auf 9 % innerhalb von drei Jahren.

Zudem soll der Mietwucher-Paragraf im Wirtschaftsstrafgesetz reformiert und die Bußgeldgrenze auf 100.000 Euro erhöht werden.

Auch die Fraktion Die Linke hat einen Gesetzentwurf eingebracht: das sogenannte „Mietwuchergesetz“. Ziel ist es, überhöhte Mieten künftig einfacher ahnden zu können. Der Entwurf sieht vor, das Wirtschaftsstrafgesetz zu ändern, indem das Erfordernis der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen gestrichen wird. Stattdessen soll bei der Frage der Unangemessenheit auf das objektive Kriterium des Vorliegens eines geringen Angebots abgestellt werden. Zudem soll der Bußgeldrahmen von derzeit 50.000 Euro auf 100.000 Euro erhöht werden.

Die beiden Vorstöße treffen einen Nerv bei vielen Mieter*innen – auch wenn sie im Bundestag voraussichtlich nicht beschlossen werden. Beide Gesetzentwürfe wurden am 22. Mai 2025 in erster Lesung im Bundestag beraten und zur weiteren Beratung an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Trotzdem setzen sie wichtige Impulse für eine längst überfällige Debatte: Was ist eine „faire“ Miete? Und welche Instrumente braucht es, damit Wohnen kein Ausschlusskriterium für ein selbstbestimmtes Leben wird?

Kommunen am Limit – ein Blick nach München

„Die Mietpreisbremse funktioniert in München nicht mehr“, sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter im Interview mit web.de. Die Ausgangsmieten seien so hoch, dass jede weitere Steigerung zur sozialen Verdrängung führe. Reiter fokussiert in dem Interview nicht auf junge Menschen, aber auf Berufsgruppen mit mittleren oder niedrigen Einkommen, die von der Verdrängung betroffen seien: Pflegepersonal, Erzieher*innen oder Busfahrer*innen. Die Stadt versuche, mit Betriebswohnungen gegenzusteuern, stoße aber an rechtliche und wirtschaftliche Grenzen.

Reiter fordert eine Gesetzesänderung: Wer Gewerbeflächen baut, müsse verpflichtet werden, anteilig Wohnraum für Mitarbeitende zu schaffen – nicht unbedingt selbst, aber durch Belegrechte oder Beteiligung an Genossenschaften. „Egal welche politische Couleur: Niemand traut sich an echte Reformen“, kritisiert er mit Blick auf Berlin.

Jugendgerechte Wohnungspolitik – Fehlanzeige

Die bisherige Wohnungspolitik nimmt junge Menschen weitgehend nicht in den Blick. Weder die Mietpreisbremse noch Wohngeld erreichen jene effektiv, die sich in Übergangsphasen befinden, noch keine gefestigte Erwerbsbiografie vorweisen können oder aus stationären Hilfen kommen. Der Zugang zu Wohnraum wird so zur sozialen Hürde – mit dramatischen Folgen: zunehmender Stress, psychische Belastungen, mögliche Verschuldung, Schul- oder Ausbildungsabbrüche, im schlimmsten Fall Wohnungslosigkeit.

Dabei sind jugendgerechte Lösungen längst bekannt: Azubi- und Jugendwohnen mit sozialpädagogischer Begleitung, betreute Wohnformen, gemeinnützige Wohnprojekte. Doch vielerorts fehlen Finanzierungssicherheit, Wohnraum und politische Rückendeckung.

Fazit: Ein Recht auf Wohnen – auch für junge Menschen

Wohnen ist ein Menschenrecht – auch für junge Menschen. Wer Jugendarmut bekämpfen will, muss das Thema Wohnen strukturell denken: als Grundvoraussetzung für Chancengerechtigkeit. Die Jugendsozialarbeit braucht verlässliche Instrumente, um jungen Menschen in prekären Lebenslagen Wohnsicherheit und Perspektiven zu ermöglichen.

Forderungen an die Politik:

  • Eine Wohnraumpolitik, die junge Menschen als Zielgruppe ernst nimmt.
  • Eine gesetzliche Verankerung des Rechts auf Wohnen im Grundgesetz.
  • Die Berücksichtigung des sozialpädagogisch begleiteten Jugendwohnens im Förderprogramm „Junges Wohnen“.
  • Eine nachhaltige Förderung des sozialen und gemeinnützigen Wohnungsbaus.
  • Eine Mietpolitik, die Bestandsmieten begrenzt und Verdrängung verhindert.
  • Jugendspezifische Mindeststandards für Notunterkünfte für Wohnungslose einführen.

So kann verhindert werden, dass Wohnungsnot die soziale Spaltung weiter verstärkt – und junge Menschen auf der Strecke bleiben.

 

Autorin: Silke Starke-Uekermann

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