Das Jahresgutachten 2024 des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) bietet eine umfassende Analyse der deutschen Migrations- und Integrationspolitik der letzten fünf Jahre. Unter dem Titel Kontinuität oder Paradigmenwechsel?“ werden die Entwicklungen, Erfolge und Herausforderungen der deutschen Einwanderungspolitik detailliert dargestellt. Das Gutachten beleuchtet sowohl die positiven Fortschritte als auch die bestehenden Defizite. Es gibt konkrete Handlungsempfehlungen für die Zukunft.
Deutschland balanciert in der Migrationspolitik auf einem schmalen Grat zwischen Öffnung und Restriktionen
Der SVR stellt fest, dass die deutsche Migrationspolitik in den letzten Jahren eine Balance zwischen Öffnung und Restriktion anstrebte. Ein wesentlicher Erfolg ist die Erleichterung der Fachkräftezuwanderung, beispielsweise durch die einfachere Anerkennung von Berufsabschlüssen. Dies ist besonders vor dem Hintergrund des demografisch bedingten Arbeitskräftemangels in Deutschland bedeutsam. Andererseits wurden im Bereich der Fluchtmigration restriktivere Maßnahmen ergriffen, um die Zuwanderung zu steuern und die Aufnahmekapazitäten nicht zu überlasten. Der SVR betont jedoch die Notwendigkeit, humanitäre Standards einzuhalten, insbesondere bei der Umsetzung der EU-Asylreform.
Herausforderungen bei der Integration von Kindern und Jugendlichen
Das Gutachten legt einen besonderen Fokus auf die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Diese Gruppe steht vor erheblichen Herausforderungen, insbesondere im Bildungsbereich. Kinder und Jugendliche mit eigener Zuwanderungsgeschichte, besonders jene mit Fluchterfahrung, sind häufig benachteiligt. Sie schaffen es seltener auf ein Gymnasium und haben später häufiger keinen Schulabschluss. Als wesentliche Gründe nennt das Gutachten die langen Wartezeiten auf Kita- und Schulplätze sowie die komplexen Zuweisungsverfahren, die die Bildungsintegration verzögern.
Der SVR hebt hervor, dass es essenziell sei, die Bildungschancen dieser jungen Menschen zu verbessern, um eine „verlorene Generation“ zu vermeiden. Dazu gehöre auch die Bereitstellung von qualifiziertem Personal und geeigneten Fortbildungsmaßnahmen für Lehr- und Fachkräfte. Es wird empfohlen, Potenziale neu zugewanderter Lehrkräfte besser zu nutzen und die Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikationen zu erleichtern.
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Gutachtens ist die frühkindliche Bildung und Sprachförderung. Kinder mit Fluchthintergrund seien in frühkindlichen Bildungseinrichtungen nach wie vor unterrepräsentiert. Dies liege nicht an mangelndem Interesse seitens der Eltern, sondern an der unzureichenden Anzahl an Betreuungsplätzen. Der SVR betont die Notwendigkeit, das Betreuungsangebot in Kindertagesstätten weiter auszubauen und dabei den Betreuungsschlüssel zu verbessern.
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. teilt die Einschätzung des SVR hinsichtlich der Herausforderungen und Erfordernisse in der Migrations- und Integrationspolitik. Bereits in ihrer Position aus Juli 2023 betont die BAG KJS die Notwendigkeit einer menschenwürdigen und gerechten Flüchtlings- und Migrationspolitik. Sie unterstreicht die Bedeutung umfassender Unterstützung für geflüchtete und migrierte junge Menschen durch verlässliche, professionelle sozialpädagogische Angebote und rechtliche Beratung, um die Chancengerechtigkeit und Partizipation in allen Lebensbereichen zu erhöhen.
Die BAG KJS fordert, dass alle jungen Menschen unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus Zugang zu Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitsförderung erhalten sollen. Besonders betont wird die Notwendigkeit, bürokratische Hürden abzubauen und die Prozesse zu beschleunigen, um den Zugang zu Kita-Plätzen und Schulangeboten zu erleichtern. Diese Forderungen ergänzen die Empfehlungen des SVR, die ebenfalls auf eine verbesserte Bildungsintegration abzielen.
Zukunft der Migrationspolitik: Integration und gesellschaftliche Teilhabe müssen gelingen
Das Jahresgutachten des SVR zeigt, dass wichtige Fortschritte erzielt wurden, während zahlreiche Herausforderungen weiter bestehen blieben, insbesondere im Bereich der Integration. Die Perspektive der BAG KJS unterstreicht die Notwendigkeit einer menschenwürdigen und gerechten Migrationspolitik, die junge Menschen unterstützt und fördert. Es liegt nun an der Politik, diese Empfehlungen aufzugreifen und umzusetzen, um die Integration zu fördern und die gesellschaftliche Akzeptanz von Migration weiter zu stärken.
Die BAG KJS hebt in ihrer anwaltschaftlichen Vertretung für die Anliegen junger Menschen die große Bedeutung einer positiven gesellschaftlichen Einstellung gegenüber Migrant*innen und Geflüchteten hervor. Sie betont, dass jeder Mensch, unabhängig von Herkunft, Status oder Religion, Anspruch auf einen würdevollen Platz in der Gesellschaft hat. Diese Grundannahme ist aus Sicht der BAG KJS zentral für eine solidarische und gerechte Migrationspolitik, die nicht nur rechtliche und strukturelle Barrieren abbaut, sondern auch die gesellschaftliche Integration fördert.
Quelle: Sachverständigenrat für Integration und Migration; BAG KJS; epd