Schulabsentismus begegnen und jungen Menschen Perspektiven bieten

Die Fachtagung „Herausforderung Schulabsentismus – Erkenntnisse aus Handlungsansätzen der Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit“ war gleichzeitig Auftakt des Projektes „Schule ohne mich!? Neue Entwicklungen und Handlungsanforderungen bei Schulabsentismus“ von IN VIA Deutschland im Netzwerk der BAG Katholische Jugendsozialarbeit. Wertvolle Impulse zum Umgang mit Schulabsentismus lieferten alle Mitwirkenden.   

Prof. Dr. Thorsten Bührmann von der MSH Medical School Hamburg betonte, wie wichtig es ist, junge Menschen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung und Resilienz zu stärken. Er unterstrich die Notwendigkeit, sie durch eine individuelle sozialpädagogische Begleitung zu aktiven Mitgestaltenden ihres Lebens zu befähigen – auch durch Medienkompetenz. Er stellte mehrere hilfreiche digitale Instrumente vor, die jungen Menschen mit Schulabsentismus-Erfahrungen bei der beruflichen Orientierung helfen. Auf kreative, spielerische Weise könnten hiermit Motivation gefördert sowie gemeinsam Perspektiven entwickelt werden. Prof. Bührmann empfahl beispielsweise das neue Portal des Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) „zynd – und wofür brennst du?“. Zudem regte er an, die verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten und -wünsche junger Menschen ernst zu nehmen. So könnten Praktikumsberichte etwa über Kurzvideos und die eigenständige Nutzung der Plattform TaskCard umgesetzt werden. Auch die Einbindung von Eltern, Sorgeberechtigten und weiteren engen Bezugspersonen bei der beruflichen Orientierung junger Menschen sei hilfreich. Hierzu liefert das im Frühjahr 2025 abgeschlossene Forschungsprojekt BO4P in Baden-Württemberg hilfreiche Erkenntnisse und Tools. 

In Praxisforen diskutierten die Teilnehmer*innen Ansätze aus der Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit. Es wurde deutlich, dass für den erfolgreichen Umgang mit Schulabsentismus unter anderem folgende Aspekte entscheidend sind: 

  • Junge Menschen wollen gesehen und gehört werden. Sie möchten Wertschätzung und Selbstwirksamkeit erfahren. 
  • Der Aufbau guter Beziehungen zwischen Fachkräften und jungen Menschen ist das A und O. Junge Menschen brauchen feste Ansprechpartner*innen, denen sie vertrauen und mit denen sie klare Absprachen treffen können.  
  • Es braucht standardisierte Abläufe an allen Schulen, die verbindlich und multiprofessionell umgesetzt werden. Schulabsentismus kann nur in einem funktionierenden Netzwerk begegnet werden. 
  • Es ist wichtig, Kindern und Jugendlichen Perspektiven zu bieten, z.B. durch lebensweltnahe, frühzeitige, berufliche Orientierung. 

Deutlich wurde auch, dass Schulabsentismus ein dauerhaft relevantes Thema bleibt, das auf das Engagement einzelner Fachkräfte angewiesen ist. Um dem wirksam zu begegnen, braucht es kontinuierlich Räume für kollegialen Austausch. Nur so lassen sich Praxiserfahrungen und bewährte Handlungsansätze teilen – und der Gefahr der Überlastung entgegenwirken.  

Untersuchungen belegen, dass es für Kinder und Jugendliche förderlich ist, wenn die Schule ein Ort ist, an dem sie auf ein vielfältiges Netzwerk von Ansprechpersonen mit verschiedenen Zuständigkeiten zurückgreifen können (vgl. u.a. Sälzer 2023; Sälzer/Lenski 2016). Der schulbezogenen Jugendsozialarbeit sowie der Schulsozialarbeit (gemäß §§ 13 und 13a SGB VIII) kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Als Teil eines multiprofessionellen Teams sind die Fachkräfte dieser Profession gerade durch ihre Unabhängigkeit und Jugendhilfeorientierung wertvolle Ansprechpersonen für junge Menschen, die sich in herausfordernden Lebenssituationen befinden und Unterstützung suchen. 

Zusammenhang sozialer Herkunft und Bildungskompetenzen 

Eine kürzlich veröffentlichte DIW-Studie verdeutlicht aus wissenschaftlicher Perspektive einmal mehr, wie stark Bildungsverläufe von Schüler*innen durch ihre soziale Herkunft beeinflusst werden können. In der Untersuchung sind insbesondere Leistungsunterschiede gemessen worden. In Deutschland zeigt sich eine erhebliche Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status der Familien – deutlich stärker als beispielsweise in Frankreich, dem Vereinigten Königreich oder Japan. Frühe Kompetenzunterschiede wirken sich dabei nicht nur auf die schulische Laufbahn aus, sondern können langfristig auch den weiteren Bildungsweg, berufliche Chancen und die Lebensgestaltung maßgeblich beeinträchtigen. 

Die Beeinträchtigung von Bildungschancen kann auch Ursache für schulabsentes Verhalten darstellen, das derzeit sowohl im schulischen Alltag als auch in der wissenschaftlichen Diskussion verstärkt als ernstzunehmendes Problem wahrgenommen wird. Schulabsentismus ist ein vielschichtiges Phänomen mit vielfältigen Ursachen und Erscheinungsformen. Unabhängig von der individuellen Ausprägung steht jedoch fest, dass sowohl schulvermeidendes Verhalten als auch Schulabbrüche gravierende Folgen für die beruflichen Perspektiven und die gesamte Lebensgestaltung junger Menschen haben können.  

Bundesweit gibt es bereits verschiedenste erfolgreiche Konzepte und Beispiele aus der (schulbezogenen) Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit, um diesem Phänomen zu begegnen. Dies wurde während der digitalen Fachtagung deutlich, an der fast 300 Interessierte teilnahmen. Veranstaltet wurde sie von IN VIA Deutschland e.V. im Netzwerk der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA).  

Über das Projekt 

Das neue Projekt „Schule – ohne mich!? Neue Entwicklungen und Handlungsanforderungen bei Schulabsentismus“ zielt u.a. darauf ab, aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zum Umgang mit Schulabsentismus zu bündeln und auf Grundlage von Recherchen, Abfragen und Workshops einen Leitfaden als Arbeitshilfe für die Praxis der Jugendsozialarbeit zu erstellen. Interessierte sind eingeladen, sich mit ihrer Expertise an diesem Projekt zu beteiligen und dem Projektverteiler beizutreten: https://eveeno.com/aufruf-beteiligung. Eine spannende digitale Workshop-Reihe ist bereits in Planung.  

Auf der Projekt-Homepage steht eine ausführliche Dokumentation der Fachtagung mit Projektauftakt zum Download zur Verfügung. Zudem ist die Dokumentation auch über die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) e.V. veröffentlicht. 

 

Autorin: Stephanie Warkentin (Projektverantwortliche – „Schule – ohne mich!? Neue Entwicklungen und Handlungsanforderungen bei Schulabsentismus“ von IN VIA Deutschland im Rahmen der BAG KJS)

 

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