Das Wohlstandsgefälle in Deutschland wird immer wieder kontrovers diskutiert: Mehr finanzielle Umverteilung, fordern die einen, während andere betonen, dass Ungleichheit auch ein Ansporn sein kann, sich anzustrengen. Fast alle Argumentationen kommen zu dem Schluss: mehr Bildung führe zu mehr wirtschaftlichem Erfolg.
Das Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit legt den Fokus auf einen anderen Aspekt von Ungleichheit. In einer mehrjährigen Studie mit 700 Kindern und ihren Müttern weisen die Forscher nach, die Persönlichkeit und sozialen Fähigkeiten von einem Menschen beeinflussen das Armutsrisiko. Die sozialen Fähigkeiten von Menschen seien entscheidend für den beruflichen Erfolg und damit auch für den Lebensstandard, betonen die Bonner Wissenschaftler.
Anhand von Fragebögen, Interviews und Verhaltensexperimenten konnten die Wissenschaftler das prosoziale Verhalten von Kindern und deren Eltern erstmals ganzheitlich messen. Die Auswertung ergab, dass Grundschulkinder aus Familien mit höherem Einkommen und Bildungsstand im Schnitt deutlich prosozialer agieren als sozial benachteiligte Gleichaltrige.
Aber wie lässt sich die Situation für benachteiligte Kinder verbessern?
Eine Gruppe von zufällig ausgewählten Kindern mit niedrigem sozioökonomischem Status nahm ein Jahr lang an dem Mentorenprojekt “Balu und Du” teil. Jedes teilnehmende Kind erhielt einmal pro Woche Besuch von einem freiwilligen Mentor, der mit den Kindern verschiedene interaktive Aktivitäten unternahm – von Gesprächen über gemeinsames Lesen, Sport und Kochen bis hin zum Zoobesuch. Ziel des Programms war nicht die Verbesserung der schulischen Leistungen, sondern die Entwicklung und Stärkung der Persönlichkeit.
Nach einem Jahr zeigte sich, dass die am Mentorenprogramm teilnehmenden Kinder wesentlich prosozialer agierten und zu ihren Altersgenossen mit höherem sozioökonomischem Status aufgeschlossen hatten. Dieser Effekt blieb auch zwei Jahre nach Ende des Mentorenprogramms nachweisbar. Die Autoren der Studie folgern daraus, dass das Programm geeignet ist, einen fehlenden “prosozialen Stimulus” aus dem Elternhaus auszugleichen.
Auch wenn die Vererbung von Persönlichkeitsmerkmalen eine gewisse Rolle spielt, lasse sich die soziale Kluft durch Interventionen, die das soziale Umfeld von benachteiligten Kindern bereichern, deutlich verringern, sind sich die Forscher sicher.
„Wer mit anderen kooperieren und ihnen vertrauen kann, erzielt tendenziell mehr Einkommen“, so der Studienleiter Armin Falk. Sensibilität für die Erwartungen anderer, Mitgefühl und kommunikative Fertigkeiten sind hilfreich, um mit Kollegen klarzukommen, eine Lehre trotz Frustrationen abzuschließen oder auch bei beruflichen Durststrecken nicht aufzugeben. Durch diese Kompetenzen baut jemand leichter Kontakte zu Menschen auf, die in Krisenfällen beraten und unterstützen, so dass man nicht direkt ‚aus der Bahn fliegt‘.“
Die Studie steht als Diskussionspapier des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in englischer Sprache über den aufgeführten Link zur Verfügung.
Link: Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit
Quelle: Institut zur Zukunft der Arbeit; epd