Rückenwind für die Schulsozialarbeit?! Nicht nur in Krisenzeiten unverzichtbar

In der vergangenen Woche hat die Politik einige bedeutsame Entscheidungen getroffen: Der Bundesrat hat seine Zustimmung zu der seit Langem verhandelten Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII) gegeben. Das Bundeskabinett hat ein umfangreiches Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ für Kinder und Jugendliche sowie den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulalter beschlossen. Auf den letzten Metern ist bei den ersten beiden Entscheidungen auch die Schulsozialarbeit in den Blick geraten. Langjährige Forderungen der katholischen Jugendsozialarbeit nach einer bundesgesetzlichen Verankerung und Ausweitung des Handlungsfeldes scheinen gehört worden zu sein. Alles in Ordnung also? Nicht ganz. Jetzt kommt es darauf an, was Bund, Länder und Kommunen gemeinsam daraus machen.

Im Folgenden kommentiert Julia Schad-Heim, Referentin für Bildung und Jugendsozialarbeit bei IN VIA Deutschland und im Netzwerk der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. die Auswirkungen dieser Entscheidungen auf das Handlungsfeld der Schulsozialarbeit.

Schulsozialarbeit als Angebot der Kinder- und Jugendhilfe stärken

Bei der Schulsozialarbeit handelt es sich um eine kontinuierliche, professionelle Tätigkeit sozialpädagogischer Fachkräfte an Schulen. Ziel ist es, junge Menschen dort individuell und über Gruppenangebote zu begleiten und so in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern. Schulsozialarbeiter*innen beugen Bildungsbenachteiligungen vor, helfen in Konfliktfällen und sind ansprechbar für ratsuchende Eltern und Lehrkräfte sowie weitere an Schulen tätige Personen. Zudem gestalten sie das Zusammenleben in der Schule mit.

Bereits seit 2019 bringt die BAG KJS die Forderung ein, Schulsozialarbeit als Angebot der Jugendhilfe zu stärken und konkret gesetzlich als neuen §13a SGB VIII zu verankern. Damit einher soll auch ein systematischer Ausbau des Angebotes für alle Schulen gehen, damit alle jungen Menschen hiervon profitieren können. Dies bekräftigte die BAG KJS auch in ihrer Stellungnahme zur Reform des SGB VIII/zum Kinder- und Jugendstärkungsgesetz im Oktober 2020. Die jetzige gesetzliche Verankerung unterstreicht auch die inklusive Wirkung des Angebots an Schulen. Zudem sollte der diffusen Regelungs-, Auftrags- und Finanzierungsvielfalt für die Schulsozialarbeit in den Bundesländern entgegengewirkt werden. Dieser Regelungsbedarf ist auch über den Deutschen Caritasverband und in der Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (BAG FW) zur Reform verdeutlicht worden.

Was bewirkt der Reformprozess des SGB VIII für die Schulsozialarbeit?

Die katholische Jugendsozialarbeit begrüßt, dass es mit der Zustimmung des Bundesrats zur SGB VIII Reform am 7. Mai 2021 nun tatsächlich zu einer Verankerung von Schulsozialarbeit in einem neuen §13a SGB VIII kommt. Die Formulierung des Gesetzestextes entspricht allerdings dem Wortlaut, den der Bundesrat bereits Anfang des Jahres für einen neuen §14a Schulsozialarbeit vorgeschlagen hatte. Diese birgt einige Schwierigkeiten, auf die die BAG KJS frühzeitig mit eigenen Formulierungsvorschlägen reagiert hat.

  • Die Verortung in §13a stärkt die Auffassung, dass die Aufträge und Expertise der Jugendhilfe sowie der Jugendsozialarbeit im Schulsystem richtig und wichtig sind – das hat die Corona-Krise sicher noch einmal verdeutlicht. Eine eigenständige Fachlichkeit der Schulsozialarbeit wird nun unterstrichen.
  • Es muss jetzt sichergestellt werden, dass es nicht zu Verlagerungen und ggf. Verdrängung der bestehenden Aufgaben der Jugendsozialarbeit gemäß §13 kommt. Sowohl die Jugendsozialarbeit als auch die Schulsozialarbeit müssen auf der kommunalen Ebene gleichermaßen verbindlich, etwa im Rahmen der Jugendhilfeplanung ausgestaltet werden.
  • Die Formulierung des neuen Gesetzestextes für den §13a bekräftigt, dass Inhalt und Umfang der Aufgaben der Schulsozialarbeit über Landesrecht zu regeln sind. Der zusätzliche Passus „Dabei kann…auch bestimmt werden, dass Aufgaben der Schulsozialarbeit durch andere Stellen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht werden“ ist jedoch problematisch. Er verwässert die Verortung im Jugendhilfegesetz und wirft Fragen nach dem Mehrwert des §13a auf. Zudem wird hiermit weiterhin die Beliebigkeit in der praktischen Ausgestaltung unterstützt.
  • Die Ausgestaltung des Angebots durch die Länder muss unbedingt sicherstellen, dass es sich bei der Schulsozialarbeit um ein von Ratsuchenden freiwillig und vertraulich in Anspruch zu nehmendes Angebot handelt. Schulsozialarbeit ist kein Erfüllungsgehilfe für die Ziele und Aufträge, die das Schulsystem innehat.
  • Politische Entscheidungsträger*innen müssen weiterhin auf einen flächendeckenden, systematischen Ausbau, die qualitative Weiterentwicklung und Schärfung des Profils sowie die nachhaltige Absicherung von Schulsozialarbeit hinwirken.
  • Mit der Gesetzesänderung ist nicht der dringend erforderliche Finanzierungsmodus geklärt worden. Die BAG KJS spricht sich weiterhin dafür aus, dass Möglichkeiten der gemeinsamen Finanzierung sowohl aus dem Jugendhilfeetat als auch, je nach Bundesland, aus dem Schuletat auszuloten sind (z.B. durch eine Aufteilung der Finanzierungsverantwortung über korrespondierende Regelungen in den Schulgesetzen).

Was bedeutet das Corona-Aufholpaket für die Schulsozialarbeit?

Mehr oder weniger zufällig, sind auch im kürzlich beschlossenen Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona“ für Kinder und Jugendliche Mittel für die Schulsozialarbeit vorgesehen. Das Programm ist jedoch auf zwei Jahre begrenzt. Bund und Länder müssen in der anstehenden Vereinbarung nun konkret sicherstellen, dass die Mittel schnell, zielführend und zweckgebunden bei den Akteur*innen ankommen.

Zu begrüßen ist durchaus, dass in dem Aktionsprogramm auch eine Vielzahl an Maßnahmen zur Freizeitgestaltung, für Gruppenangebote, bei der Engagementförderung und die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen im Blick sind. Kritisch ist dennoch der überproportional hohe Schwerpunkt auf Lernförderung, die damit einher gehende defizitorientierte Ausrichtung des Programms, in dem vor allem auf das „Aufholen von Rückständen“ junger Menschen abgestellt wird. Dies könne u.a. auch über „Mentorenprogramme“ denkbar sein. Dringend notwendig bleiben Perspektiven für die konzeptionelle und inklusive Weiterentwicklung des Bildungssystems selbst.

Auch die Vielfalt der Angebote sowie die Bedarfe der Zielgruppen der Jugendsozialarbeit sind in dem Aktionsprogramm nicht ausreichend berücksichtigt worden. Eine Teilnahme an Sommercamps ist nicht für alle jungen Menschen eine realistische Option. Notwendig sind jetzt aufsuchende Jugendsozialarbeit, der Blick auf die dramatischen Schwierigkeiten für junge Menschen am Übergang von der Schule in Ausbildung und Beruf sowie unbeschwerte Ferienzeiten.

Schulsozialarbeiter*innen begleiten und beraten junge Menschen im Schulkontext und verfolgen dabei eigene jugendhilfespezifische Aufträge. Die Stärkung und Aufstockung bestehender Strukturen der Schulsozialarbeit über das Aktionsprogramm sind wünschenswert. Hierfür bedarf es jedoch auch langfristiger Finanzierungslösungen. Für Lernstandserhebungen oder Unterrichtsersatz stehen Schulsozialarbeiter*innen nicht zur Verfügung. Förderbedarf besteht zudem für die digitale Weiterentwicklung der Angebote der Schulsozialarbeit. Das Handlungsfeld ist im DigitalPakt Schule nicht mitgedacht worden.

Quelle: BAG KJS

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