Das im Bundestag beschlossene Gewalthilfegesetz bietet aus Sicht von IN VIA Deutschland eine Chance, mehr Mittel in Aufklärung und Prävention gegen Genitalverstümmelung zu investieren. In Deutschland lebenden Mädchen droht auf Reisen in ihre Herkunftsländer, dass der traumatisierende Eingriff dort durchgeführt wird. Zum Internationalen Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung im Februar fordert IN VIA mehr Unterstützung für betroffene und bedrohte Mädchen und Frauen, um die schwere Menschenrechtsverletzung zu beenden.
Mehr als 230 Millionen Mädchen und Frauen sind nach Schätzungen von UNICEF weltweit von der Verstümmelung und Beschneidung ihrer Genitalien (Female Genital Mutilation/Cutting, kurz: FGM_C) betroffen. In Deutschland leben nach Schätzung von Terre des Femmes bis zu 104.000 Betroffene. Zudem gelten bis zu 17.000 Mädchen in Deutschland als gefährdet. Überlebende von FGM_C kämpfen tagtäglich mit gravierenden Folgen für ihre Gesundheit und Psyche.
Investitionen in Beratungsstellen
Bundesweit gebe es zu wenig spezialisierte Beratungsstellen. IN VIA fordert deshalb, diese unter anderem auf Grundlage des Gewalthilfegesetzes flächendeckend auszubauen. Zudem bedürfe es mehr Investitionen in die Ausbildung von Sprachmittler*innen, in Fortbildungsangebote für pädagogische und medizinische Fachkräfte sowie in die Förderung von Netzwerkarbeit zur Prävention.
Selbst wenn in Deutschland lebende Eltern die Verstümmelung ablehnen, können sie ihre Töchter nicht immer davor bewahren, weil in der sozialen Gemeinschaft immenser Druck vorherrschen kann. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hatte 2021 einen Schutzbrief gegen weibliche Genitalverstümmelung herausgegeben, den Familien auf Reisen mitnehmen können. Der in 16 Sprachen verfügbare Schutzbrief informiert über die Strafbarkeit in Deutschland: Eltern droht eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren, wenn sie selbst eine Genitalverstümmelung an ihrem Kind durchführen oder eine andere Person nicht daran hindern – auch wenn die Tat im Ausland geschieht.
Sensibilisierung und Qualifizierung der Fachkräfte
In der Praxis zeige sich, dass Frauen damit ihre Familienangehörigen in der Heimat über die Rechtslage in Deutschland informieren, berichtet IN VIA. Entscheidend für die Prävention sei ein partizipativer Ansatz in der Community-Arbeit sowie das Empowerment von Frauen. Darüber hinaus brauche es dringend eine Sensibilisierung für das Thema bei allen Berufsgruppen, die mit betroffenen und bedrohten Mädchen und Frauen arbeiten. Unterstützung bietet konkret die Fachberatungsstelle FGM_C von IN VIA Würzburg.
Autor: Michael Scholl