Rund ein Viertel aller jungen Menschen unter 25 Jahren in Deutschland ist armutsgefährdet. Dabei beschneidet Armut die Entwicklungs- und Teilhabechancen junger Menschen erheblich und oft dauerhaft, wie die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. im Rahmen ihrer Initiative zur Bekämpfung von Jugendarmut und auch im Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2022“ dokumentiert. Eine zunehmend ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen schränken die Teilhabechancen vieler junger Menschen erheblich ein.
Die im Deutschen Bundesjugendring (DBJR) zusammengeschlossenen Jugendverbände und Jugendringe setzen sich für die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen ein. Wie auch die BAG KJS fordert der DBJR gleichen Chancen für alle Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen, ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, die eigenen Talente und Begabungen entfalten zu können, am sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben teilhaben und die Gesellschaft mitgestalten zu können. Um diesem Anliegen Nachdruck zu verleihen hat der Hauptausschuss des DBJR am 31.01.2024 die Position „Klassismus entgegenwirken – Teilhabe aller jungen Menschen stärken!“ beschlossen.
Armut ist eine Lebenslage
Wer in Armut lebt, hat nicht nur wenig(er) Geld zur Verfügung. Jugendarmut ist wie Monopoly spielen mit nur einem Würfel – und alle anderen haben zwei, zeigte die BAG KJS im Monitor „Jugendarmut in Deutschland“. Arme junge Menschen haben schlechtere Startbedingungen in ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben. Sie erfahren Benachteiligung im Bildungs- und im Gesundheitssystem, haben schlechtere Chancen bei der Ausbildungs- und Arbeits- oder Wohnungssuche. Der DBJR stellt in seiner Position die Herabwürdigung dieser jungen Menschen in den Mittelpunkt; die Versuche, sie im öffentlichen Leben unsichtbar zumachen oder ihre geringeren Ressourcen zur Mitbestimmung. Der DBJR stellt Forderungen auf, dieser Form der strukturellen Herabwürdigung, die nicht auf individuelles Verschulden zurückzuführen ist, entgegenzuwirken. Diese Herabwürdigung definiert die beschlossene Position als Klassismus.
Wie Klassismus wirksam wird
Der DBJR beschreibt in seiner Position Klassismus als eine Diskriminierung und Unterdrückung aufgrund der (zugeschriebenen) sozialen Herkunft bzw. des sozialen Status. Klassismus äußere sich in materieller Benachteiligung ebenso wie in kultureller und sozialer Ausgrenzung. Die Position nennt auch Beispiele für solch klassistisches Agieren im Alltag: Menschen mit „Unterschichtennamen“ oder Dialekt sprechende Menschen herabzuwürdigen; Bezieher*innen von Bürgergeld mangelnden Arbeitswillen zu unterstellen; Eltern mit niedrigem sozialen Status Erziehungs- und Sorgekompetenzen abzusprechen; die Leistungen von armen Kindern und Jugendlichen schlechter zu bewerten und ihnen nichts zuzutrauen; die Lebensrealitäten und Interessen von Menschen zu ignorieren, die sich nicht akademisch ausdrücken können.
Als Grundlage des Klassismus nennt der DBJR den Widerspruch von Kapital und Arbeit. Damit einher gingen Armut und armutsbegünstigende Strukturen, ein dauerhaft großer Niedriglohnsektor, die Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und an Betreuungsangeboten für Kinder, oder kaum bedarfsgerechte Sozialleistungen für Kinder und Familien. Dies festige die Ausgrenzung und Benachteiligung aufgrund des sozialen Status.
Klassismus muss benannt werden
Der DBJR fordert, Klassismus und seine Ursachen zu benennen. Jedoch bedeute Klassismuskritik nicht, Armut in Konkurrenz zu anderen Diskriminierungsformen zu setzen. Häufig trete Klassismus nicht allein auftritt, sondern verschränke sich mit Rassismus, Sexismus oder Ableismus. Er dürfte daher nicht isoliert betrachtet werden. Klassismuskritik könne als Bestandteil einer breit angelegten Antidiskriminierungs-arbeit Erfolg haben.
Was getan werden muss
Der DBJR plädiert dafür, dass ihm angeschlossene Jugendverbände und Jugendringe selbst klassismussensibler werden und dafür Sorge tragen, dass arme Kinder und Jugendliche dieselben Chancen haben, sich bei ihnen zu engagieren und ihre Themen einzubringen wie ihre Altersgenoss*innen aus privilegierteren Familien. Der DBJR will die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Klassismus voranbringen, indem er seine eigenen Strukturen immer wieder kritisch hinterfragt und zu einem Vorbild klassismuskritischen Handelns wird.
Für den DBJR darf sich Klassismuskritik nicht im Empowerment armer Menschen erschöpfen. Oberste Priorität hat für den Zusammenschluss der Jugendverbände und Jugendringe in Deutschland weiterhin die Bekämpfung von Armut und armutserzeugenden Strukturen. Um die Lebenslage und die Teilhabechancen armer junger Menschen zu verbessern und klassistische Benachteiligungen abzubauen, fordert der DBJR daher:
- die konsequente Umsetzung Bekämpfung von Kinder- und Jugendarmut
- eine wirksame, armutsfeste Ausgestaltung der Kindergrundsicherung
- nachhaltige Maßnahmen zur Bekämpfung der Vererbung des sozialen Status, unter anderem durch die Verbesserung von Bildungs- und Arbeitsmarktchancen klassismusbetroffener junger Menschen mithilfe eines gesicherten Ressourcenzugangs
- die Aufnahme des sozialen Status als Diskriminierungsmerkmal ins Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
- klassismuskritische Bildungsangebote für Lehrkräfte und Erzieher*innen aller Stufen des Bildungssystems sowie für Mitarbeitende in Behörden
- die Stärkung der Teilhabe armer Kinder und Jugendlicher durch eine dauerhafte auskömmliche Förderung der Jugendverbandsarbeit.
Quelle: DBJR; BAG KJS