Der Sachverständigenrat für Migration und Integration (SVR) hat in seinem Jahresgutachten 2025 „Reformen, die wirken? Die Umsetzung von aktuellen Migrations- und Integrationsgesetzen“ strukturelle und systemimmanente Probleme des föderalen Systems bei der Umsetzung von Gesetzen hervorgehoben. Erwähnt werden etwa die Etablierung von Parallelstrukturen und unklare Zuständigkeiten. Diese, aber auch Fortschritte für zugewanderte Menschen, lassen sich mit Blick auf die bundesweit tätigen127 Jugendmigrationsdienste (JMD) in katholischer Trägerschaft folgendermaßen einordnen:
Ein genauerer Blick auf die Altersstruktur der begleiteten Jugendlichen zeigt, dass der größte Anteil in der Altersgruppe zwischen 18 und 26 Jahren liegt. Die Jugendmigrationsdienste sind insbesondere in der Übergangsphase von Schule zu Ausbildung oder Beruf gefragt. Die jungen Menschen stehen häufig vor der Herausforderung, sich in einem neuen Bildungssystem zurechtfinden, berufliche Perspektiven entwickeln und erste Schritte in die Arbeitswelt gehen zu müssen. Hinsichtlich der Aufenthaltsdauer zeigt sich, dass ein erheblicher Teil der jungen Menschen erst seit relativ kurzer Zeit in Deutschland lebt. Knapp die Hälfte ist innerhalb der letzten zwei Jahre zugezogen. Dieser Umstand macht deutlich, dass der Fokus der JMD-Arbeit stark auf der Erstintegration liegt. Dazu zählen unter anderem Hilfe bei Behördengängen, Sprachförderung, Schul- und Ausbildungsplatzsuche sowie psychosoziale Unterstützung.
Während in Deutschland gezielt um Fachkräfte im Pflege- oder etwa Wissenschaftssektor geworben wird, wird die allgemeine Zuwanderung jedoch oftmals als unkontrollierbar oder problematisch dargestellt. Die JMD-Berater*innen stellen hingegen häufig fest, dass viele Geflüchtete großes Potenzial und Fachkompetenzen haben, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt gesucht werden. Die fehlende Anerkennung von Abschlüssen, Sprachbarrieren und mangelnde Bildungsförderung verhindern aber eine nachhaltige Integration in qualifizierte Berufe. Auch der sogenannte „Job-Turbo“, der sich an arbeitslose und arbeitsuchende Geflüchtete richtet, die Bürgergeld beziehen und damit einen Arbeitsmarktzugang haben, vermittelt Geflüchtete oftmals schnell in Arbeit – jedoch meist ohne deren vorhandene Qualifizierung ausreichend zu berücksichtigen. Menschen mit Einwanderungsbezug werden so in den Niedriglohnsektor gedrängt, ohne langfristige berufliche Perspektiven zu erhalten. Ohne ausreichende Fördermaßnahmen bleiben viele von ihnen in der Folge dauerhaft in prekären Beschäftigungsverhältnissen gefangen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass der Job-Turbo es jungen Menschen eher erschwert, ihre Berufswünsche zu verwirklichen und ihr Potenzial voll auszuschöpfen, als dass er ihnen eine langfristige Perspektive auf dem Arbeitsmarkt eröffnet.
Ein zentrales Problem für die Zielgruppe des JMD ist und bleibt der Wegfall der Jugendintegrationskurse (JIK). Lange Wartezeiten auf verbleibende Kurse erschweren zusätzlich die schnelle Integration. Aktuell müssen Interessierte oft mit Wartezeiten von mehreren Monaten bis zu einem Jahr rechnen. Das wiederum führt dazu, dass viele junge Menschen ihre sprachlichen, schulischen und beruflichen Zukunftspläne überdenken müssen. Besonders betroffen sind Schulabgänger*innen, die noch kein B1- oder A2-Niveau erreicht haben. Dort hingegen, wo JMD-Berater*innen sich im Rahmen ihrer Netzwerkarbeit für die Einrichtung von vertiefenden Sprachkursangeboten eingesetzt und diese mitgesteuert haben, konnten in vielen Fällen Verbesserungen für neu zugewanderte junge Menschen erzielt werden.
Auch wenn das Chancen-Aufenthaltsrecht potenziell vielen langjährig Geduldeten eine Perspektive bieten sollte, den sogenannten Spurwechsel einzuleiten, scheiterte die Umsetzung dennoch in vielen Fällen. Die Integrationshindernisse wie fehlende Sprachkenntnisse, ungeklärte Identität und die Sicherung des Lebensunterhalts konnten innerhalb der vorgegebenen Zeit bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels häufig nicht überwunden werden. Dies lag nach Auskunft der Berater*innen vorwiegend an der unzureichenden Abstimmung und zeitlichen Koordination der erforderlichen Maßnahmen sowie an fehlenden Teilnahmemöglichkeiten an entsprechenden Sprachkursen.
Grundsätzlich lässt sich auch beobachten, dass Ratsuchende, die bereits fünf Jahre oder länger in Deutschland leben, aufgrund der aktuellen politischen Stimmung in Deutschland verstärkt Anträge auf die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder die deutsche Staatsbürgerschaft stellen. Grund dafür ist ihre Sorge um eine langfristige Bleibeperspektive. Besonders problematisch sind die unklaren Zukunftsaussichten für Menschen aus Syrien. Diese Unsicherheiten erschweren langfristige Planungen hinsichtlich des Wohnraums, der Ausbildung und der Arbeitsmarktintegration.
Die seitens des Sachverständigenrates beschriebenen neuen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und positiven Tendenzen der getroffenen Maßnahmen sind ein Schritt in die richtige Richtung. Sie spiegeln sich auch in der Arbeit der JMD wider. Die JMD sind mehr denn je ein zentraler sozialer Anker für junge Menschen mit Einwanderungsbezug. Sie wirken inmitten restriktiver Politik und wachsender Unsicherheit als Orte der Stabilität, Zugehörigkeit und Perspektiventwicklung. Ihre Rolle reicht dabei weit über klassische Beratung hinaus: Sie leisten politische Bildungsarbeit, psychosoziale Unterstützung, bauen Brücken zwischen Individuum und Gesellschaft und sind für die jungen Menschen ein verlässlicher Partner.
Über die Jugendmigrationsdienste
Das Engagement der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. im Bundesprogramm Jugendmigrationsdienste (JMD) gilt der Verbesserung der Integrationschancen, der Erhöhung der Chancengerechtigkeit und der Förderung der Partizipation junger Migrant*innen in allen Bereichen des sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Lebens- insbesondere am Übergang Schule/Ausbildung/Beruf. Dabei werden die jungen Menschen im Alter von 12 bis 27 Jahren durch die JMD bei der sprachlichen, schulischen bzw. beruflichen und sozialen Integration unterstützt. Den JMD kommt dabei die Aufgabe zu, neu zugewanderten und nicht mehr schulpflichtigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine individuelle Integrationsförderung anzubieten. Diese findet während und nach dem Integrationskurs als Teil des migrationsspezifischen Beratungsangebots nach § 45 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in Form einer individuellen Integrationsförderplanung auf Basis des Case Managements und begleitenden Gruppenangeboten statt.
Autoren: José Torrejón/Peter Müller