Repräsentative Befragung: Geflüchtete haben eine hohe Bildungsorientierung

Auszüge aus der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten:
“ (…) Dauer Asylverfahren
In den ersten Monaten durchlaufen die Geflüchteten die verschiedenen Schritte des Asylverfahrens. Die Ergebnisse der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016 zeigen, dass der Anteil der entschiedenen Verfahren und damit zusammenhängend die Verfahrensdauer stark zwischen den verschiedenen Herkunftsländergruppen variieren. Die Verfahrensdauer ist seit 2013 zwar kontinuierlich gesunken, jedoch beträgt sie für bestimmte Herkunftsländergruppen immer noch mehr als ein Jahr. Um Integrationsprozesse schnell anstoßen zu können, ist es wichtig die Verfahrenszeiten weiter zu verringern. (…)

Bildung und Sprache
(…) Fluchtmigration unterscheidet sich von anderen Migrationsarten wie der Erwerbsmigration oder dem Familiennachzug auch dadurch, dass es sich meist nicht um einen lange geplanten und auf lange Frist angelegten Prozess handelt. Ziel- und Transitländer und die Aufenthaltsdauer sind zu Beginn der Flucht häufig noch nicht bekannt. Viele Geflüchtete haben zudem durch Krieg, Verfolgung und Flucht ihre Bildungsbiografien unterbrechen müssen. Es ist deshalb zu erwarten, dass sie bisher weniger als andere Migrantinnen und Migranten in Bildung und Ausbildung sowie in die Sprachkompetenz des Ziellandes investieren konnten. Dennoch verfügen sie über vielfältige Fähigkeiten und Fertigkeiten – etwa Bildungserfahrungen und – abschlüsse, Sprachkenntnisse und andere Kompetenzen – die für die Integration und Teilhabe am Bildungssystem, dem Arbeitsmarkt und allen anderen gesellschaftlichen Bereichen in Deutschland zentral sind. (…)

Das Niveau der Schulbildung der Geflüchteten ist stark polarisiert: Etwa 37 Prozent der Geflüchteten im Alter von 18 Jahren und älter haben eine weiterführende Schule besucht und 32 Prozent haben einen weiterführenden Schulabschluss erhalten. Der überwiegende Teil der Absolventen weiterführender Schulen hat Abschlüsse mit allgemeiner Ausrichtung, vergleichbar unserer Hochschulzugangsberechtigung, erhalten. (…) Der Anteil weiterführender Schulabschlüsse ist unter den Geflüchteten etwas höher als in der deutschen Bevölkerung. (…) Am anderen Ende des Qualifikationsspektrums haben 10 Prozent nur eine Grundschule und weitere 9 Prozent gar keine Schule besucht. Die Personen, die nur eine Grundschule besucht haben, verbrachten im Durchschnitt 6 Jahre in der Schule. (…)

Geflüchtete stehen nach der Erhebung der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten 2016 einer Vielzahl von (…) Hürden gegenüber. Deutsche Sprachkenntnisse sind eine Schlüsselqualifikation für Integration und Teilhabe. Der überwiegende Teil der Geflüchteten verfügte beim Zuzug über keine oder schlechte deutsche Sprachkenntnisse. Allerdings haben erhebliche Teile, auch durch die gezielte Sprachförderung, bereits aufgeholt. Rund zwei Drittel der Geflüchteten haben bislang an Sprachkursen teilgenommen, ein Drittel an Integrationskursen. Eine vertiefte Analyse zeigt, dass neben Humankapitalcharakteristika auch institutionelle Faktoren wie der Aufenthaltsstatus und die Zuwanderung aus sicheren Herkunftsländern die Teilnahme beeinflussen.

Das Bildungsniveau der Geflüchteten ist erwartungsgemäß geringer als in der deutschen Bevölkerung. Allerdings muss zwischen der Schulbildung und der beruflichen Bildung unterschieden werden. Bei der Allgemeinbildung zeichnet sich eine Polarisierung ab: Während am oberen Ende des Qualifikationsspektrums, also bei den weiterführenden Schulen, die Geflüchteten vergleichbare oder sogar leicht höhere Anteile bei dem Schulbesuch und den Schulabschlüssen als die deutsche Bevölkerung erreichen, so ist der Anteil von Personen, die gar keine Schule oder nur eine Grundschule besucht hat, mit einem Fünftel deutlich höher als in Deutschland oder unter anderen Migrantengruppen. (…) Ein interessanter Befund ist, dass mehr als zwei Fünftel der Geflüchteten noch einen Schulabschluss und zwei Drittel einen Hochschul- oder beruflichen Bildungsabschluss in Deutschland anstreben. Die hohe Bedeutung von Bildungs- und Ausbildungsabschlüssen scheint der Mehrheit der Geflüchteten bewusst zu sein. (…)

Weg in den Arbeitsmarkt
Geflüchtete bringen ein hohes Maß an Motivation und Kooperationsbereitschaft mit, um sich möglichst schnell in den deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren. Die große Mehrheit der Geflüchteten bringt Berufserfahrung aus ihren Heimatländern mit. Für eine erfolgreiche berufliche Integration in Deutschland sind dies jedoch keine hinreichenden Voraussetzungen. Bislang sind rund 14 Prozent der Befragten erwerbstätig, davon knapp über die Hälfte in Teil- bzw. Vollzeitbeschäftigung. (…) Die ersten Ergebnisse entsprechen jedoch den Integrationsverläufen, die auch in der Vergangenheit bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten beobachtet werden konnten. Beides, die Erwerbsbeteiligung und Verdienste, werden im Zeitverlauf nach den Erfahrungen der Vergangenheit deutlich steigen. (…)

Die Befunde zeigen, dass die etablierten oder neu geschaffenen integrations- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen erste Wirkungen zeigen. Berufsbezogene Sprachkurse durch das BAMF und die BA, Maßnahmen der BA zur Qualifikationsfeststellung und zur Berufsberatung sind positiv und signifikant mit einer höheren Erwerbstätigkeit korreliert. (…)

Schlussfolgerungen
Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung ermöglicht einen tiefen Einblick in die Migrations-, Bildungs- und Erwerbsbiografien der Geflüchteten, ihre Bildung und Ausbildung, Einstellungen und Werte und in die vielfältigen Aspekte der Integration in Deutschland. (…)

Die Entscheidung über Asylanträge und ihr Ausgang beeinflussen die Arbeitsmarktintegration der Geflüchteten: Geflüchtete, die als Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Geschützte einen Schutzstatus genießen, sind häufiger erwerbstätig als Geflüchtete, die sich noch in den Asylverfahren befinden oder geduldet sind.

Die Deutschkenntnisse der Geflüchteten waren beim Zuzug gering, mehr als 90 Prozent verfügte über keine Kenntnisse der deutschen Sprache, rund ein Drittel über Kenntnisse der englischen Sprache. Die Sprachkenntnisse haben sich aber im Zeitverlauf nach Selbsteinschätzung der Geflüchteten deutlich verbessert. Rund ein Drittel haben an den Integrationskursen des BAMF, zwei Drittel insgesamt an Sprachkursen teilgenommen. (…) Fast drei Viertel der Geflüchteten haben bereits in ihren Herkunftsländern Berufserfahrungen erworben, im Durchschnitt 6,4 Jahre. Die meisten Geflüchteten, Männer wie Frauen, wollen auch in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachgehen. Die Arbeitsmarktintegration steht aber erst am Anfang. (…) Die Analysen der Determinanten der Erwerbstätigkeit zeigen, dass die Geschwindigkeit der Arbeitsmarktintegration mit dem Bildungsniveau und deutschen Sprachkenntnissen steigen. Auch sprechen die vorliegenden Befunde dafür, dass der Abschluss von Integrationskursen des BAMF und anderen Sprachkursen sowie die Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit erwerbstätig zu sein, erhöhen. (…) Interessanterweise ist die Lebenszufriedenheit der Geflüchteten nur geringfügig geringer als in der deutschen Bevölkerung ohne Migrationshintergrund, die Zufriedenheit mit dem Gesundheitszustand fällt hingegen höher aus. Das ist vor allem auch auf das geringere Durchschnittsalter zurückzuführen. Auf der anderen Seite leiden Geflüchtete häufiger als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund unter Einsamkeit und Depressionen. (…)“

Die Ergebnisse wurden in einem IAB-Forschungsbericht sowie in einem IAB-Kurzbericht veröffentlicht. Beteiligt waren eine Vielzahl von Autor/-innen:Christian Babka von Gostomski, Axel Böhm, Herbert Brücker, Tanja Fendel, Martin Friedrich, Marco Giesselmann, Elke Holst, Yuliya Kosyakova, Martin Kroh, Elisabeth Liebau, David Richter, Agnese Romiti, Nina Rother, Diana Schacht, Jana A. Scheible, Paul Schmelzer, Jürgen Schupp, Manuel Siegert, Steffen Sirries, Parvati Trübswetter und Ehsan Vallizadeh.

Den Bericht entnehmen Sie dem Anhang in vollem Umfang.

Link: www.iab.de

Quelle: IAB

Dokumente: IAB_-_Befragung_von_Gefluechteten_-_kb2416.pdf

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