Warum viele Betriebe nicht ausbildungsreif sind

Der DGB legt eine Expertise zu den Schwierigkeiten der Betriebe bei der Besetzung von Ausbildungsplätzen vor: Die Ausbildungssituation ist häufig gekennzeichnet durch hohe Abbrecherquoten, geringe Vergütung der Auszubildenden und schlechte Prüfungsergebnisse. Vor allem in den Berufen Restaurantfachmann/-frau, Fleischer/- in, Gebäudereiniger/-in oder Fachmann/- frau für Systemgeastronomie blieben Ausbildungsplätze unbesetzt. In nahezu allen in der Expertise untersuchten Punkten gibt es bei diesen Ausbildungsberufen erhebliche Mängel, die Fragen nach der „Ausbildungsreife der Betriebe“ in diesen Branchen aufwerfen.

Auszüge aus der DGB-Expertise „Hohe Abbrecherquoten, geringe Vergütung, schlechte Prüfungsergebnisse – Viele Betriebe sind nicht ausbildungsreif“ von Matthias Anbuhl und Thomas Gießler:

Erhebliche Ungleichgewichte auf dem Ausbildungsmarkt

„Wenn sich auch die Lage auf dem Ausbildungsmarkt 2011 aufgrund der demographischen Entwicklung etwas entspannt hat, bleibt sie für zehntausende Jugendliche problematisch. „Denn noch immer waren zum Abschluss des Berufsbildungsjahres 2011 wesentlich mehr Ausbildungsstellenbewerber (insgesamt 76.700) auf Lehrstellensuche als Lehrstellen (29.689) noch zu besetzen waren“, heißt es in einer Expertise des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). (…) Gleichzeitig ist die Zahl der Betriebe, die ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen können, signifikant gestiegen. Die Zahl der unbesetzten Plätze wuchs um immerhin 10.084 auf 29.689. Während zehntausende Jugendliche noch einen Ausbildungsplatz suchen, haben viele Betriebe zunehmend Probleme, Bewerber/-innen für ihre Plätze zu finden.

Bei näherer Betrachtung des Berufsbildungsberichts 2012 fällt auf, dass es erhebliche Ungleichgewichte auf dem Ausbildungsmarkt gibt. Während einige Berufe sehr gefragt waren und die Betriebe in diesen Branchen nahezu keine Rekrutierungsprobleme hatten, gab es bei den Berufen Restaurantfachmann/-frau, Fachmann/-frau für Systemgastronomie, Klempner/-in, Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk, Fleischer/-in und Gebäudereiniger/-in erhebliche Besetzungsprobleme. Für alle angeführten Berufe gab es wie auch schon in den Vorjahren einen hohen Anteil unbesetzter Stellen. (…) Wenn es in diesen Berufen schon seit Jahren wachsende Besetzungsprobleme gibt, ist das ein wichtiges Indiz für eine schwindende Attraktivität dieser Ausbildungsberufe.

Während die Spitzenverbände der Wirtschaft oft eine „mangelnde Ausbildungsreife“ der Jugendlichen beklagen, fehlt in der öffentlichen Debatte ein systematischer Blick auf die „Ausbildungsreife der Betriebe“. Um die Ausbildungsqualität und die Attraktivität in den Berufen mit hohen Besetzungsproblemen erfassen zu können, will die hier vorgelegte Expertise die Unterschiede zwischen den Ausbildungsberufen mit einer hohen Zahl unbesetzter Plätze im Vergleich zum Durchschnitt aller Ausbildungsberufe darstellen.

Messgrößen hierfür sind:

  • die Quote der vorzeitigen Auflösung von Ausbildungsverträgen,
  • die Ausbildungsvergütung,
  • die Misserfolgsquote bei den Abschlussprüfungen sowie
  • die Ausbildungsqualität aus Sicht der Auszubildenden.

Vorzeitige Lösung von Ausbildungsverträgen

Auffällig bleibt, dass die Lösungsquoten schon seit Jahren erheblich zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen variieren. Mehr noch: Alle Ausbildungsberufe mit einem hohen Anteil an unbesetzten Plätzen befinden sich seit Jahren konstant in der Gruppe mit den höchsten Quoten der vorzeitigen Vertragslösungen.

  • Restaurantfachmann/Restaurantfachfrau 47,6 %
  • Koch/Köchin 46,3 %
  • Fachkraft im Gastgewerbe 42,1 %
  • Fachmann/Fachfrau für Systemgastronomie 40,9 %
  • Gebäudereiniger/Gebäudereinigerin 38,0 %
  • Bäcker/Bäckerin 34,8 %
  • Fachverkäufer/Fachverkäuferin im Lebensmittelhandwerk 34,7 %
  • Fleischer/Fleischerin 33,3 %
  • Klempner/Klempnerin 33,2 %
  • Hotelkaufmann/Hotelkauffrau 29,5 %
  • DURCHSCHNITT ALLER BERUFE 23,0 %
  • Industriemechaniker/Industriemechanikerin 7,5 % (…)

Die Quote der vorzeitig gelösten Ausbildungsverträge in den untersuchten Ausbildungsberufen liegt seit Jahren konstant innerhalb einer Spanne von 33 bis fast 48 Prozent – und ist damit signifikant höher als beim Durchschnitt der Ausbildungsberufe (23,0 Prozent). In einigen Berufen übersteigt sie die Durchschnittsquote sogar um mehr als das Doppelte. Diese Daten deuten auf branchenspezifische Probleme hin. In diesen Ausbildungsberufen müssen die Betriebe dringend an der Qualität und Attraktivität arbeiten. (…)

Misserfolgsquote bei den Abschlussprüfungen

(…) Bei nahezu allen Ausbildungsberufen mit einem hohen Anteil an unbesetzten Plätzen liegt die Quote der nicht bestandenen Abschlussprüfungen bezogen auf die Prüfungsteilnehmenden deutlich über dem Durchschnitt. Dies betrifft insbesondere die Berufe Gebäudereiniger/-in (22,1 Prozent), Bäcker/-in (19,1 Prozent), Fachmann/-frau für Systemgastronomie (19,0 Prozent), Koch/Köchin (18,8 Prozent) sowie Klempner/-in (17,7 Prozent). Hier übersteigt die Misserfolgsquote den Durchschnitt (8,5 Prozent) um mehr als das Doppelte. (…)

Ausbildungsqualität aus Sicht der Auszubildenden

Sowohl beim Ausbildungsreport 2011 der DGB-Jugend als auch bei der Auszubildendenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung wiesen die untersuchten Berufe erhebliche Qualitätsmängel auf. Vor allem bei den Ausbildungszeiten und den Überstunden. (…)

Der Beruf Restaurantfachmann/-frau wird (…) von den Auszubildenden schlecht eingestuft. Dies betrifft die Ausbildungsinhalte, die fachliche Anleitung und insbesondere die Ausbildungszeiten und Überstunden sowie die Ausbildungsqualität. Ebenfalls schlechte Noten geben die Auszubildenden dem Beruf Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk. (…) Immerhin durchschnittlich schneidet dieser Beruf bei den Ausbildungsinhalten ab. Bei der fachlichen Anleitung, Ausbildungszeiten und Überstunden und Ausbildungsqualität fällt das Urteil der Auszubildenden (…) negativer aus. Differenzierter fällt die Bewertung der Betroffenen für den Beruf Koch/Köchin aus. Hier sind zumindest die fachliche Anleitung und die Bewertung der Ausbildungsqualität eher im oberen Mittelfeld des Rankings einer Azubibefragung wiederzufinden. Die Ausbildungsinhalte und vor allem die Ausbildungszeiten und Überstunden liegen aber auch in diesem Beruf unter dem Durchschnitt.

Bei allen drei Ausbildungsberufen fällt auf, dass die Auszubildenden vor allem die Ausbildungszeiten und Überstunden bemängeln. Hier ist zu beachten, dass nach den Vorgaben des Jugendarbeitsschutzgesetzes für Jugendliche, die noch nicht 18 Jahre alt sind, die Arbeitszeit auf maximal 40 Stunden pro Woche und acht Stunden pro Tag festgelegt ist. Umso erstaunlicher ist, dass trotz weitreichender gesetzlicher Regelungen immerhin 18 Prozent der Befragten im Ausbildungsreport 2011 angaben, deutlich mehr als 40 Stunden zu arbeiten. (…)

Gesamtschau

Die Gesamtschau der untersuchten Messgrößen weist auf erhebliche Defizite bei der Qualität und Attraktivität der Ausbildungsberufe mit einer hohen Zahl an unbesetzten Plätzen hin. In nahezu allen Punkten gibt es bei diesen Ausbildungsberufen erhebliche Mängel, die Fragen nach der „Ausbildungsreife der Betriebe“ in diesen Branchen aufwerfen. Dies gilt gerade für die Hotel- und Gaststättenbranche.

Wenn junge Menschen als billige Arbeitskräfte ausgenutzt werden und ihnen keine attraktiven Berufsperspektiven für die Zeit nach der Ausbildung angeboten werden, bewerben sie sich in diesen Unternehmen nicht mehr. Wenn Betriebe für Bewerber/-innen attraktiv sein wollen, müssen sie ihre Auszubildenden besser bezahlen, die Qualität der Ausbildung verbessern, mehr Auszubildende übernehmen und die Ausbildungsbedingungen erheblich verbessern.“

Quelle: DGB Bundesvorstand

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