Nach wie vor gehen viele junge Menschen bei ihrer Suche nach einem Ausbildungsplatz leer aus – und das obwohl zahlreiche Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Der Berufsbildungsbericht 2024 zeigt auf: 2,86 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren verfügen über keinen Berufsabschluss. Statistische Erhebungen zeigen, dass bestimmten Personengruppen oftmals die Zugänge zu Ausbildung und Beruf verwehrt bleiben. Betroffen sind, wie Professorin Dr. Ruth Enggruber in einem Video betont, insbesondere Menschen ohne oder mit niedrigem Schulabschluss, mit Behinderung, mit Flucht- oder Integrationsgeschichte, junge Alleinerziehende und junge Menschen aus armutsbetroffenen Familien. Daneben gibt es spezifische regionale Unterschiede hinsichtlich des Ausbildungsangebotes.
Diesen Exklusionsmechanismen muss dringend entgegengewirkt werden. Mit dem Projekt „Ausbildung garantiert!?“ leistet IN VIA Deutschland einen Beitrag zur Inklusion in der beruflichen Bildung. Das Projekt im Netzwerk der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. erarbeitete von Juli 2022 bis zum Juni 2024 Gelingensbedingungen für eine inklusive Berufsausbildung. Zentrale Erkenntnisse dokumentiert eine Videoreihe.
Das aus Mitteln des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend finanzierte Projekt macht deutlich, dass eine inklusive berufliche Bildung einen Haltungswechsel voraussetzt: Das (Berufs-) Bildungssystem ist an die Bedarfe der Lernenden anzupassen und nicht umgekehrt, verdeutlicht die BAG KJS auch in ihrer Erklärung „Teilhabe und Ausbildung für alle jungen Menschen“. Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit zu gewährleisten, dazu hat sich Deutschland auch mit der Ratifizierung der UN-Behindertenkonvention im Jahr 2009 verpflichtet.
Das sogenannte Übergangssystem ist unübersichtlich und für junge Menschen kaum noch zu durchschauen
Gegenwärtig gibt es für junge Menschen am Übergang von der Schule in den Beruf zahlreiche Unterstützungsangebote. Allerdings ist in dem Projekt „Ausbildung garantiert!?“ erneut deutlich geworden, dass das sogenannte Übergangssystem unübersichtlich und kaum noch zu durchblicken ist. Damit sich junge Menschen, die sich an diesem Übergang befinden, orientieren können, muss der Übergangsbereich transparenter gestaltet werden. Es braucht zudem weniger standardisierte Förderung als individuell ausgerichtete Angebote.
Gelingensbedingungen für eine inklusiv ausgerichtete Berufsbildung identifiziert
Doch wie sehen inklusive Angebote in der Praxis aus? Zur Beantwortung dieser Frage wurden im Projekt erfolgreiche Praxisansätze der Jugendberufshilfe analysiert und Gelingensbedingungen identifiziert, die auch auf der Plattform überaus bekannt gemacht werden konnten. Beispiele, wie „Brücke zum Beruf“ der Brücke Oberland e.V., können wichtige Impulse geben. Diese Arbeit zeichnet sich dadurch aus, die persönliche Situation und Lebensplanung der jungen Menschen in den Fokus zu stellen und zunächst eine tragfähige Beziehung zu ihnen aufzubauen.
Die Ausbildungsgarantie in ihrer jetzigen Form reicht nicht aus
Welche Unterstützung junge Menschen benötigen, hängt maßgeblich von ihrer Lebenssituation ab. Entsprechend müssen Angebote am Übergang Schule – Beruf inhaltlich und zeitlich möglichst flexibel ausgestaltet sein. In der Praxis wird die Umsetzung inklusiver (Ausbildungs-)Angebote in der Jugendsozialarbeit oftmals dadurch erschwert, dass nicht genügend zeitliche und finanzielle Ressourcen bereitgestellt werden. Die Chance, mit der im Juli 2023 mit dem Aus- und Weiterbildungsgesetz beschlossenen sogenannte Ausbildungsgarantie die Situation für junge Menschen am Übergang maßgeblich zu verbessern, wurde nicht ausreichend genutzt. Die rechtlichen Änderungen reichen nicht aus, um tatsächlich allen jungen Menschen den Zugang in Ausbildung und somit den Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen. Außerdem ist festzustellen, dass die mit der Ausbildungsgarantie einhergehenden Maßnahmen zwar sinnvoll, aber nicht neu sind. Berufsorientierungspraktika, eine flexibilisierte Einstiegsqualifizierung, zusätzliche außerbetriebliche Ausbildungsplätze sowie Mobilitätszuschüsse im ersten Ausbildungsjahr greifen zudem erst nach Beendigung der Schulzeit. Aber gerade der Übergang Schule – Beruf ist für viele junge Menschen risikobehaftet. Um sicherzustellen, dass allen jungen Menschen dieser gelingt, braucht es ein sogenanntes Übergangscoaching, das bereits in der Schule beginnt. Die hier tätigen sozialpädagogischen Fachkräfte begleiten junge Menschen je nach Bedarf auf ihrem Weg in die Ausbildung und über den gesamten Ausbildungsverlauf. Maßgeblich für ihre Arbeit ist, dass die jungen Menschen die Entscheidungen zu ihrem Berufsfindungs- und Eingliederungsprozess selbst treffen – mit Unterstützung der Sozialpädagog*innen. Hier ist die Politik gefordert, die Elemente der Ausbildungsgarantie zu schärfen und durch ein auf Beziehung angelegtes sozialpädagogisches Übergangscoaching zu ergänzen.
Quelle: IN VIA Deutschland; BAG KJS