Auswirkungen demografischer Veränderungen auf die soziale Arbeit

Als Grundlage aller Überlegungen zur Neuausrichtung braucht es Zahlen und Fakten zu den Trends und Herausforderungen des Wandels, jetzt und in der absehbaren Zukunft. Diese liefert die Analyse des BI.

Unter Mitwirkung von Caritas-Expert(inn)en aus der praktischen Arbeit wurden aus den ermittelten Trends und Herausforderungen Handlungsempfehlungen abgeleitet. Gute Beispiele aus der Praxis zeigen, welche Wege in einzelnen Regionen schon beschritten werden und dienen als Anregungen für strategische Überlegungen vor Ort. Die regionenspezifisch aufbereiteten Erkenntnisse bieten nicht zuletzt auch die Möglichkeit, Kreise und Kommunen in ähnlicher demografischer Situation zu finden und gegebenenfalls mit dortigen Akteuren in Austausch zu treten. Die kreisgenaue Datenanalyse finden Sie auf http://www.caritas.de/magazin/kampagne/demografieinitiative/demografie-studie/

Auszüge aus der Auswertung für die Kinder- und Jugendhilfe:
„(…) Die vier zum Fachbereich Kinder- und Jugendhilfe gebildeten Cluster zeigen eine klare regionale Verteilung: Das Cluster 1 umfasst fast ausschließlich die kreisfreien Städte Westdeutschlands, während das Cluster 2 „Junge westdeutsche Landkreise mit tendenziell klassischen Familienstrukturen“ vereint. Im Cluster 3 finden sich die peripher gelegenen westdeutschen Landkreise. In das Cluster 4 fallen sämtliche Kreise und kreisfreien Städte der neuen Bundesländer. ## Cluster 1 – Junge, migrantenreiche (Groß-) Städte mit hoher Kinderarmut – In diesem Cluster versammeln sich die größeren kreisfreien Städte Westdeutschlands. Insgesamt umfasst es 93 Kreise mit 24,6 Millionen Einwohnern. Die Einwohnerdichte ist mit durchschnittlich 1377 Menschen pro Quadratkilometer deutlich höher als in allen anderen Clustern.

Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund bei den unter 20-Jährigen fällt mit 37 Prozent (Mittelwert aller Kreise: 23 Prozent) relativ hoch aus, somit auch der Anteil der Kinder mit ausländischer Herkunft in der Tagespflege, der bei 40 Prozent liegt (Mittelwert aller Kreise: 24 Prozent). Auch der Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife fällt mit durchschnittlich 42 Prozent relativ hoch aus (Mittelwert aller Kreise: 32 Prozent). Der Anteil der unter 21-Jährigen an der gesamten Bevölkerung liegt in den Kreisen des Clusters mit knapp 19 Prozent etwa im Durchschnitt aller Kreise. Durch den hohen Anteil junger Erwachsener im Familiengründungsalter sind die Geburtenzahlen selbst bei durchschnittlichen Fertilitätsraten relativ hoch.

Dennoch machen Familien selbst nur einen relativ geringen Anteil aller Haushalte der Kreise im Cluster 1 aus: Nur in 28 Prozent aller Haushalte leben Minderjährige, während dies im Durchschnitt aller Kreise bei 35 Prozent der Haushalte der Fall ist. Dagegen fällt der Anteil der Einpersonenhaushalte mit 43 Prozent im Cluster 1 – typisch für Städte – recht hoch aus. (…) Viele Familien zieht es aus den Städten ins Umland. Zurück bleiben die jungen Erwachsenen ohne Kinder sowie jene Familien, die ein Leben in den teurer werdenden Städten auch mit Kindern finanzieren können und wollen. Es bleiben aber auch jene zurück, die sich einen Umzug ins Grüne nicht leisten können und in den Städten oft in benachteiligten Stadtteilen leben. (…)

Dies wird deutlich an der Kinderarmut, die im Cluster 1 mit 20 Prozent auffällig hoch ist. Das heißt, im Schnitt bezieht jede(r) fünfte unter 15-Jährige Leistungen gemäß SGB II. Auch die Jugendarbeitslosigkeit (7 Prozent), die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung bei den unter 21-Jährigen (3 Prozent) und die Teenager-Schwangerschaften (10 Geburten je 1000 Frauen zwischen 15 und 20 Jahren) liegen leicht über dem bundesweiten Durchschnitt. Hinzu kommt, dass gerade in den Großstädten wie Hamburg, München, Köln oder Frankfurt am Main die Zahl der Ausbildungsplätze je 1000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte relativ gering ist, was den Einstieg in den Arbeitsmarkt für viele Jugendliche weiter erschwert. (…)
## Cluster 2 – Junge westdeutsche Landkreise mit tendenziell klassischen Familienstrukturen – Mit 184 Kreisen ist Cluster 2 das größte, es umfasst mit 34,6 Millionen Menschen auch die meisten Einwohner. Die Bevölkerungsdichte ist mit 249 Einwohnern je Quadratkilometer im Schnitt relativ dünn, wobei die Werte zwischen 59 (Eifelkreis Bitburg-Prüm) und 1177 (Heilbronn) Einwohner je Quadratkilometer schwanken. Die Kreise des Clusters 2 haben vergleichsweise viele Kinder und Jugendliche, somit fällt auch die Abhängigenquote der Jüngeren (21 Prozent) im Clustervergleich am höchsten aus. (…) Bis 2030 ist eine relativ moderate demografische Veränderung zu prognostizieren. Der Anteil unter 20-Jähriger dürfte nur leicht zurückgehen, während die Gesamtbevölkerung vermutlich sogar etwas wachsen wird. Dahinter steht nicht nur eine leicht überdurchschnittliche Fertilitätsrate von 1,5 Kindern je Frau, sondern auch ein positiver Zuwanderungssaldo von Familien. (…) Die Quote des pädagogischen Personals je 100 Kinder ist im Cluster 2 gering. Die Vermutung liegt nahe, dass Kinder hier noch häufiger in den Familien betreut werden. Unklar ist jedoch, inwieweit dies an geringer Nachfrage nach Betreuungsplätzen oder am mangelnden Angebot liegt. Der eher geringe Anteil der Haushalte Alleinerziehender lässt einerseits darauf schließen, dass in diesen Kreisen traditionelle Familienstrukturen noch relativ stark verbreitet sind. (…) Die sozioökonomischen Indikatoren im Cluster 2 sind durchweg gut. Die Kinderarmut liegt mit acht Prozent niedriger als in den anderen Clustern, ebenso die Inanspruchnahme von Hilfen zur Erziehung bei den unter 21-Jährigen (2 Prozent), die Häufigkeit von Teenagerschwangerschaften (6 Geburten je 1000 15- bis 20-jährige Frauen) und die Jugendarbeitslosenquote (4 Prozent). Die günstige Arbeitsmarktsituation für Jugendliche hängt sicher auch mit dem hohen Anteil Auszubildender zusammen (55 je 1000 Erwerbstätige). Das durchschnittliche Haushaltseinkommen ist das höchste. (…)
## Cluster 3 – Westdeutsche Randgebiete mit wenig Nachwuchs – Dieses mit 48 Kreisen und 5,5 Millionen Einwohnern kleinste aller Cluster besteht hauptsächlich aus westdeutschen Landkreisen in geografischen Randgebieten (…) und (…) ist (…) mit 157 Personen je Quadratkilometer am dünnsten besiedelt. Die Kreise haben zwischen 2003 und 2013 mit durchschnittlich minus 6,5 Prozent relativ viele Einwohner verloren. Ursache sind vor allem die im Vergleich zu den Sterbefällen niedrigen Geburtenzahlen. Die negative natürliche Bevölkerungsentwicklung schlägt sich auch in der Altersstruktur nieder. Zwar lag der Anteil der unter 21-Jährigen im Jahr 2013 mit 19 Prozent noch im Gesamtdurchschnitt aller Kreise. Doch im Vergleich zum Jahr 2003 lässt sich ein deutlich rückläufiger Trend in den jungen Altersgruppen beobachten. Für 2030 zeigen die Vorausberechnungen für dieses Cluster im Vergleich mit allen anderen den stärksten zahlenmäßigen Verlust in der Altersgruppe der unter 20-Jährigen an. (…) Ins Auge fallen der geringe Anteil der Schulabgänger(innen) mit Hochschulreife (…) sowie die niedrige Förderschulquote, die aber auch mit dem örtlichen Schulangebot in Verbindung stehen könnte. Eventuell liegt dies am eingeschränkten Angebot an weiterführenden Schulen, wodurch Schüler mit Abiturwunsch Schulen in Kreisen der anderen Cluster besuchen – (…). Die Jugendarbeitslosenquote liegt dagegen im Schnitt aller Kreise, und der Anteil der Auszubildenden ist mit 55 je 1000 Erwerbstätige relativ hoch. In puncto Vielfalt hat Cluster 3 die niedrigsten Werte aller westdeutschen Cluster. Nur 19 Prozent der unter 20-Jährigen haben einen Migrationshintergrund. (…)
## Cluster 4 – Ostdeutsche Räume im Umbruch – In diesem Cluster befinden sich alle ostdeutschen Kreise inklusive Berlin (77 Kreise mit insgesamt 15,9 Millionen Einwohnern). Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte liegt zwar mit 327 Einwohnern je Quadratkilometer höher als in den Clustern 2 und 3. (…) Die Unterschiedlichkeit der Kreise zeigt sich auch in der Bevölkerungsentwicklung. Von 2003 bis 2013 nahm die Bevölkerung in Cluster 4 um durchschnittlich acht Prozent ab, mehr als doppelt so stark wie im gesamtdeutschen Schnitt. Allerdings sind viele der städtischen Kreise (…) davon ausgenommen. (…) Dennoch ist das Cluster 4 das einzige, in dem die Abhängigenquote der Jüngeren in Bezug auf die erwerbsfähige Bevölkerung von 2003 bis 2012 anstieg. Das liegt an zwei Entwicklungen: Die Kinderzahl je Frau hat sich nach starkem Einbruch in den 1990er-Nachwendejahren wieder dem gesamtdeutschen Schnitt angepasst. (…) Zum anderen sinkt der Anteil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter durch den hohen Altersschnitt der Bevölkerung in diesen Kreisen schneller als anderswo. Dies hat einen positiven Effekt auf die Abhängigenquote der Jüngeren. (…) Trotz der steigenden absoluten Kinderzahlen liegt der Anteil der Familien an allen Haushalten mit 31 Prozent deutlich unter dem Gesamtdurchschnitt aller Kreise (43 Prozent). (…) Der Anteil Alleinerziehender an allen Haushalten liegt mit neun Prozent etwas höher als im Durchschnitt aller Kreise (8 Prozent). (…) Auffallend gut ist die Betreuungssituation im Cluster 4. Die Quote des pädagogischen Personals je 100 Kinder liegt bei elf und damit deutlich über dem bundesweiten Schnitt von neun. (…) Die Ausbildungssituation für Jugendliche erscheint dagegen, gemessen am geringen Anteil der Auszubildenden an allen Erwerbstätigen, eher ungünstig. Dieses Ergebnis lässt sich allerdings wiederum zum Teil mit der Altersstruktur der Bevölkerung erklären: Die starke Besetzung der höheren Altersklassen unter den Erwerbsfähigen führt dazu, dass der Anteil jener im Ausbildungsalter im Verhältnis geringer ist. So fällt trotz des geringen Anteils an ausbildenden Betrieben die Angebot-Nachfrage-Relation für Ausbildungsplätze vergleichsweise günstig aus.

Der Anteil der Förderschüler liegt in Ostdeutschland über dem Durchschnitt aller Kreise. Dies dürfte vor allem auf eine regional unterschiedliche Praxis bei der Feststellung eines Förderbedarfs zurückzuführen sein. Dafür spricht, dass in den neuen Bundesländern auch der Förderbedarf überdurchschnittlich ausfällt. (…) Für folgende Indikatoren weist das Cluster 4 die im Mittel höchsten Werte im Clustervergleich auf: für die Kinderarmut (22 Prozent), die Jugendarbeitslosigkeit (8,4 Prozent), den Anteil der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss (9 Prozent), die Teenagerschwangerschaften (15 Geburten auf 1000 Frauen zwischen 15 und 20 Jahren) sowie für den Anteil der Alleinerziehenden (8,5 Prozent aller Haushalte). (…) Da in Ostdeutschland der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund deutlich niedriger ist als im Westen, fällt auch der Anteil der Kinder ausländischer Herkunft in Tageseinrichtungen und der Anteil unter 20-Jähriger mit Migrationshintergrund auffallend gering aus. (…)“

Link: http://www.caritas.de/magazin/kampagne/demografieinitiative/demografie-studie/

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Quelle: DCV

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