Langzeitarbeitslose: DGB fordert Aktionsprogramm gegen Perspektivlosigkeit

Oberflächlich betrachtet scheinen die Probleme der Massen- und Langzeitarbeitslosigkeit deutlich kleiner geworden zu sein. Doch welche konkreten Entwicklungen im Detail stecken hinter dem Megatrend sinkender Arbeitslosenzahlen? Hat sich die Lebenssituation für alle Teilgruppen der Arbeitslosen und insbesondere für die Langzeitarbeitslosen tatsächlich verbessert? Was ist zu tun, um denen, die heute langzeitarbeitslos sind, eine Perspektive zu bieten? Diese Fragen beantwortet der DGB in der aktuellen Ausgabe der Schrift „arbeitsmarkt aktuell“! Zum Abschluss formuliert der Gewerkschaftsbund konkrete Forderungen, die einem Aktionsprogramm gleichen.

Langzeitarbeitslosigkeit kann überwunden werden. Die Zeiten waren nie günstiger als jetzt. Sowohl im Steuerhaushalt als auch in der Arbeitslosenversicherung ist Geld vorhanden. Es sind Arbeitsplätze da, die darauf warten besetzt zu werden und von politischen Parteien wird das Ziel ausgegeben, „Vollbeschäftigung zu erreichen“. Wer Vollbeschäftigung will, muss vor allem die Langzeitarbeitslosigkeit ins Visier nehmen, findet der DGB. Um diesem Ziel näher zu kommen, schlägt er folgendes vor:

Auszüge aus den DGB-Forderungen:

Berufliche Weiterbildung stärken

  • Arbeitslose und somit auch Langzeitarbeitslose sollen zukünftig einen Rechtsanspruch auf Beratung zur Weiterbildung erhalten. Wenn diese Beratung ergibt, dass eine Weiterbildung für die stabile berufliche Integration notwendig ist, muss sie im Rahmen des Rechtsanspruches gewährt werden. Für Arbeitslose ohne abgeschlossene Berufsausbildung sollte es generell einen Rechtsanspruch auf eine Nachqualifizierung geben.
  • (…) Der DGB fordert, die bestehenden Prämien für bestandene Prüfungen um einen laufenden Zuschlag zur Arbeitslosenunterstützung zu ergänzen, der die Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme honoriert. Ein solcher finanzieller Zuschlag muss auch die bestehende Fehlkonstruktion überwinden, dass ein 1-Euro-Job heute finanziell attraktiver ist, als eine Weiterbildungsmaßnahme.
  • Wie in der Arbeitslosenversicherung sollte auch im Hartz-IV-System ein spezieller Haushaltstitel für Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung eingeführt werden. Ein solcher Titel stellt sicher, dass ein Teil der Fördermittel für die berufliche Weiterbildung reserviert ist.

Öffentlich geförderte Beschäftigung ausweiten

  • Bildungsmaßnahmen, die vorrangig auf den ersten Arbeitsmarkt zielen, werden aber nicht ausreichen. Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit braucht ein zweites Standbein. Der DGB fordert, öffentlich geförderte Arbeit quantitativ deutlich auszuweiten und qualitativ zu verbessern.
  • Das bestehende Sonderprogramm „Soziale Teilhabe“, mit dem zurzeit 15.000 Arbeitsplätze für vormals Langzeitarbeitslose gefördert werden, ist viel zu klein dimensioniert. (…)
  • Primäre Funktion der öffentlich geförderten Beschäftigung soll nicht sein, Übergänge in ungeförderte Beschäftigung zu erreichen. Vielmehr soll die Beschäftigung Einkommenserzielung und soziale Teilhabe ermöglichen und dazu beitragen, dass gemein-wohlorientierte Angebote der Daseinsvorsorge ausgeweitet werden. Die Förderung sollte deswegen auch längerfristig sein.
  • Anders als beispielsweise 1-Euro Jobs heute müssen die geförderten Arbeitsplätze vollständig sozialversicherungspflichtig sein, dem allgemeinen Arbeitsrecht entsprechen und tariflich entlohnt werden. (…)
  • Öffentlich geförderte Arbeitsplätze sollen Langzeitarbeitslosen im Hartz-IV-Bezug angeboten werden, die – ohne Förderung – voraussichtlich kaum eine Chance auf eine Integration in den Arbeitsmarkt haben. Eine besondere Zielgruppe sollten Haushalte mit Kindern sein, in denen beide Elternteile erwerbslos sind. Diese Gruppe hat ein extrem hohes Armutsrisiko. (…)

Sozialen Schutz ausbauen

  • (…) Die Teilnahme an einer Weiterbildung darf zukünftig nicht mehr auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden, das heißt, Zeiten einer Weiterbildung mindern nicht die Anspruchsdauer.
  • Die Hartz-IV-Regelsätze müssen grundlegend neu hergeleitet und auf ein bedarfsdeckendes Niveau angehoben werden. Die Regelsätze müssen wirksam vor Armut schützen und auch soziale Teilhabe ermöglichen. Der DGB spricht sich dafür aus, eine Sachverständigenkommission einzusetzen, bestehend aus Wissenschaftler/innen, Vertreter/innen der Tarifparteien, von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden sowie von Betroffenenorganisationen. Diese Kommission soll eine Empfehlung für den Gesetzgeber entwickeln.

Jobcenter entlasten – ausreichende Ressourcen bereitstellen

  • Das Hartz-IV-System muss und kann entlastet werden, um Ressourcen für eine verbesserte Betreuung von Langzeitarbeitslosen freizusetzen. Ein relevanter Teil der Leistungsberechtigten bezieht heute Hartz IV, weil das Erwerbseinkommen oder andere Sozialleistungen nicht reichen, um den Lebensunterhalt zu bestreiten.
  • Neben Verbesserungen auf der Lohnseite – etwa indem Tarifverträge leichter für allgemeinverbindlich erklärt werden können – müssen die dem Hartz-IV-System vorgelagerten Leistungen, vor allem das Wohngeld und das Kindergeld, weiterentwickelt werden. Kein Haushalt mit einem Einkommen aus Vollzeit-Erwerbstätigkeit soll Hartz IV beziehen müssen, nur weil er Kinder hat oder die Wohnkosten zu hoch sind. (…)
  • Um ihre anspruchsvollen Aufgaben bewältigen zu können, benötigen die Jobcenter eine bessere Personalausstattung. Im Bundeshaushalt müssen die notwendigen Mittel für Personal- und Verwaltungskosten bereitgestellt werden. Dies ist heute nicht der Fall. Die Jobcenter sind gezwungen, Finanzmittel zu Lasten der aktiven Förderung (Eingliederungstitel) umzuschichten, um Personal- und Verwaltungskosten finanzieren zu können.
  • Der DGB fordert gemeinsam mit der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) das Hartz-IV-Gesamtbudget für Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten um eine Milliarde zu erhöhen. (…)

Die Analysen und Schlussfolgerungen des DGB zur Situation Langzeitarbeitsloser lesen Sie hier 

Quelle: DGB

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