Kein eigenständiges Jugendprogramm mehr – EU-Kommission hat Entwurf für ein künftiges Bildungsprogramm vorgelegt: „Erasmus for All“

Noch im Mai 2011 hatte die Kommission das laufende Programm JUGEND IN AKTION ausdrücklich gelobt. Das Programm böte einzigartige Lerngelegenheiten und habe das Profil von Jugendarbeit und Jugendpolitik geschärft, war die Schlussfolgerung aus der Zwischenevaluation.
Davon distanziert sich die EU-Kommission mit dem Entwurf des künftigen Programms.

„Bildung und Ausbildung sind nun wichtiger denn je für Innovation, Produktivität und Wachstum, besonders im Kontext der gegenwärtigen ökonomischen und finanziellen Krise, und mit dem nach wie vor nicht ausgeschöpften Humankapital Europas. Es muss mehr unternommen werden, um sicherzustellen, dass Bildungs- und Ausbildungssysteme dasjenige Wissen und die Fertigkeiten fördern, die ein globalisierter Arbeitsmarkt erfordert.“ Mit diesen Worten leitet die Kommission heute ihre Mitteilung „Erasmus for All. Das EU-Programm für Bildung, Ausbildung, Jugend und Sport“ ein.

Geht es nach den Plänen der Kommission, wird ab 2014 ein einziges Programm alle vier Bereiche unter drei große Aktionslinien fassen: ## 1 – Lernmobilität (66% des geplanten Budgets),
## 2 – Kooperation (26%)
## 3 – Politische Reformen (5%).
Dabei sollen wiederum vier Aktivitätsklassen in der großen Aktion 1 – „Lernmobilität“ – gefördert werden: ## 1. Mobilität der Multiplikatoren, insbesondere Lehrkräfte, Ausbilder, Schulleitungen und Akteure der Jugendarbeit,
## 2. Mobilität für Hochschul-Studierende und Menschen in der Beruflichen Bildung,
## 3. „Erasmus Master“, eine Förderung der Mobilität von Master-Studierenden,
## 4. Jugendmobilität (Jugendbegegnungen und Freiwilligendienst).
Der von der Kommission geplante Umfang sieht ein Budget von 19 Mrd. Euro für die Laufzeit bis Ende 2020 vor. Scheinbar wird das Engagement der Europäischen Union wird so wieder auf ihren historischen Ausgangspunkt gestellt: Die EU als Markt und die Bildung zum Zwecke der Beschäftigungsfähigkeit.

Schlagworte, die jahrelang die jugendpolitische Diskussion in der EU bestimmten – europäische Bürgerschaft, Partizipation, Anerkennung nicht formalen Lernens, Demokratie gestalten, Förderung benachteiligter Jugendlicher, zielgruppenspezifischer Zugang –findet man nur vereinzelt als Randbemerkungen ohne substanzielle Anbindung an die skizzierten neuen Programmstrukturen und -inhalte. Der Strukturierte Dialog oder das Jugendforum kommen nur als Agendapunkte der Aktion 3 – „Politische Reformen“ – vor.

Den neuen Programmnamen „Erasmus for All“ begründet die Kommission damit, dass „Erasmus“ im Moment das bekannteste Programm sei – eine eingeführte Markte also. „Higher Education“ ist in der Tat der favorisierte Schauplatz des Programms, dessen Budget zu 25% der Hochschulbildung zugeteilt werden soll, zu 17% der Beruflichen Bildung (davon 2% der Erwachsenenbildung), zu 7% der Schulbildung und zu 7% den Jugendaktivitäten. Geplant ist eine Budgeterhöhung für den Bereich „Jugendmobilität“ um 25-40% im Vergleich zum laufenden Programm.

Mit einer Realisierung des Programmvorschlags träte ein, was schon die Bundesregierung in ihrem Non-Paper am 5. September 2011 und auch der Bundesrat befürchtete. Verloren ginge ein Programm mit einem besonderen Zuschnitt für die Bedürfnisse von Jugendlichen, Jugendorganisationen und Jugendarbeit, und mit einer nachgewiesenen hohen Wirksamkeit. Die EU-Jugendstrategie verlöre mit dem Jugendprogramm ein spezifisches Instrumente für ihre Umsetzung. Auch die Frage der künftigen ministeriellen Zuständigkeit steht im Raum.

Voraussichtlich Ende November wird sich der EU-Rat für Bildung, Jugend, Kultur und Sport erstmals mit dem Vorschlag der Kommission befassen und ihn zumindestens offiziell zur Kenntnis nehmen. Letztendlich kann das Programm nur beschlossen werden, wenn sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat der EU seine Zustimmung erteilen.

http://www.jugendpolitikineuropa.de/beitrag/unvereinbar-erasmus-fuer-alle.8166/

Quelle: jugendpolititk.de

Dokumente: Erasmus_fuer_Alle_Vorschlag_KOM_legal_de.pdf

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