„Angespannte Mitte“ betitelt die Friedrich Ebert Stiftung (FES) ihre aktuelle Mitte-Studie aus dem Jahr 2025 und skizziert: Die Mehrheit der Bevölkerung steht weiter positiv zur Demokratie, die Zweifel und rechtsextremen Einstellungen wachsen jedoch. Autorität als Mittel gegen Unsicherheit gewinnt an Einfluss, der Kompromiss als zentrales demokratisches Mittel wird in Frage gestellt. Zudem sind völkisch-nationalistische Ansichten unwidersprochen „sagbar“ und Teil der medialen wie öffentlichen Debatten.
Die Autor*innen der Studie arbeiten die Stimmung der gesellschaftlichen Mitte heraus. Zugleich mahnen sie, die Entwicklungen ernst zu nehmen und Maßnahmen zu ergreifen, dass die Mitte nicht in völkischen Nationalismus und Rechtsextremismus kippt. Herausgeberin Franziska Schröter, zugleich Verantwortliche für das Projekt gegen Rechtsextremismus bei der FES, schreibt in ihrem Beitrag: „Die leitende Frage ist dabei, wo die Grenze verläuft zwischen Vorurteilen (die wir alle in uns tragen), offener Menschenfeindlichkeit (z. B. Rassismus oder Antisemitismus), zwischen legitimer Kritik am Funktionieren der Demokratie und gefährlicher Delegitimierung bis hin zu hartem Rechtsextremismus, der beides in sich vereint – den Hass auf das demokratische System und den Hass auf Menschen“.
Die Mitte verliert an Distanz zum rechten Rand
In den extremen Positionen messen die Forschenden wenig wachsenden Zuspruch. Sorgen bereitet die deutlich steigende Zahl derjenigen, die „teils/teils“ den extremen Positionen zustimmen. Die Mitte verliert zum völkisch-nationalistischen und rechtsextremen Gedankengut an Distanz. Hinzu kommt sinkendes Vertrauen in die demokratischen Institutionen und die Lösungskompetenz der demokratischen Parteien – insbesondere derjenigen, die populistisch agitieren und agieren.
„In den letzten beiden Jahren haben sich politische Kräfte, analog wie digital, rasant in den Vordergrund gedrängt und Kommunikationsräume besetzt. Sie nutzen Krisen, Konflikte und Kriege für offensichtliche oder kaum erkennbare rechtsextreme Kampagnen. Bedrohungs- und Gefahrenbilder wie völkische Heilsbilder finden in der Mitte Anklang“, schreibt Andreas Zick, der zu den zentralen Autor*innen der Studie gehört. Es sei erstaunlich, wie erfolgreich der Rechtspopulismus und Rechtsextremismus Untergangsszenarien und Wissenschaftsfeindlichkeit schüren könne, um Anhänger*innen zu gewinnen, konstatiert Zick.
Autoritärer Populismus wird stärker
Wachsende Unsicherheit macht den autoritären Populismus stark. Umso gefährlicher ist das Spiel mit diesem Populismus aus der demokratischen Mitte heraus: Im Herbst 2025 prägen Aussagen von Kanzler Friedrich Merz zum Stadtbild, von CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn zu Trumps Politik sowie von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zum Bürgergeld, Klimawandel und zur Migration die Debatten. Debatten über gendergerechte Sprache und Wokeness verschieben die Aufmerksamkeit von echten hin zu symbolischen (Kultur-)Kämpfen. Sie ermöglich den Populist*innen und Rechtsextremen, sich als „normale Leute“, „Stimme des Volkes“ oder die einzigen mit „gesundem Menschenverstand“ darzustellen.
Disziplin und Gehorsam als Lösung
Mit Blick auf junge Menschen kommt das Verblassen der Erinnerung an den Nationalsozialismus hinzu. Eine wachsende Zahl junger Menschen scheint für Angebote von Rechtspopulist*innen und -extremist*innen deutlich empfänglicher zu sein. In diesem Kontext sind in rechten Bildungsvorstellungen verankertes Autoritätsdenken mit Disziplin und Gehorsam gefährlich, zumal dieses Denken laut Mitte-Studie eine äußerst breite Zustimmung erfährt. Es seien gerade mit Blick auf die Schulpolitik Minderheiten, die teilweise laut und deutlich, teilweise subtil versuchten, ihr Bildungs- und Schulmodell ideologisch durchzusetzen. Damit versuchten sie, das demokratische Schulsystem zu kippen, analysiert Table-Media in einem Beitrag zur Studie. Die Zustimmung zu Autoritätsdenken gehe der Studie zufolge möglicherweise auf in der Öffentlichkeit wahrgenommene Probleme wie Gewalt, Störungen und entsprechende Überforderung von Schulen gerade in schwierigen sozialen Lagen zurück.
Demokratiebildung als Aufgabe der Jugendsozialarbeit
Für das Handeln der Jugendsozialarbeit bedeutet die Erkenntnis der Mitte-Studie, die Demokratiebildung an allen Orten zu stärken, an denen Jugendsozialarbeit aktiv ist. Werte und Haltungen der Fachkräfte können als Orientierung angeboten werden – ohne junge Menschen zu drängen. Zugleich ist eine eindeutige Position gegen jede Form von Rechtsextremismus notwendig, wie sie sowohl die Bischofskonferenz als auch die katholischen Laien im Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) oder katholische Verbände formulieren. Programme wie Respekt Coaches arbeiten mit jungen Menschen an Schulen, die Erfahrungen und Erkenntnisse solcher Programme haben zugleich großen Wert für die Praxis der Demokratiebildung in der Jugendsozialarbeit in all ihren Arbeitsfeldern.
Kolping fasst AfD-Unvereinbarkeitsbeschluss
Das Kolpingwerk Deutschland, Mitglied in der BAG KJS, hat auf seiner Bundesversammlung Anfang November 2025 in Köln beschlossen, dass eine Mitgliedschaft in der AfD künftig unvereinbar mit einer Zugehörigkeit zum Verband ist. Eine entsprechende Satzungsänderung ermöglicht künftig den Ausschluss von Mitgliedern, die in Wort oder Tat Positionen vertreten, die den Grundsätzen und dem Leitbild von Kolping widersprechen.
Der Verband begründet diese Entscheidung wie folgt: „Wer Mitglied in der AfD ist, kann nicht zugleich Mitglied bei Kolping Deutschland oder einer seiner Gliederungen bleiben. Kolping unterstreicht damit sein Selbstverständnis als demokratisch verfasster katholischer Sozialverband, der sich zu den Werten des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland bekennt und für Demokratie, Vielfalt und Menschenwürde einsetzt – in Deutschland und weltweit.“
Text: Michael Scholl



