Armut hat ein junges Gesicht

Auszüge aus dem Positionspapier „Chancengerechtigkeit für alle jungen Menschen jetzt umsetzen.“: ## „Vererbung von Armut überwinden – (…) Der Bildungserfolg bzw. Bildungsmisserfolg hängt (…) maßgeblich vom Elternhaus ab. 43,8 Prozent der Hauptschulabsolventinnen und -absolventen haben Eltern, deren höchster Schulabschluss ebenfalls ein Hauptschulabschluss ist. Bildungschancen werden durch die frühe Weichenstellungen im Schulsystem beeinflusst. (…) Dabei darf die soziale Herkunft keinen Determinismus für die Bildungsbiographie junger Menschen darstellen. Vielmehr müssen die vorhanden Fähigkeiten der Kinder und Jugendlichen bestmöglich gefördert werden. Hierzu bedarf es sowohl eines verbindlichen und qualifizierten Ausbaus der Ganztagesbetreuung in Schulen sowie der flächendeckenden Implementierung der Schulsozialarbeit. Die Arbeit von Lehrkräften und Fachkräften der Sozialen Arbeit muss ineinander greifen und eine individuelle
Förderung eines/einer jeden einzelnen Jugendlichen ermöglichen. Multiprofessionelle Teams erleichtern eine solch individuelle Förderung.
## Gerechte Chancen für alle jungen Menschen – (…) Kinder und Jugendliche sind in Deutschland am stärksten von Armut betroffen oder bedroht. Seit dem Jahr 2008 ist die Armutsgefährdungsquote bei Jugendlichen gestiegen. Ein Fünftel der 14 – 19-Jährigen ist von Armut betroffen. Bei den 20 – 25-Jährigen ist es etwas ein Viertel. Diese Zahlen bestätigt auch der Kinder- und Jugend(hilfe) Monitor der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe. (…) Das von der Bundesregierung gesteckte Ziel der Lissabon-Strategie, Armut und soziale Ausgrenzung effektiv zu verringern wurde bis heute nicht erreicht. (…) Ungleiche Einkommensverteilung wirkt sich nicht nur negativ auf die Menschen in den unteren Einkommensgruppen aus, aber dort insbesondere. Nach Wilkinson und Pickett (2009) sinken in einem Staat mit ungleicher Einkommensverteilung das interpersonale Vertrauen, die Lebenserwartung, das Bildungsniveau und die soziale Mobilität. Gleichzeitig steigt die Kindersterblichkeit, die Zahl der psychisch Erkrankten, der Inhaftierten und der Ermordeten. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse, muss eine breit angelegte Diskussion über Verteilungsgerechtigkeit und Umverteilung auf die politische Agenda gesetzt werden.
## Beteiligung Benachteiligter sicherstellen – Ein Blick auf die Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen verdeutlicht (…), dass sich insbesondere arbeitslose Menschen vielfach nicht mehr an der politischen Willensbildung beteiligen. So gaben im Jahr 1996 noch 75,7 Prozent der Arbeitslosen an, bei der letzten Bundestagswahl gewählt zu haben. Im Jahr
2014 waren es lediglich 55,8 Prozent. Ursächlich für diese Entwicklung sei, so das Ergebnis eines Forschungsberichts von Prof. Dr. Armin Schäfer, u.a. die geringe Chance unterer Einkommensbezieher Politikänderungen umzusetzen. Schäfers Forschungsergebnisse waren ursprünglicher Bestandteil des 5. Armuts- und Reichtumsberichts. Die jetzige Fassung erwähnt diese nicht mehr. Dabei belegt der Forscher, dass die oberen 10 Prozent der Einkommensbezieher eine statistisch signifikant höhere Chance haben, eine Politikänderung umzusetzen, als die unteren 10 Prozent. Ein Teil der Bürgerinnen und Bürger würde sich demnach von der politischen Beteiligung abwenden, weil sie ihre Interessen in der Politik nicht mehr vertreten sähen. (…)
## Risikolagen junger Menschen minimieren – Um diese Risikolagen bei jungen Menschen und die daraus resultierenden gesellschaftlichen Implikationen nachhaltig und dauerhaft zu minimieren, bedarf es politischer Veränderungen. Diese stehen aber weiterhin aus. Dabei ist ein guter Schulabschluss die beste Voraussetzung, einen Ausbildungsplatz zu finden und Armut zu überwinden. Aber auch auf dem Ausbildungsmarkt bleiben Jugendliche mit einem Hauptschulabschluss immer häufiger auf der Strecke. (…) Im Jahr 2016 fanden 283.281 ausbildungswillige junge Menschen keine Ausbildungsstelle. (…) Zu ihnen zählen die offiziell unversorgten Bewerber/-innen, die Bewerber/-innen in alternativen Angeboten und die Bewerber/-innen mit unbekanntem Verbleib. All diesen Interessenten standen lediglich 43.478 offene Stellen gegenüber. (…) Ziel muss es (…) sein, einem jeden Jugendlichen ein Ausbildungsplatz bereit zu stellen, um Menschen nicht dauerhaft von der gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen. Daher fordert die BAG KJS die Ausbildungsgarantie gesetzlich zu verankern. Das Recht auf Ausbildung soll prioritär durch betriebliche Ausbildung eingelöst und durch solidarische Instrumente finanziert werden. (…)
## Sanktionsrecht im SGB II entschärfen – Die BAG KJS hält die aktuelle Sanktionsregelung im SGB II für Jugendliche unter 25 Jahren für nicht weiter tragbar. (…) Vor allem die mögliche Vollsanktionierung ist in mehrfacher Hinsicht nicht nachvollziehbar, da sie die Jugendlichen möglicherweise in die Wohnlosigkeit oder Kleinkriminalität führt. Die daraus entstehenden gesellschaftlichen Mehrkosten stehen in keinem Verhältnis zum erhofften erzieherischen Effekt. (…)“

Link: www.bagkjs.de

Link: www.armuts-und-reichtumsbericht.de

Quelle: BAG KJS; Bundesregierung

Dokumente: Armut_hat_ein_junges_Gesicht.pdf

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