Auszüge aus den zentralen Ergebnissen der Analyse „Offene Gesellschaft, Teilhabe und die Zukunft der Kinder“ von Hans Bertram:
„Transferleistungen
## Die unbekämpfte relative Kinderarmut auf der Basis von 60 Prozent des Median-Einkommens liegt in Deutschland bei etwas mehr als 30 Prozent (…). Unterstützungsleistungen des Staates senken diese Quote in Deutschland auf ca. 15 Prozent (…). Deutschland nimmt bei der Wirksamkeit der Interventionen im internationalen Vergleich einen Mittelplatz ein.
## Auf der Basis des 50 Prozent Median-Einkommens liegt die unbekämpfte relative Kinderarmut in Deutschland bei 24 Prozent (…)
## Das Armutsrisiko von Kindern von Alleinerziehenden ist damit – auch wenn diese berufstätig sind – in Deutschland gut doppelt so hoch wie in Haushalten, in denen zwei Eltern mit ihren Kindern zusammenleben
## Von öffentlichen Fürsorgeleistungen profitieren Kinder in Deutschland offensichtlich dann deutlich stärker, wenn sie in einer Familie mit beiden Elternteilen leben. Würden beispielsweise bei berufstätigen Alleinerziehenden die Leistungen für Krankenkasse und Rente nicht erhoben – wie bei Ehepaaren, bei denen ein Elternteil nicht berufstätig ist – würde das relative Armutsrisiko dieser Gruppe mit rund sechs Prozent um ein gutes Drittel gedrückt. (…)
##In Stadtvierteln, in denen ein Drittel der Kinder erlebt, dass ihre Familien völlig von staatlichen Sozialleistungen abhängen, wird aber ein Zukunftsbild sozialer Abhängigkeit statt sozialer Selbstständigkeit vermittelt. Diese gelebte „soziale Exklusion“ macht den betroffenen Kindern vor allem deutlich, dass ihre Eltern und sie letztlich nicht zu dieser Gesellschaft gehören, weil die Teilhabe für die Eltern im Wesentlichen über die Teilhabe am Arbeitsmarkt definiert ist.
## Dabei hat sich die Situation vor allem in den neuen Bundesländern deutlich verbessert, so gibt es in Dresden etwa nur noch 15 Prozent der Kinder in solchen Haushalten gegenüber 30 Prozent in Berlin, und auch Leipzig hat sich von 40 Prozent auf 25 Prozent deutlich verbessert. Kaum Verbesserungen hat es im Ruhrgebiet gegeben. Berlin hat sich zwar deutlich verbessert, gehört aber immer noch zu den Städten mit dem höchsten Prozentsatz von Kindern, die mit Hartz IV leben. (…)
## Für die meisten verheirateten und auch die nicht verheirateten Paare mit Kindern sichert der moderne Wohlfahrtsstaat ein Auskommen oberhalb der relativen Armutsgrenze. Bei Alleinerziehenden kommt es jedoch besonders häufig zu einer Kumulation von negativen Einflussfaktoren: Relative Armut, schwere materielle Deprivation und ein geringes Maß an Teilhabemöglichkeiten am Arbeitsmarkt erhöhen hier die Gefahr für die „Exklusion“ der dort aufwachsenden Kinder.
## Für diese von „Exklusion“ bedrohten Kinder sind nicht allein ausreichende finanzielle Transferleistungen sowie Bildungs- und Fördermöglichkeiten notwendig. Hinzukommen müssen noch andere Formen der sozialen Unterstützung, um eine Selbständigkeit der Lebensführung zu gewährleisten. Staatliche Institutionen wie Vorschule und Ganztagsschule können diese Probleme nicht lösen. (…)
## Bei der Berechnung des relativen Armutsrisikos von Kindern mit Migrationshintergrund auf der Basis des Mikrozensus 2011 – also noch vor der aktuellen Flüchtlingswelle – ist festzustellen, dass selbst bei dem engeren 50 Prozent-Kriterium in Essen 35 Prozent aller Kinder, deren Mutter einen Migrationshintergrund hat, von relativer Armut bedroht sind. In Hamburg sind es 20 Prozent und selbst in München zehn Prozent. Demgegenüber liegt diese Quote für Kinder, deren Mütter in Deutschland geboren sind, zwischen fünf Prozent in Bayern und zehn Prozent in Essen.
## In Berlin oder im Ruhrgebiet haben 15 bis 17 Prozent der zugewanderten Frauen keinen Schulabschluss. Etwa 30 bis 40 Prozent haben auch keine Berufsausbildung. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt sind entsprechend eingeschränkt. (…)
## Besonders in den Regionen, in denen sich negative Faktoren für das Aufwachsen von Kindern häufen, müssen Maßnahmen für die Teilhabe benachteiligter Kinder in ihrem direkten Lebensumfeld verstärkt werden. Dazu gehören Investitionen in frühkindliche, schulische und außerschulische Bildung sowie eine Stärkung der Jugendhilfe.
## Als einen wichtigen Beitrag für eine zukunftsfähige und inklusive Gesellschaft empfiehlt UNICEF erneut die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz.“
Quelle: UNICEF Deutschland