Lehren für die Bildungsforschung aus dem Bildungsbericht 2020 – ein Kommentar von Kai Gehring (MdB)

Der nationale Bildungsbericht „Bildung in Deutschland 2020“ ist eine Bestandsaufnahme des deutschen Bildungssystems – noch vor der Corona-Krise. Dennoch weist der Bericht Probleme aus, die durch den Lockdown und Schulschließungen noch befeuert wurden. Es verlassen wieder mehr junge Menschen die Schule ohne Abschluss, der langjährige Trend hin zum Erwerb höherqualifizierender Schulabschlüsse ist gebrochen, der Einfluss des sozialen Hintergrunds auf den Bildungserfolg ist nach wie vor groß. Ein beträchtlicher Teil von Auszubildenden, Studierenden und Beschäftigten verfügt nur über geringe digitale Kompetenzen. In Zeiten von Homeoffice, mobilem Arbeiten und Homeschooling führte das zu einer weiteren Benachteiligung bereits benachteiligter Personengruppen. Die GRÜNEN wollten von der Bundesregierung eine Stellungnahme zu den Befunden des Bildungsberichts. Mit knapp 40 Fragen greifen die GRÜNEN eine Vielfalt an Herausforderungen an das Bildungssystem auf. Die Antwort der Bundesregierung liegt nun vor. Für Kai Gehring, den federführenden Abgeordneten der Grünen bei dieser Anfrage, eine inakzeptable Antwort. Für die „Jugendsozialarbeit News“ kommentierte Gehring die Antwort der Bundesregierung:

„Der Bildungsbericht 2020 ist ein Alarmsignal. Gesetzte Ziele wie die Halbierung der Quote von Jugendlichen ohne Schulabschluss oder die Halbierung der Quote der Erwachsenen ohne Berufsausbildung, die Bund und Länder auf dem Bildungsgipfel 2008 beschlossen haben, rücken wieder in weite Ferne. Im Bundesbildungsministerium hat man den Ernst der Lage nicht erkannt. Ministerin Karliczek leugnet die Erkenntnisse der Forscher, die sie selbst beauftragt hat, und setzt auf eine Vogel-Strauß-Politik. Diese Ignoranz wird zu einer weiter wachsenden Zahl von Menschen ohne Ausbildung führen, die nur sehr schwer in Lohn und Brot finden, denn Ungelernte sind die Hauptrisikogruppe für Arbeitslosigkeit. Eine derartige von der Bildungsforschung prophezeite Chancenungerechtigkeit dürfen wir nicht zulassen. Bildung ist das höchste Gut für unser Land, das auf die Kreativität und den Erfindergeist seiner Einwohner angewiesen ist.

 Die Ignoranz von Karliczek heute erinnert an die CDU-Regierung unter Kohl. Deren Versäumnisse in den 1990er Jahren haben Deutschland 2001 den PISA-Schock beschert. So weit darf es nicht nochmal kommen. Bund und Länder müssen gemeinsam gegen die diagnostizierte wieder zunehmende Bildungsspaltung angehen, die sich durch die Corona-Krise weiter zu vertiefen droht, weil bildungsbenachteiligte Gruppen weiter abgekoppelt und damit zurückgeworfen wurden. Ursachenforschung tut not sowie eine beherzte und vorbeugende Bildungspolitik, die kein Kind und keinen Jugendlichen verloren gibt.“

Quelle: Kai Gehring (MdB) – Bündnis 90/Die GRÜNEN

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