Sanktionsfreie Mindestsicherung etablieren

Auszüge aus dem Antrag ‚Die Gewährleistung des Existenz- und Teilhabeminimums verbessern – Keine Rechtsvereinfachung auf Kosten der Betroffenen‘ der Bundestagsfraktion Die Linke:

Der Deutsche Bundestag soll feststellen:
„(…) Bereits im Status quo ist Hartz IV ein Sonderrechtssystem mit geringeren Verfahrensrechten für die Betroffenen gegenüber dem allgemeinen Verwaltungs- und Sozialrecht. So werden beispielweise bei Hartz IV rechtswidrige Bescheide lediglich ein Jahr rückwirkend korrigiert, während im allgemeinen Sozialverwaltungsrecht die Frist vier Jahre beträgt (vgl. § 40 Abs. 1 SGB II). Statt das Sonderrechtssystem zu korrigieren, wird es durch die weitere Begrenzung des Anspruchs auf rückwirkende Korrekturen weiter ausgebaut. Es ist weder sozial-, noch rechtspolitisch zu rechtfertigen, dass ein rechtswidriger, nicht begünstigender Bescheid bei einem entsprechenden Urteil nicht korrigiert werden soll. In der Konsequenz werden beispielweise Leistungsberechtigte, deren Kosten der Unterkunft und Heizung systematisch zu gering veranschlagt wurden, Schwierigkeiten haben die vorenthaltenen Leistungen erstattet zu bekommen. Entscheidungen des Bundessozialgerichts zu Gunsten von Leistungsberechtigten werden teilweise durch das Gesetz zurück genommen.

Ein Grundrecht darf man nicht kürzen. Das Existenz- und Teilhabeminimum darf daher auch nicht sanktioniert werden. Schritte in diese Richtung wären zu begrüßen. Der Bundestag soll nachdrücklich kritisieren, dass aufgrund des Widerstands der CSU aus Bayern die Vorschläge des Abschlussberichts der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Abmilderung des Sanktionsrechts nicht übernommen wurden. Es ist nicht akzeptabel, dass die Gesetzesinitiative nicht die Abschaffung des Sanktionssonderrechts für junge Leistungsberechtigte und den Ausschluss der Kürzung von Kosten der Unterkunft und Heizung beinhaltet. Solange die Kosten der Unterkunft Gegenstand von Sanktionen sein können, können Sanktionen in die Obdachlosigkeit führen. (…)

Zentrale bürokratische Probleme im SGB II – etwa das bürokratische Monstrum Bildungs- und Teilhabepaket oder die Probleme der sogenannten horizontalen Einkommensanrechnung – sind gar nicht erst in den Blick genommen worden. Selbst mit Blick auf das zentrale Motiv der Gesetzesinitiative – Verwaltungsvereinfachung – ist das Ergebnis äußerst unbefriedigend. Eine nennenswerte Entlastung der Bürokratie für Träger und Betroffenen erfolgt durch die Gesetzesinitiative nicht. (…) „

Der Deutsche Bundestag soll die Bundesregierung auffordern, eine Gesetzesinitiative vorzubereiten, mit der das Hartz-IV-System abgeschafft und durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung ersetzt wird. Zentrale Aufgabenstellung der Initiative ist die Gewährleistung des grundrechtlichen Anspruchs auf ein menschenwürdiges Existenz- und Teilhabeminimum in möglichst unbürokratischer Art und Weise. An der Erarbeitung weiterer konkreter Vorschläge sind neben den Trägern und Verantwortlichen Vertreterinnen und Vertreter der betroffenen Menschen ebenso zu beteiligen wie Sozialverbände und Gewerkschaften. Der Umbau der Grundsicherung beinhaltet jenseits der Ausgestaltung als Armut verhindernde und die Existenz und Teilhabe sichernde Sozialleistung mindestens folgende Aspekte: ## „Die Möglichkeit von Sanktionen ist sofort abzuschaffen und grundsätzlich auszuschließen.
##Ersatzansprüche bei „sozialwidrigem Verhalten“ werden abgeschafft.
##Die Bedarfsgemeinschaftskonstruktion im SGB II wird abgeschafft. Es erfolgt eine Orientierung an dem Individualprinzip, d. h. jeder bedürftige Mensch hat einen eigenen Anspruch unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung nach dem BGB. (…)
##Sonstige Sonderregeln für unter-25-Jährige – etwa der Vorbehalt einer Genehmigung von Wohnungsumzügen durch die Jobcenter – werden abgeschafft. (…)
##Die Systeme der Ausbildungsförderung sind systematisch so auszugestalten, dass ein ergänzender SGB-II-Anspruch nicht notwendig ist. Sofern und solange allerdings die vorrangig zuständigen Systeme der Ausbildungsförderung nicht in hinreichendem Maße bedarfsdeckend organisiert sind, darf es keinen generellen Leistungsausschluss dieser Gruppe geben.
##Das Sonderverwaltungsrecht im SGB II wird abgeschafft. Sondersysteme mit abgesenkten Schutzniveaus und Verfahrensrechten für bestimmte Gruppen widersprechen den Grundsätzen eines sozialen Rechtsstaates. Auch für Hartz-IV-Leistungsberechtige hat das allgemeine Sozialverwaltungs- und -verfahrensrecht zu gelten. (…)
##Das Bildungs- und Teilhabepaket wird grundlegend neu organisiert. Regelmäßig anfallende Bedarfe werden in die allgemeinen Regelbedarfe der Kinder und Jugendlichen einbezogen. Die Absicherung aller Kinder und Jugendlichen ist zu einer Kindergrundsicherung weiterzuentwickeln und durch ein Infrastrukturprogramm für soziale Hilfe- und Betreuungsleistungen zu ergänzen. Unregelmäßig anfallende Bedarfe wie Schulausflüge oder Klassenfahrten sind, soweit dies nicht bereits heute Praxis ist (Schulbedarfe), als Mehrbedarfe und Geldleistung auszuzahlen. Dienst- und Sachleistungen wie etwa Schulverpflegung und Schülerbeförderung sind allen Schülerinnen und Schülern durch die jeweils zuständigen Instanzen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Lernförderung der Schülerinnen und Schüler ist als originäre Aufgabe der Schulen gesetzlich zu verankern. (…)“
Den Antrag in vollem Textumfang entnehmen Sie dem Anhang.

Quelle: Bundestagsfraktion Die Linke

Dokumente: 1808076_Antrag_Gewaehrleistung_des_Existenz-_und_Teilhabeminimums.pdf

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