Demokratie lebt von Beteiligung. Schulbezogene Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit tragen dazu bei, dass von Benachteiligung betroffene junge Menschen bessere Startchancen und Teilhabe-Möglichkeiten bekommen.
Erfahrungen junger Menschen in der Schule prägen ihr Aufwachsen, ihr Selbstbewusstsein und ihre Bildungsbiografie. Doch immer noch erleben viel zu viele Benachteiligung und Ausgrenzung – nicht zuletzt auch deshalb, weil Bildungs- und Zukunftschancen hierzulande stark von der sozialen Herkunft abhängen. Die im Kinder- und Jugendhilfegesetz verankerten Angebote der schulbezogenen Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit (§§ 13 und 13 a SGB VIII) tragen zu einer positiven schulischen Atmosphäre bei, sie wirken präventiv und unterstützen junge Menschen und ihre Familien, wenn es zum Beispiel um Schulabsenzen oder Konflikte geht. Mit Beratung, Beteiligungsformaten, Konfliktprävention und Sozialkompetenz-Trainings bieten sich die Fachkräfte als verlässliche Ansprechpersonen an. Sie vermitteln zudem in das Netzwerk der Kinder- und Jugendhilfe sowie in sozialräumliche Angebote. Auf diese Weise stellen sie sicher, dass die Jugendlichen eine ganzheitliche Begleitung in ihrem Lebensalltag erfahren.
Wegen dieser Stärken setzt sich IN VIA dafür ein, die Jugend- und Schulsozialarbeit systematisch in das von Bund und Ländern durchgeführte Startchancen-Programm einzubinden, das zum Ziel hat, Bildungschancen benachteiligter Schüler*innen zu verbessern – dies ist bis heute nicht erfolgt. Dabei bieten schulbezogene Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit sowohl außerhalb als auch innerhalb des schulischen Rahmens wichtige Zugänge und Bewältigungsstrategien für junge Menschen, die zum Beispiel Gefahr laufen, den Anschluss an die Schule zu verlieren, oder die ihn bereits verloren haben.
Diesem Ansatz folgt auch das von IN VIA im Netzwerk der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) durchgeführte Projekt „Schule – ohne mich!? Neue Entwicklungen und Handlungsanforderungen bei Schulabsentismus“. Es verdeutlicht, dass schulische Ausgrenzung das gesunde Aufwachsen junger Menschen schwächen kann – mit Folgen wie Isolation, psychischen Belastungen und eingeschränkten Zukunftschancen. Bildungs-, Jugend- und Gesundheitspolitik sind hier in einem ganz besonderen Maß miteinander verknüpft (s. hierzu auch die Forderungen der BAG KJS zum Thema „Gerecht Bildung organisieren“). Um die ausreichende Finanzierung von nachhaltig angelegten Begleitangeboten der schulbezogenen Jugendsozialarbeit und Schulsozialarbeit sicherzustellen, bedarf es insbesondere einer engeren Zusammenarbeit von Bildungs- und Jugendpolitik. Mit dem Zusammenlegen dieser beiden Bundesressorts sind entsprechende Erwartungen verknüpft.
Für einen inklusiven Übergang in Ausbildung
Am Ende der Schulzeit treten junge Menschen mit dem Übergang in die Ausbildung nochmals in eine ganz entscheidende Phase. Viele bewältigen diesen Schritt nur mit großen Herausforderungen, manche drohen daran zu scheitern. Perspektivlosigkeit, Versagensängste, sozialer Rückzug sowie mangelnde gesellschaftliche Teilhabe – verbunden mit einem erhöhten Armutsrisiko – können die Folge sein. Hier ist es die Jugendberufshilfe, die jungen Menschen bei ihrer beruflichen Orientierung und Integration in den Arbeitsmarkt unterstützt. Wie die schulbezogene Jugendsozial- und die Schulsozialarbeit eröffnet sie Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft. Und sie wird dringend benötigt, denn die Zahl derer, die die Schule ohne Abschluss verlassen, steigt. Nach wie vor wirken familiäre, kulturelle und sozioökonomische Faktoren exkludierend. Sehr entscheidend ist der Schulabschluss: Je niedriger dieser ist, desto geringer sind die Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Das Übergangssystem ermöglicht zwar, Abschlüsse nachzuholen, garantiert aber keinen zeitnahen Einstieg in Ausbildung, sondern führt oftmals zu unnötiger Verweildauer. Zuletzt waren 2,9 Millionen junge Erwachsene unter 35 Jahren ohne formalen Berufsabschluss.
Für Menschen mit Behinderung sind die Chancen im regulären Ausbildungssystem ohnehin eingeschränkt, ein Großteil wechselt in Werkstätten für Menschen mit Behinderung, obwohl mit § 61a SGB IX ein Budget für Ausbildung eingeführt wurde. Für junge Menschen mit psychischer Beeinträchtigung fehlen modulare Ausbildungsangebote, die Therapie- oder Klinikzeiten integrieren, um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden. Immer noch treffen junge Menschen am Übergang von der Schule in die Ausbildung auf segregierende und exkludierende Strukturen mit standardisierten und wenig individuell ausgerichteten Unterstützungs- und Orientierungsangeboten. Zwar ist bereits im Koalitionsvertrag eine umfassende Berufsorientierung verankert, entscheidend ist aber die nachhaltige Begleitung junger Menschen über die verschiedenen Lebensbereiche hinweg. Benötigt wird daher ein Übergangscoaching mit einem kontinuierlichen sozialpädagogischen Angebot – je nach Bedarf bis zum Ausbildungsabschluss. Hier kann die Jugendberufshilfe Berufsorientierungsprozesse bündeln und junge Menschen bei der Entwicklung beruflicher Perspektiven unterstützen.
Ein wichtiges Unterstützungsinstrument für junge Menschen ist die von der Agentur für Arbeit angebotene Ausbildungsbegleitung der Assistierten Ausbildung (AsA flex, §§ 74–75a SGB III). Ziel dieser Förderung ist es, sowohl Auszubildende als auch Betriebe im Ausbildungsprozess zu unterstützen. Um die Wirksamkeit der Assistierten Ausbildung zu erhöhen, werden stabile Rahmenbedingungen benötigt, die gewährleisten, dass sozialpädagogische Interventionen mit ausreichend Personal bedarfsgerecht erfolgen können. Zudem sollten die Bekanntheit und Teilnahmemöglichkeiten gesteigert werden, damit mehr junge Menschen und Betriebe davon profitieren.
Grundsätzlich sind der Ausbau und die nachhaltige Absicherung der Angebote der Jugendsozialarbeit unerlässlich, um jungen Menschen weiterhin und in noch größerem Umfang und besserer Qualität Türen zum gelingenden Leben zu öffnen.
Bildungsgerechtigkeit in Deutschland, quo vadis?
◆ Bildung bleibt abhängig von sozialer Herkunft.
◆ Jedes fünfte Kind lebt in finanzieller Risikolage.
◆ Jede*r vierte Jugendliche ist armutsgefährdet.
◆ Psychische Belastungen nehmen zu: 21 Prozent berichten über Probleme, 20 Prozent fühlen sich in der Schule nicht wohl.
◆ Schulabgänge ohne Abschluss: 52.300 Schuler*innen verlassen die Schule ohne mindestens einen Hauptschulabschluss.
◆ 2,9 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren sind ohne formalen Berufsabschluss.
◆ Das Armutsrisiko ist doppelt so hoch mit einem Hauptschul- wie mit jedem anderen Abschluss.
◆ 32 Prozent derer ohne Schulabschluss sind arbeitslos.
Diese Daten und Zahlen sind auf den BIBB-Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2024, das Deutsche Schulbarometer 2024 und den Monitor „Jugendarmut in Deutschland“ 2024/2025 der BAG KJS zurückzuführen.
Autorinnen: Susanne Nowak, Julia Schad-Heim und Stephanie Warkentin (Bundesreferentinnen bei IN VIA Deutschland e. V. im Netzwerk der BAG KJS)
Dieser Beitrag erschien erstmalig im Spezial 1/2025 der Fachzeitschrift „neue caritas“ (Oktober 2025).