Mentale Gesundheit junger Menschen braucht Gehör

Die Bundesschülerkonferenz fordert: Sichtbarkeit schaffen, Tabus brechen, tragfähige Lösungen umsetzen

Schüler*innen bleiben oft still, wenn es um ihre psychische Gesundheit geht. Doch jetzt werden sie laut und fordern ein, was viele von ihnen schon lange brauchen: mehr Verständnis, mehr Unterstützung, mehr Raum zum Durchatmen. Mit einer bundesweiten Kampagne zur mentalen Gesundheit machen sie auf ein Thema aufmerksam, das längst in der Mitte des Schulalltags angekommen ist – und trotzdem oft überhört wird. Initiiert von der Bundesschülerkonferenz, will die Kampagne „Uns geht’s gut?“ das Bewusstsein für psychische Belastungen bei Schüler*innen schärfen, um Impulse für langfristig tragfähige Lösungen zu entwickeln. Die Kampagne zielt darauf ab, psychische Belastungen zu entstigmatisieren, gesellschaftliche Aufmerksamkeit zu erzeugen und konkrete Veränderungen im Bildungssystem anzustoßen. Mit Aktionen, Gesprächen, Gedenkmomenten und Forderungen, die aus der Lebensrealität junger Menschen kommen, läuft die Kampagne bundesweit bis zum 10. Oktober 2025 – dem Welttag der psychischen Gesundheit.

Dass Schüler*innen sich selbst für ihre mentale Gesundheit stark machen, ist ein deutliches Zeichen – und zugleich eine klare Bestätigung für das, was das Programm Mental Health Coaches (MHC) bereits leistet. Die Themen, die im Rahmen der Kampagne in den Mittelpunkt rücken, sind den MHC-Fachkräften aus ihrer täglichen Arbeit wohlvertraut: Schulstress, Prüfungsdruck, fehlende Rückzugsräume, Überforderung, familiäre Belastungen oder das Gefühl, mit den eigenen Sorgen allein zu sein. Die vier Schwerpunkte der Kampagne – psychische Belastungen im Schulalltag, Fachstrukturen und Unterstützungsangebote, Inklusion und Neurodivergenz sowie Machtstrukturen und Diskriminierung – spiegeln diese Realitäten klar wider. Mental Health Coaches sind dabei oft die ersten vertraulichen Ansprechpersonen, bei denen junge Menschen mit genau diesen Anliegen Gehör finden.

Auch wissenschaftliche Studien bestätigen, wie berechtigt und dringlich die Forderungen der Schüler*innen sind. Das Deutsche Schulbarometer vom November 2024 zeigt, dass rund jede*r fünfte Schüler*in von psychischen Auffälligkeiten und geringem schulischen Wohlbefinden berichtet. Gleichzeitig empfindet etwa ein Viertel der Befragten eine niedrige Lebensqualität und bewertet den Unterricht als unzureichend. Im Schuljahr 2023/2024 gaben zudem drei Viertel der Kinder und Jugendlichen an, durch die gegenwärtigen Krisen ausgelöste Ängste zu verspüren. Hinzu kommt eine deutlich erhöhte Einsamkeitsbelastung: Rund ein Drittel der jungen Menschen berichtet davon – so der DAK-Präventionsradar. Auch der 17. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung hebt die wachsende Bedeutung psychischer Gesundheit hervor und fordert verstärkte Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen in Schulen. Die psychischen Belastungen junger Menschen sind kein Einzelfall – sie sind strukturell, vielschichtig und längst schulischer Alltag.

Die Kampagne der Bundesschülerkonferenz ist mehr als ein Signal – sie ist ein klarer Appell: Junge Menschen wollen, dass ihre psychische Gesundheit ernst genommen wird. Sie fordern konkrete Veränderungen im Schulalltag, bessere Unterstützungsangebote, mehr Verständnis für Vielfalt und Räume, in denen sie sich sicher und gesehen fühlen. Dass ausgerechnet jetzt das Programm der Mental Health Coaches vor dem Aus steht, sendet ein völlig entgegengesetztes Signal. Statt den Ausbau psychischer Gesundheitsförderung an Schulen voranzutreiben, droht der Verlust einer Ressource, die längst Wirkung zeigt. MHC-Fachkräfte bringen Expertise aus Psychologie, Sozialer Arbeit und Erziehungswissenschaften mit – und sie sind speziell geschult, um passgenaue, niedrigschwellige Angebote im Schulkontext umzusetzen. Sie arbeiten präventiv, stärken Schüler*innen in herausfordernden Lebenslagen, sensibilisieren Schulteams und helfen, Unterstützungsstrukturen sichtbar zu machen.

Viele Schulen haben sich durch das Programm weiterentwickelt; multiprofessionelle Teams sind entstanden, Beziehungsarbeit ist in den Fokus gerückt, psychische Gesundheit ist kein Tabuthema mehr. Sollte das Programm enden, fällt all das weg. Die Folge: Fachkräfte sind nicht mehr verfügbar, wichtige Strukturen lösen sich auf – und die jungen Menschen, die gerade beginnen, ihre Anliegen mutig zu artikulieren, werden erneut überhört.

Dabei ist die Botschaft aus den Schulen klar: Die Bedarfe sind da. Die Schüler*innen fordern zu Recht mehr Unterstützung. Jetzt braucht es den politischen Willen, ihnen zuzuhören – und nicht ausgerechnet jene Angebote zu streichen, die heute schon den Unterschied machen.

 

Autorin: Özlem Tokyay

 

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