Langzeitarbeitslosigkeit verhindern: individuell, passgenau und kontinuierlich fördern

Die arbeitsmarktpolitischen Instrumente zur Eingliederung, insbesondere Langzeitarbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt, bedürfen einer Neuausrichtung. Diese Auffassung vertrat eine Mehrheit von Sachverständigen in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Gegenstand der Anhörung war zum einen das Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS). Darüber hinaus wurden zwei Anträge der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diskutiert. DIE LINKE plädiert für einen starken öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, die Grünen verlangen ebenfalls eine Neuausrichtung der Förderpolitik für Arbeitslose. Die BAG KJS wies auf die Notwendigkeit einer individuellen, passgenauen und kontinuierlichen Förderung hin, die für von Langzeitarbeitslosigkeit bedrohte junge Menschen unverzichtbar ist, aber durch das bundesweit einheitliche und zentrale Ausschreibungsverfahren so gut wie nicht realisiert werden kann.

Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit

Ulrich Walwei vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg (IAB) betonte, die Grundausrichtung des Förderns und Forderns in der deutschen Arbeitsmarktpolitik sei richtig und habe die Zahl der Arbeitslosen deutlich reduziert. Dennoch sei eine „Nachjustierung“ sinnvoll. So müsse das Fallmanagement professioneller werden, um die Balance zwischen Fordern und Fördern zu verbessern. Außerdem plädierte Walwei für ganzheitliche und rechtsübergreifende Lösungen gerade für sehr schwer vermittelbare Arbeitslose.

Der Deutsche Caritasverband unterstützte das Ziel des BMAS, zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit nach differenzierten Lösungen zu suchen, da es sich nicht um eine homogene Gruppe handele. Die BMAS-Vorschläge gingen jedoch nicht weit genug, wenn dabei allein auf eine bessere Aktivierung, befristete ESF– und Bundesprogramme sowie eine leichte Änderung bei der Zusätzlichkeit von Arbeitsgelegenheiten gesetzt würde. Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäftigung und der Arbeitsförderung müssten besser miteinander verzahnt werden, der Passiv-Aktiv-Transfer sollte erprobt werden. Der Caritasverband plädierte, wie auch Irene Vorholz vom Deutschen Landkreistag und Joß Steinke vom AWO-Bundesverband, für eine Abschaffung der 24-Monate-Befristung bei geförderten Arbeitsverhältnissen. Diese sei „extrem unpraktisch“.

Langzeitarbeitslosigkeit bei jungen Menschen bekämpfen

Langzeitarbeitslosigkeit tritt nicht nur bei älteren Arbeitslosen oder Menschen mit fehlenden oder veralteten beruflichen Qualifikationen auf. Auch junge Menschen sind betroffen. Vor allem sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte Jugendliche am Übergang in Ausbildung und Arbeit stehen in der Gefahr, nicht den Weg in eine Beschäftigung zu finden und die Langzeitarbeitslosen von morgen zu werden. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) benennt deshalb in einer Stellungnahme fünf Aspekte, die bei der Bekämpfung bzw. Verhinderung von Langzeitarbeitslosigkeit zu beachten sind:

  1. „Langzeitarbeitslose junge Menschen in den Blick nehmen
    Vielen (langzeit-)arbeitslosen jungen Menschen fehlt ein Schul- und/oder ein Berufsabschluss. Durch Nachholen von Schulabschlüssen und die Umsetzung eines Rechts auf Ausbildung bzw. der im Koalitionsvertrag benannten Ausbildungsgarantie kann hier Abhilfe geschaffen werden.
  2. Individuelle und kontinuierliche Förderung sicherstellen
    Den langzeitarbeitslosen Menschen gibt es nicht. Es gibt eine Vielzahl von sozialen Benachteiligungen und individuellen Beeinträchtigungen, für die jeweils individuelle und passgenaue Fördermaßnahmen eingerichtet werden müssen. Diese müssen langfristige und kontinuierliche und dadurch qualitativ hochwertige Förderung sicherstellen.
  3. Rechtsgrundlagen umfassend anwenden und Finanzierung sicherstellen
    Ein Leitungsgrundsatz der Grundsicherung für Arbeitssuchende (§ 3 Abs. 2 SGB II) lautet, dass erwerbsfähige Leistungsberechtigte unter 25 Jahren unverszüglich in Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln sind. Diese und weitere Regelungen speziell für arbeitslose Jugendliche müssen konsequent umgesetzt werden. Im Eingliederungstitel der Jobcenter müssen die hierfür notwendigen Mittel vorhanden sein.
  4. Kohärente Förderung umsetzen/Schnittstellenprobleme beseitigen
    Die berufliche Bildung und Integration junger Menschen kann verbessert werden durch abgestimmte Maßnahmen im Übergangsbereich Schule-Beruf. Durch eine kohärente Förderung von Maßnahmen durch verschiedene Teile des Sozialgesetzbuches (SGB II, SGB III, SGB VIII) kann den vielfältigen und individuellen Bedarfen junger Menschen besser entsprochen werden.
  5. Die Vergabe von Arbeitsmarktmaßnahmen neu ordnen
    Die Vergabe von Arbeitsmarktdienstleistungen durch die Bundesagentur für Arbeit muss neu geordnet werden. Die Qualität muss mehr betrachtet und gewertet werden, damit nicht vorrangig der Preis über einen Zuschlag entscheidet. Zur Umsetzung dieses Vorhabens sollten die Vorgaben durch die EU genutzt werden, die den Mitgliedsstaaten ermöglichen, künftig auch spezielle Vergabeverfahren für soziale Dienstleistungen durchzuführen.

(…) Durch die neue EU-Vergaberichtlinie EU-RL 2014/24/EU, die innerhalb von zwei Jahren in allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werden muss, soll es ermöglicht werden, soziale, ökologische und innovative Aspekte zu berücksichtigen. Außerdem besteht die Möglichkeit eine eigene Vergabe für soziale Dienstleistungen einzuführen. (…)“

Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestags; BAG KJS

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