Jugendsozialarbeit in einer gespaltenen Gesellschaft – Fremde, Nachbarn, Freunde

Eindrücke zur Fachveranstaltung der BAG KJS auf dem Katholikentag: „Du lass Dich nicht verhärten, in dieser harten Zeit, die allzu hart sind brechen …“ mit diesem Lied von Wolf Biermann eröffnete der Chor wunderbar und passend die Fachveranstaltung der BAG KJS auf dem Katholikentag 2018. Denn hart sind die Zeiten sicher gerade jetzt und der Moderator Michael Kroll (Vorstand BAG KJS) stieg dann auch gleich mit einer Frage ans Publikum ein: wer sei denn der Meinung, dass wir tatsächlich in einer gespaltenen Gesellschaft leben? Rund 2/3 des Publikums stimmten dieser Diagnose zu.

Ein Recht auf vollständige Teilhabe

Und ist es nicht fast naiv mit Jugendsozialarbeit dagegen anzugehen? In der katholischen Jugendsozialarbeit setzen sich Organisationen, Träger, Einrichtungen und Fachkräfte auf vielfältige Weise für ein gelingendes Leben junger Menschen in Deutschland ein. Auch und gerade wenn Jugendliche schlechte Startchancen haben, weil sie vielleicht gerade erst nach Deutschland gekommen sind oder aus einer Familie stammen, in der niemand Arbeit hat, haben junge Menschen ein Recht auf vollständige Teilhabe, auf eine gute Ausbildung und ein selbständiges Leben ohne Armut.  Dieses Anliegen sollte die Veranstaltung konkret veranschaulichen aber auch kritisch zur Debatte stellen, denn gesellschaftliche Diskurse, Rassismus und ein zunehmender Populismus machen auch vor der sozialen Arbeit oder der Kirche nicht einfach halt.  Christine Müller von der LAG KJS NRW hat dargelegt warum Jugendsozialarbeit migrationssensibel und rassismuskritisch agieren muss, bzw. wie es gelingen kann entsprechende Kompetenzen bei Fachkräften, aber vielmehr noch bei den jungen Menschen selber zu stärken, auch wenn Frust und Enttäuschung bei beiden Seiten möglich sind. Einblick geben die von Jugendlichen selber produzierten Videos.

Junge Menschen verfügen über vielfältige Kompetenzen

Praxiserfahrungen, z. B. auch beim Don Bosco Jugendclub in Köln, bestätigen das. Junge Menschen, z. B. junge Geflüchtete – auch wenn sie aus professioneller Sicht noch ziemlich viel sogenannten „Förderbedarf“ haben, besitzen viele Kompetenzen und wollen partizipieren; viele wollen sich auch selber engagieren gegen Rassismus und für Demokratie. Auch wenn es oft unter den Jugendlichen selber durchaus mal kracht, Beziehungen, gegenseitige Achtung und Interesse gelingen in der Regel auch über die manchmal engen sozialen und ethnischen Milieus hinweg, in denen sich junge Menschen bewegen.

Die Spaltungen zwischen Ost West, zwischen Arm und Reich oder vermeintlich „Fremden“ und „uns“  lassen sich auf der Beziehungsebene allein eben nicht überwinden. Frau Prof. Dr. Nausikaa Schirilla macht deutlich, dass es deshalb neben der politischen und strukturellen Dimension der sozialen Arbeit auch wichtig ist, dass Scheitern, Trauern und Ängste Platz haben in der Jugendsozialarbeit, dass es dafür Worte und Orte gibt. Martin Patzelt, als Bundestagsabgeordneter aus Frankfurt (Oder) sieht, dass leider das öffentliche Miteinander und gerade auch die Politik oft nicht als Vorbild dienen. Warum soll ich eigentlich Deutsch lernen, „wenn hier eh niemand mit mir sprechen will“, zitiert er die jungen Syrer, denen er selber ein Zuhause gegeben hat. Denn dies kann kein Heimatministerium und funktioniert sicher auch nicht durch Abgrenzung oder Ausgrenzung von denen, die zu uns kommen.

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