Von Menschen, die Döner ermorden – und wie sich diese Bilder in unseren Köpfen verfestigen

Auszüge aus der Studie Stereotype Berichterstattung über ethnische Gruppen in deutschen Tageszeitungen von Elisabeth Addicks, Alina Beck, Anja Reith, Alina Sauer, Christian Schaft und Christiane Scharf:

Intentionalität und Nicht-Intentionalität bei der Verwendung von Stereotypen
Viele der qualitativ erhobenen Stereotype waren in einer Weise formuliert, die den Schluss nahe legten, sie seien mit Absicht und bewusst in den Artikeln verwendet worden. Allerdings kann aufgrund der Interviews konstatiert werden, dass bei den Journalisten die Sensibilität für die Stereotypen-Problematik einigermaßen ausgeprägt war. Journalisten setzen Stereotype sowohl bewusst als auch unbewusst ein. …

Die Interviews ließen erkennen, dass die Befragten ein unterschiedliches Verständnis von Stereotypen hatten. Dies verdeutlichte der Test der erhobenen Stereotype bei den befragten Journalisten. Die „afrikanische Bananenrepublik“ wurde negativ bewertet und als ein unpassendes „Spiel mit Klischees“ gekennzeichnet. Der Begriff wurde abgelehnt, da er ein Kollektiv stigmatisiert. Generell wollten die Befragten – nach ihren eigenen Aussagen – das Risiko nicht eingehen, durch ihre Berichte ein falsches, verzerrtes und möglicherweise diskriminierendes Bild an die Leser weiterzugeben.

Dass dies aber auch mit dem „heißblütigen Italiener“ der Fall sein könnte, war nicht einmal der Hälfte der Befragten bewusst. … Der „heißblütige Italiener“ wurde eher als eine klassische und selbstverständliche Floskel wahrgenommen, die nicht weiter zu hinterfragen war und zur Auflockerung von Pressetexten durchaus Verwendung finden konnte. …

Eine reine Intentionalität konnte ausgeschlossen werden, weil zumindest kritische Formulierungen reflektiert wurden. Der Grad der Akzeptanz war jedoch sehr verschieden. … Owohl alle Befragten äußerten, ethnische Gruppen „normal“ in die tägliche Berichterstattung einzubinden, wurde dadurch erst das Fremdsein betont. Zwar wollte man bewusst keine „besondere Ecken für Ausländer“ in der Zeitung einrichten, dennoch wurden ethnische Gruppen zu einem besonderen Thema gemacht. Hierbei spielte der Nachrichtenwert eine Rolle. Tendenziell wurde überwiegend ereignisorientiert über Angehörige ethnischer Gruppen berichtet. …

Schwierig ist die Unterscheidung von bloßer Faktennennung und Stereotypisierung. Zweifelsohne ist Barack Obama der US-amerikanische Präsident und Evert de Beijer ein niederländischer Trickfilmkünstler. Doch ist auch der Ex-Präsident Nicolas Sarkozy ein verhältnismäßig kleiner Mann und manch spanischer Flamencotänzer heißblütig. Um hier die Balance zu finden und eine neutrale Berichterstattung zu gewährleisten, wären grundlegende und eindeutige Vorgaben hilfreich.

Fazit
… Journalisten benutzten Stereotype in Abhängigkeit ihres individuellen Erfahrungshintergrundes zum Teil bewusst, sind sich in vielen Fällen aber auch nicht im Klaren, wann ein Stereotyp als Basis für Vorurteile dient und ein bestimmtes Bild einer ethnischen Gruppe in den Köpfen der Leser verankert. Somit fehlt ihnen zum Teil die notwendige Sensibilität für die Reflexion eigener Sprach- und Denkmuster. Der durch die Inhaltsanalyse erhobene Stereotypenkatalog für die vier untersuchten Tageszeitungen spricht dabei noch einmal ein deutliches Bild. Stereotype Vorstellungen über spezifische ethnische Gruppen in der Gesellschaft der Bundesrepublik herrschen ganz eindeutig immer noch vor und werden in einigen Fällen immer wieder aufgegriffen. Wer einer ethnischen Gruppe angehört, bleibt oft ein Fremder durch klare und abgrenzende Zuschreibung. Das dabei alte Stereotype durch neue Formulierungen wie die der „mediterranen Laxheit“ den „faulen Südländer“ ersetzten oder Muslime weiter in erster Linie in Verbindung mit Terrorismus und konservativen Glaubensvorstellungen gebracht werden, sind nur einige Beispiele. …

Auf Grundlage der Studie wurde in fünf Punkten ein Leitfaden zum Umgang mit Stereotypen entwickelt, der nicht nur Journalisten, sondern auch Lesern Anregungen geben soll, wie im Idealfall mit der journalistischen Berichterstattung im Zusammenhang mit ethnischen Gruppen verfahren

*Bewusste Wahrnehmung
Als erstes ist wichtig zu beachten, dass ein Stereotyp das Ergebnis eines natürlichen Prozesses ist und daher menschlich. Zur Komplexitätsreduktion ist es notwendig, Wahrgenommenes in Kategorien einzuordnen. Daher dürfen Stereotypen an sich nicht als etwas Negatives gesehen werden. Vielmehr sollte sich jeder Einzelne seiner eigenen stereotypen Denkmuster bewusst sein.

* Reflexion und Weiterdenken
In einem zweiten Schritt ist es notwendig, dass man über diese kognitiven Stereotype nachdenkt: Woher habe ich dieses Stereotyp, worin liegt es begründet? … Es reicht nicht aus, jemanden beispielsweise als „Pleite-Griechen“ wahrzunehmen und die ihm daher zugeschriebenen Merkmale einfach unreflektiert zuzuschreiben, sondern sich stets selbst zu hinterfragen, was diesen Menschen als Individuum auszeichnet.

* Vorbereitung des Schreibens
Bei der Begegnung mit einer ethnischen Gruppe sollte man sich stets dessen bewusst sein,dass es sich dabei um ein sensibles Thema handelt …

* Reflexion als Aufgabe für alle
Ein kritischer Umgang mit Beschreibungen von ethnischen Gruppen ist nicht allein Aufgabe des einzelnen Journalisten. Es sind auch die Leser, die an dieser Diskussion teilnehmen müssen. …“

Die Studie in vollem Textumfang lesen Sie bitte über aufgeführten Link.

http://library.fes.de/
http://library.fes.de/pdf-files/bueros/erfurt/09509.pdf

Quelle: Friedrich Ebert Stiftung

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