Coronakrise: WIE GEHT ES EIGENTLICH DEN JUGENDLICHEN…im Projekt „KombiPlus“?

Der Lockdown ist noch lange nicht komplett aufgehoben, Angebote der Sozialen Arbeit sind immer noch weit davon entfernt wieder normal arbeiten zu können. Die finanzielle Absicherung von Trägern, Personal und Maßnahmen bestimmen weitestgehend die Debatte um die Auswirkungen des Lockdowns. Ergänzend dazu richten die “Jugendsozialarbeit News” in den nächsten Wochen den Blick auf die Jugendlichen in der Jugendsozialarbeit. Wir fragen “WIE GEHT ES EIGENTLICH DEN JUGENDLICHEN…” und geben der Berichterstattung zur Coronakrise damit eine neue Ausrichtung. Heute antworten Lea Uffelmann und Hanna Rau auf unsere Frage. Die beiden Sozialpädagoginnen arbeiten in der Maßnahme „KombiPlus“ für junge Menschen unter 25 Jahren, die im Arbeitslosengeld II-Bezug sind. Die Uffelmann und Rau begleiten und unterstützen bei IN VIA Freiburg 42 junge Menschen auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive. Derzeit nur aus der Ferne.

Welche jungen Menschen sprechen Sie mit Ihrer Maßnahme Kombiplus an?

Hanna Rau: Sie sind sehr unterschiedlich, die meisten Anfang zwanzig. Sie bringen vielfältige und sehr unterschiedliche Problemlagen mit. Psychische Beeinträchtigungen, Schulden, Suchtprobleme – die Themen sind breit gefächert. Alle sind im Arbeitslosengeld II-Bezug und auf der Suche nach einer Ausbildungs- oder Arbeitsstelle.

Wie geht es den jungen Menschen jetzt, wo sie nicht zu Ihnen kommen können?

Hanna Rau: Auch das ist sehr unterschiedlich. Manche leben alleine und sind einsam, andere leben noch bei ihrer Herkunftsfamilie und sind relativ gut in den Alltag eingebunden.

Lea Uffelmann: Vielen von unseren Teilnehmenden fehlt aber der geregelte Ablauf und eine Tagesstruktur. Ein junger Mann mit Depressionen, der in einer betreuten Wohngemeinschaft lebt, hatte sich bei uns gerade wieder gefangen. Auch, weil er hier einen strukturierten Tagesablauf erlebt: morgens aufstehen, zu uns kommen, lernen, sich mit Berufen auseinander setzen, Bewerbungen schreiben, sich um Behörden kümmern. Seit Mitte März, als wir die Jugendlichen nach Hause schicken mussten, ist er wieder in ein Loch gefallen.

Wie unterstützen Sie den jungen Mann aktuell?

Lea Uffelmann: Wir telefonieren sehr regelmäßig. Ich versuche ihn dabei zu unterstützen, Dinge zu tun, damit es ihm besser geht. Ich mache ihm z.B. Vorschläge, wie er seinen Alltag selber strukturieren könnte, z.B. durch Tages- und Wochenpläne, aber es ist schwer für ihn, sich aufzuraffen. Es wäre auch wichtig für ihn, einmal täglich nach draußen zu gehen, das wirkt ja auch den Depressionen entgegen. Ich habe ihn zu uns eingeladen und auf Distanz durch das offene Fenster mit ihm gesprochen. Das war gut, ihm wieder im direkten Kontakt zu begegnen, und ich werde dies beibehalten.

Hanna Rau: Vom direkten Kontakt lebt ja unsere Arbeit! Es geht darum, zu jedem und jeder Jugendlichen eine Beziehung aufzubauen und auf dieser Basis neue Lebensperspektiven und Berufswege zu planen. Für unsere Kommunikation mit den jungen Menschen spielt die Mimik und Körpersprache eine große Rolle, nur über das Telefon kommt das einfach zu kurz.

Lea Uffelmann: Besonders schwierig ist es momentan, wenn neue Teilnehmer*innen zu uns kommen, wie soll ich die kennen lernen? Tiefer liegende Probleme können wir nur mit den Jugendlichen bearbeiten, wenn wir eine Beziehung zu ihnen aufgebaut haben. Das ist unsere Arbeitsgrundlage und die ist zur Zeit massiv erschwert.

Welche Alternativen der Unterstützung gibt es zum persönlichen Kontakt?

Hanna Rau: Wir sind gerade dabei, eine Kommunikationsplattform aufzubauen, die gute Möglichkeiten für Videochats, gemeinsame Dokumentenbearbeitung etc. bietet. Ansatzweise klappt das schon gut, aber das größte Problem dabei ist: einige unserer Teilnehmenden haben keinen W-LAN Zugang. Zudem fehlen ihnen Endgeräte. Smartphone ist meistens vorhanden, Laptop hingegen nicht. Wir haben hierfür bei einer Stiftung Spendenmittel beantragt und hoffen sehr, dass wir Erfolg haben werden und dann einige Jugendliche ausstatten können.

Lea Uffermann: Die Jugendlichen bekommen aktuell von uns Aufgabenpakete, die sie innerhalb einer Woche bearbeiten sollen. Darin geht es um ihre berufliche Zukunft, z.B. wie ihre Berufswünsche mit ihren Stärken in Einklang stehen. Aber auch um Fragen der Psychohygiene in Zeiten von Corona: Wir schaffe ich mir eine Tagesstruktur? Was tut mir gut?

Hanna Rau: Manche schaffen es, selbständig daran zu arbeiten, andere tun sich schwer. Oft fragen sie aber auch nicht von sich aus nach, wenn sie etwas nicht verstehen. Da sind wir gefordert, dran zu bleiben und nachzuhaken. Viele der Jugendlichen sind durch jahrelange Misserfolge in Schule und Arbeitswelt geprägt und einfach frustriert.

Wie sind momentan die beruflichen Aussichten Ihrer Teilnehmer*innen?

Lea Uffelmann: Ein 20-jähriger Teilnehmer wird demnächst Vater. Er hat großen Druck, Arbeit zu finden, um seine Familie versorgen zu können. Er möchte gerne im Einzelhandel arbeiten, hat aber keine Ausbildung. Auf seine Bewerbungen erhält er aktuell nur Absagen.

Hanna Rau: In diesen Krisenzeiten stellen die Betriebe nicht neu ein. Hoffentlich ändert sich das bald. Das wünschen wir uns und vor allen Dingen den Jugendlichen sehr!

Vielen Dank für das Gespräch! Das Interview führte Elise Bohlen von IN VIA Deutschland.

Quelle: IN VIA Freiburg – BAG KJS

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