Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat Eckpunkte vorgelegt für ein Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher.
Viele Kommunen haben ihre Grenze erreicht
Im Jahr 2013 wurden 6.583 unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMA) von den Jugendämtern in Obhut genommen. Das sind 133% mehr als 2010. Ende des Jahres 2014 befanden sich rund 7.500 UMA in Obhut der Jugendämter. Circa 10.500 junge Menschen wurden in Anschlusshilfen betreut; insgesamt befanden sich 18.000 UMA in Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe. In der Kommune, in der die Einreise festgestellt wird, ist das Jugendamt verpflichtet, die jungen Menschen in Obhut zu nehmen. Einige Kommunen sind durch die notwendigen Schutzmaßnahmen überlastet; sie stoßen an Kapazitätsgrenzen, oder diese sind bereits Überschritten, sodass eine dem Kindeswohl entsprechende Unterbringung, Versorgung und Betreuung erheblich erschwert oder nicht mehr möglich ist. Ein neues Gesetz soll Abhilfe schaffen und eine Umverteilung der jungen Menschen auf weniger vom Flüchtlingsstrom betroffene Kommunen ermöglichen. Die kommunale Belastung soll gerechter verteilt werden. Außerdem soll das neue Gesetz klarstellen, dass ausländische Kinder und Jugendliche unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe erhalten können.
Rahmendaten zum Verfahren der Umverteilung der UMA
- (…)Das BMFSFJ erklärt, dass das neue Gesetz vorsehe, in jedem Bundesland eine landesinterne Umverteilungsstelle einzurichten. Dort würde dann unter Berücksichtigung des Kindeswohls über eine Verteilung nach dem Königsteiner Schlüssel entschieden. Diese Landesstellen regeln die Verteilung auf die Kommunen. Ohne gesonderte Regelung über das Landesrecht geht diese Aufgabe an die Landesjugendämter.
- Zur Umsetzung einer bundesweiten Verteilung wird der Bund bei einer Bundesbehörde eine zentrale Stelle zur Verteilung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen einrichten. Die Bundesbehörde legt das aufnehmende Bundesland fest. Die Verteilung nach einer Quote auf der Grundlage des Königsteiner Schlüssels beinhaltet eine Übergangsphase mit Pflicht zur stufenweisen Erhöhung der Aufnahmequoten. Die Aufnahmerichtlinien des BMI bleiben ausschlaggebend.
- Die Länder sollten im besten Fall Kompetenzzentren bilden bzw. vorhandene ausbauen, „um den Bedarfen der jungen Menschen fachlich und strukturell qualifiziert gerecht werden zu können“, so das BMFSFJ. Selbstverständlich müsse es eine Übergangsphase zum Ausbau der notwendigen Strukturen geben. Voraussetzung für eine Übernahme von zu verteilenden Jugendlichen sei, „dass das aufnehmende Jugendamt geeignet sei“, dafür wäre in jedem Bundesland „die Eignung der Zuweisungsjugendämter zu formulieren“. Das Verfahren muss nicht genutzt werden, wenn die betroffenen Jugendämter andere Wege finden (flächendeckende Verteilung). Der Gesetzgeber wolle lediglich eine Möglichkeit zur Verteilung verankern. Damit haben die Länder die rechtliche Gestaltungsaufgabe festzulegen, ob sie Schwerpunktjugendämter bilden oder ob sie junge Menschen mit dramatischen Fluchterfahrungen auf alle Landkreise nach einem mathematischen Zuweisungsverfahren verteilen.
- Nach dem neuen Gesetz soll die Definition der vollen Handlungsfähigkeit von jungen unbegleiteten Flüchtlingen vom 16. auf das 18. Lebensjahr heraufgesetzt werden und der Aufenthaltsstatus der Betroffenen besser gesichert werden soll, so dass sie z.B. zeitnah eine Ausbildung beginnen und diese auch beenden sowie von Anfang an Jugendhilfeleistungen in Anspruch nehmen können.
Ablauf des Verfahrens und Änderungen des SGB VIII
- Die bundesweite Verteilung soll durch die Bundesstelle erfolgen, an die eine Landesstelle den entsprechenden Bedarf meldet. Dafür erfolgt vor der Umverteilung eine vorläufige Inobhutnahme (neu SBG VIII § 42a). Diese sogenannte „vorläufige Inobhutnahme“ soll maximal 7 Tage dauern. Hier sind dann lediglich – neben den jugendhilferechtlichen Pflichtaufgaben der Jugendämter – eine Prüfung der Minderjährigkeit und ein Gesundheitscheck vorgesehen.
- Die maximale Frist bis zur Fallübernahme durch das Zuweisungsjugendamt soll 14 Tage betragen.
- Erst am Ort der Zuweisung soll dann ein Vormund bestellt werden. Hier erfolgt die „endgültige“ Inobhutnahme, das Clearing, die Anschlusshilfe.
- Die Jugendlichen sollen im Falle der Verteilung durch eine geeignete Person an den Zielort begleitet werden, wo dann eine Übergabe vom übergebenden zum übernehmenden Jugendamt erfolgt. Voraussetzung für alle Verfahrensschritte sind die Vorgaben des Jugendhilferechts.
- Am bewährten Clearingverfahren würde festgehalten. Im Falle einer Verteilung würde dieses Verfahren jedoch zweigeteilt in ein schnelles Screening am Einreise- und ein qualifiziertes Clearing am Zuweisungsort. Damit solle gewährleistet werden, dass für die Entscheidung über den Ort der Zuweisung zumindest die Frage nach verwandtschaftlichen Präferenzen geklärt sei.
- Nur wenn das Verfahren länger als 2 Monate dauert, werden die jungen Menschen nicht mehr verteilt.
- Auch Gründe, die den Kindeswohlaspekt berühren, sollen berücksichtigt werden. Dies beinhalte neben konkreten psychischen und physischen Gefährdungslagen auch die bereits erfolgte Zuordnung der Jugendlichen zu Peergroups, mitreisende Geschwisterkinder und Verwandte.
- Schließlich soll in § 89d SGB VIII der Kostenausgleich transparent und nachvollziehbar neu geregelt werden.
Das Gesetz soll vor der Sommerpause verabschiedet werden. Voraussichtlich im Oktober 2015 tritt es in Kraft. Vorgesehen ist eine dreimonatige Übergangsfrist, sodass die neuen Regelungen ab 2016 greifen (müssten).
Quelle: BMFSFJ; Internationale Gesellschaft für erzieherische Hilfen