Die künftige Regelung des Familiennachzugs zu subsidiär schutzberechtigten Ausländern in Deutschland sorgt unter Sachverständigen für Kontroversen. Dies wurde bei einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat zu je einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung sowie der FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke deutlich.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, den derzeit ausgesetzten Nachzug ausländischer Mitglieder der Kernfamilie – Ehepartner, Eltern minderjähriger Kinder und ledige minderjährige Kinder – zu subsidiär, also eingeschränkt Schutzberechtigten aus humanitären Gründen ab Anfang August dieses Jahres für 1.000 Personen pro Monat zu gewähren. Mit dem Gesetzentwurf wird geregelt, unter welchen Voraussetzungen ab August Angehörige der Kernfamilie zu subsidiär Schutzberechtigten nach Deutschland nachziehen können. Der Innenausschuss des Bundestags hat, trotz Kritik der Sachverständigen, den Weg für den Gesetzentwurf freigemacht. Am Freitag wurde er im Bundestag abschließend beraten. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit (BAG EJSA) lehnt den Gesetzentwurf ab. Gemeinsam mit der Diakonie Deutschland vermisst die BAG EJSA klare Kriterien und konkrete Angaben, wie humanitäre Gründe – Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit – und Integrationsaspekte bewertet und gewichtete werden. Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) kritisiert den vorliegenden Gesetzentwurf zur Neuregelung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte scharf. „Das Grundrecht auf Schutz der Familie gilt für alle – auch für Menschen mit subsidiärem Schutzstatus“, erklärt BDKJ-Bundesvorsitzende Lisi Maier. „Unter einer Einschränkung dieses Grundrechts leiden vor allem Kinder, Jugendliche und Frauen, die weiterhin Hunger und Elend in ihren Herkunftsländern oder großen Auffanglagern an den europäischen Außengrenzen ausgesetzt sind“, so Maier weiter.
„Großes menschliches Leid“ – Eindrücke aus der Anhörung
In der Anhörung verwies Nele Allenberg, Leiterin des Willkommenszentrums Berlin beim Beauftragten des Berliner Senats für Integration und Migration, darauf, dass die Aussetzung des Familiennachzugs für die Betroffenen „großes menschliches Leid“ bedeute und es ihnen nur eingeschränkt möglich sei, Integrationsangebote wahrzunehmen.
Roland Bank von der Vertretung des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Deutschland warb dafür, das Kontingent von monatlich 1.000 Personen auch tatsächlich auszuschöpfen. Dazu sollten die Kriterien für die Bestimmung des Kontingents deutlich vereinfacht werden. Sie müssten transparent für jeden Monat regeln, wer zu dem Kontingent gehöre. Der UNHCR schlage daher vor, einfache und verwaltungstechnisch gut handhabbare Kriterien zu bestimmen. Dafür sollten „in einer ersten Gruppe Familien mit minderjährigen Kindern berücksichtigt werden und die nach der Wartezeit anhand der Asylantragstellung erfasst werden“.
Bellinda Bartolucci vom Förderverein Pro Asyl kritisierte, die Abschaffung des Anspruchs auf Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigten sei menschlich und rechtlich nicht haltbar. Auch das geplante Kontingent könne keinen Anspruch ersetzen und werde in der Praxis zu „unerträglichen Unsicherheiten führen“. Für die Betroffenen werde nicht mehr erkennbar sein, ob und wann über ihren Antrag auf Familienzusammenführung entschieden wird.
Professor Marcel Kau von der Universität Konstanz wertete alle drei Gesetzentwürfe als gleichermaßen vereinbar mit dem Völker- und Europarecht. „Ein bisschen Sorge“ bereite ihm die im Regierungsentwurf vorgesehenen Entscheidungskriterien. Es sei nicht erkennbar, welche Kriterien entscheidend seien. Dies sei „periodisch überprüfungsbedürftig“. Auch werde man am 1. August kaum in der Lage sein, die Neuregelung „sofort funktionsfähig anlaufen zu lassen“.
Beschluss trotz kritischer Stimmen
Gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen billigte der Innenausschuss die Regierungsvorlage. Diese sieht vor, den derzeit ausgesetzten Nachzug ausländischer Mitglieder der Kernfamilie -Ehepartner, Eltern minderjähriger Kinder und ledige minderjährige Kinder – zu subsidiär, also eingeschränkt Schutzberechtigten, aus humanitären Gründen ab Anfang August dieses Jahres für 1.000 Personen pro Monat zu gewähren.
Der Bundesrat dringt unterdessen auf Änderungen beim Gesetzentwurf der Bundesregierung. In seiner als Unterrichtung vorliegenden Stellungnahme zu dem Regierungsentwurf bittet der Bundesrat, „im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie die Voraussetzungen und das Verfahren für den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten insgesamt noch klarer und rechtssicherer geregelt werden können“. Ferner plädiert der Bundesrat unter anderem dafür, in das Gesetz eine Regelung zur Evaluierung aufzunehmen.
Die abschließende Behandlung des Regierungsentwurfs erfolgte am Freitag (15. Juni 2018) im Bundestag
Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestages; BAG EJSA; BDKJ