Studie wirft differenzierten Blick auf junge Wähler*innen

Mit der Studie „Krisenerwachsen – Wie blicken junge Wähler*innen auf Politik, Parteien und Gesellschaft?“ gibt die Friedrich-Ebert-Stiftung Einblick in die Lebenslage und in die politischen Einstellungen junger Menschen. Die Forschenden differenzieren bei einigen Fragen nach Bildungsgrad und sozialer Lage der Befragten. Nicht nur das macht die Ergebnisse interessant für Fachkräfte in der Jugendsozialarbeit.

Die aktuellen Krisen führen zu einer starken Verunsicherung

Eine Auswahl zentraler Erkenntnisse der Studie zeigt: Junge Menschen sind mit ihrem Leben zufrieden, die aktuellen Krisen führen jedoch zu einer starken Verunsicherung. Die Demokratiezufriedenheit ist stabil, zumindest knapp die Hälfte der jungen Befragten übt zugleich Kritik an der Funktionsweise der Demokratie; viele sind mit dem parteipolitischen Angebot unzufrieden und fühlen sich in der Politik nicht ausreichend gesehen. Hauptberührungspunkte mit Politik sind für junge Menschen der alltägliche Medienkonsum, insbesondere die Social-Media-Nutzung. Finanzielle und soziale Sicherheit sind für die 16- bis 30-Jährigen die wichtigsten Werte. Die Themen Rente, Alterssicherung und Wohnen stehen hoch auf der Agenda. Sie haben ihren Platz neben der allgegenwärtigen Bedrohung der Klimakrise im Bewusstsein der jungen Menschen fest eingenommen. Die Forschenden stellen fest, dass junge Menschen mit höherem Bildungsabschluss positiver auf die gesellschaftliche Lage schauen als jene mit geringerem Bildungsabschluss.

Bei der Frage nach der Bildungssituation und der finanziellen Situation liegen auf einer Skala von 0 (gar nicht zufrieden) bis 10 (sehr zufrieden) die jungen Menschen mit hohem Bildungsabschluss zwei Punkte vor jenen mit niedrigem Abschluss – alle gemeinsam jedoch über dem Durchschnitt von 5. Konkret verzeichnen die Forschenden eine Zufriedenheit von 8 (hoher Bildungsabschluss) zu 6 (niedriger Abschluss) bei der Bildungssituation und 6,5 zu 5 bei der finanziellen Situation. Das spiegelt, dass Menschen mit geringem Bildungsabschluss mehr finanziellen Druck erfahren und das Bildungssystem sie nicht ausreichend unterstützt.

Zufriedenheit mit der Demokratie hängt vom Bildungshintergrund ab

Ins Zentrum rückt die Studie die Frage, wie junge Wähler*innen zu Demokratie, Politik und Parteien stehen. Eine Erkenntnis: „Formal hoch Gebildete (61 Prozent) sind deutlich häufiger zufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie als mittel (37 Prozent) oder niedrig Gebildete (36 Prozent).

Für die politisch aufgeladene Rechts-Links-Debatte attestiert die Studie, dass sich die meisten jungen Menschen – unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsstand – eher in der politischen Mitte verorten; mit einer leichten Tendenz zur politischen Linken. Das kann an der Präferenz ihrer Themen liegen, die im gesellschaftlichen Diskurs als „linke” Themen debattiert werden: Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern fördern (88 % Zustimmung), mehr in Klimaschutzinvestieren (78 %), höhere Einkommen stärker besteuern/niedrigere entlasten (77 %), Einhaltung der Schuldenbremse (65 %) sowie die Einwanderung nach Deutschland stärker begrenzen (49 %).

In der Frage nach Motiven für die Wahlentscheidung fällt auf, dass sich junge Menschen mit hohem Bildungsabschluss bei ihrer Entscheidung an inhaltlichen Positionen der Parteien, an deren Zukunftsplänen orientieren. Junge Menschen mit niedriger Bildung orientieren sich stärker an möglichen Koalitionen, ihre Nähe zu einer Partei oder – stark ausgeprägt – an der politischen Meinung der Familie oder der Freund*innen.

Außerschulische Bildungsangebote sollten gestärkt werden

Für die Jugendsozialarbeit und für ihre Angebote der politischen Bildung lohnt der Blick auf das Fazit der Studie:

  • „Junge Menschen schreiben der Politik eine hohe Alltagsrelevanz für ihr eigenes Leben zu. Was sie hingegen nicht sehen: dass Politik für sie – und nicht die Älteren – gemacht wird. Von den meisten Parteien fühlen sie sich weder gesehen noch angesprochen.” Das kann bedeuten: Auseinandersetzung mit Politik und mit dem eigenen politischen Handeln stärker in den Angeboten sichtbar machen.
  • „Mit einer klaren Programmatik, die soziale und klimapolitische Fragen verbindet, steigt die Attraktivität von politischen Parteien bei jungen Menschen”. Das kann bedeuten: Die sozialen und klimapolitischen Themen in den Angeboten zu reflektieren.
  • „Die 16bis 30-Jährigen bewegen sich mit einem gesunden Misstrauen gegenüber Algorithmen und Fake News im digitalen Raum. Für die eigene Meinungsbildung suchen junge Menschen nach objektiven Formaten, die
  • einen neutralen Überblick zu parteipolitischen Positionen bieten“. Das kann bedeuten: Junge Menschen bei der Suche nach vertrauenswürdigen digitalen Formaten unterstützen.
  • „Außerschulische politische Bildungsangebote sowie weitere Beteiligungsmöglichkeiten (sollten) gestärkt werden, da der Bedarf an interaktiven und vertrauenswürdigen Informations- und Lernorten zu Politik und Demokratie auch über die Schulzeit hinaus groß ist”. Das kann bedeuten: Die Rolle der Jugendsozialarbeit in der politischen Bildung stärken.

Die Autor*innen Christoph Döbele, Jan Niklas Engels, Roberto Heinrich, Nicole Loew, Catrina Schläger, Anja Miriam Simon und Anne-Kathrin Vitt haben Daten von infratest dimap und Kantar Public ausgewertet. Die Studie ist kostenlos als PDF verfügbar unter: https://library.fes.de/pdf-files/a-p-b/20355.pdf

Quelle: Friedrich Ebert Stiftung

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