Auszüge aus der Stellungnahme des BJK:
“ (…) Einmal Flüchtling, immer Flüchtling? Forderung der Integration
Junge Flüchtlinge stehen am Anfang ihrer biografischen Entwicklung und benötigen die bestmögliche Unterstützung, um ihr Leben jetzt und in Zukunft zu gestalten. Die Zuwanderung von Flüchtlingen verschärft längst bestehende Fragen der Integrationspolitik und notwendiger interkultureller Kompetenzen in allen gesellschaftlichen Bereichen und deutet damit auf langfristige Versäumnisse der Migrations-, Flüchtlings- und Integrationspolitik hin. Damit wird der Bedarf der langfristigen Etablierung von Strukturen, die eine Integration von allen Zugewanderten im Rahmen von Flucht oder auch anderen Formen von Migration ermöglichen, offensichtlich.
Für junge Menschen gelten dabei das Primat der UN-Kinderrechtskonvention sowie die Grundsätze der Kinder- und Jugendhilfe. Die deutsche Gesellschaft ist gefordert, von Anfang an Möglichkeiten der Integration und Teilhabe in den folgenden Bereichen bereitzustellen und zu fördern. Dazu bedarf es auch des dauerhaften Einsatzes von Sprachmittler/innen, um die Teilhabe und Information von Anfang an sicherzustellen.
## Ausserschulische Angebote, Spiel und Freizeit – (…) Minderjährige Flüchtlinge sind in erster Linie Kinder und Jugendliche. Ihnen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote (der Jugendarbeit) zur Verfügung zu stellen. (…) Junge Geflüchtete haben ein Recht auf einen Zugang zu außerschulischen Bildungsangeboten, damit sie Gemeinschaft erfahren, ihnen Freiräume ermöglicht werden und sie sich entfalten können. Außerschulische Bildungs- und Beteiligungsangebote insbesondere der Kinder- und Jugendarbeit können eine Brücke für den gelingenden Erwerb von Alltagskompetenzen in der deutschen Gesellschaft sein und sind eine weitere wichtige Gelegenheit zum Erwerb der deutschen Sprache. (…) Damit junge Geflüchtete ihr Recht auf einen Zugang zu außerschulischen Bildungsangeboten wahrnehmen können, muss der gleichberechtigte Zugang zu Freizeitangeboten und außerschulischen Bildungsangeboten gewährleistet werden. Dazu gehören Sport, Spiel, Geselligkeit und Erholung ebenso wie außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher und technischer Bildung. Hierzu gehört außerdem der Zugang zu digitalen Medien, die für hier lebende junge Menschen Teil des Alltags sind.
## Kinderschutz und frühe Hilfen – (…)
## Medizinische Versorgung und therapeutische Hilfen – (…)
## Hilfen zur Erziehung – (…)
## Berufsqualifikationen und Arbeitsmarkt – Die langfristige Perspektive von Flüchtlingen in Deutschland muss die eigenständige Existenzsicherung und Teilhabe am Arbeitsmarkt beinhalten. Es ist unerlässlich, dass junge Flüchtlinge schnell einen Zugang zu Berufsausbildung und Studium erhalten. Die aktuellen Gesetzesänderungen enthalten Verbesserungen für den Ausbildungs- und Arbeitsbeginn: Personen mit einer Aufenthaltsgestattung können bereits nach drei Monaten ohne Zustimmung der Zentralen Arbeitsvermittlung eine betriebliche Ausbildung beginnen, für eine schulische Ausbildung ist keinerlei Zustimmung erforderlich. Jugendliche mit einer Duldung können ohne Wartezeit und Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ihre betriebliche und schulische Ausbildung beginnen. Jugendliche Geflüchtete mit ungesichertem Aufenthaltsstatus sollten ebenso einbezogen werden. (…) Für junge Flüchtlinge ist der rechtssichere Aufenthalt während der gesamten Ausbildungsdauer und nach Abschluss der Ausbildung unabdingbar. Dies liegt auch im Interesse der Ausbildungsbetriebe. Darüber hinaus müssen den jungen Geflüchteten alle ausbildungsfördernden Leistungen zur Verfügung stehen. Da die Bildungs- und Berufsausbildungsbiografien der jungen Menschen durch Flucht und Krisen im Herkunftsland häufig von Unterbrechungen geprägt sind, ist es notwendig, die Altersgrenzen beim Zugang zu geförderten Ausbildungsangeboten zu flexibilisieren. Im Vordergrund der Förderentscheidung sollte die Bildungs- und Ausbildungsbereitschaft der Jugendlichen und jungen Erwachsenen stehen, die sich langfristig auszahlt. Entsprechend gilt es, Ausnahmetatbestände und eine entsprechende Harmonisierung der Rechtskreise zu schaffen. (…) Nicht aus dem Blick geraten dürfen auch diejenigen jungen Menschen, die aufgrund der Bedingungen in ihrem Herkunftsland keine Grundbildung oder Alphabetisierung mitbringen, oder diejenigen jungen Menschen, die aufgrund von Verletzungen und Traumatisierungen nicht unmittelbar in der Lage sind – oder gegebenenfalls nie in der Lage sein werden – eine Ausbildung oder einen Beruf im Regelsystem zu ergreifen. Es darf bei aller Begeisterung für die hohen Bildungsaspirationen der meisten Flüchtlinge nicht dazu kommen, dass diejenigen, die mehr Hilfe benötigen oder lebenslang auf Unterstützung angewiesen sind, außen vor bleiben. (…)
Die ansteigenden Zahlen von geflüchteten Menschen bringen Anforderungen an die Bereithaltung von Infrastrukturen, Hilfen und Verwaltungsressourcen mit sich, die derzeit zu Belastungen auf verschiedenen Ebenen führen. Ein Beharren auf Überforderung und die vorschnelle öffentliche Androhung von Verschärfungen des Asylrechts, wie beispielsweise mit Blick auf den Familiennachzug, kommen auch bei den geflüchteten Menschen an. Unbegleitete geflüchtete Kinder und Jugendliche haben ein dringendes Bedürfnis, so schnell wie möglich ihre Familien nachzuholen. (…)
Andauernde öffentliche Ankündigungen von Änderungen und Verschärfungen führen zu Verunsicherung, die letztlich die Verschlimmerung von Belastungen und auch posttraumatischen Symptomen zur Folge haben können. Nicht zuletzt sind mit der Zuwanderung Befürchtungen der Fremdheit und teilweise auch der Ablehnung in der Aufnahmegesellschaft verbunden. Es kommt dazu, dass allgemeine gesellschaftliche Ressentiments und Ängste auf Flüchtlinge projiziert werden und zu Übergriffen, Gewalt und Brandstiftung gegenüber Flüchtlingen und ihren Unterkünften führen. Dies ist auch Folge eines öffentlichen Diskurses, der sich nicht eindeutig parteilich auf die Seite derer stellt, die Schutz suchen. (…)
Politische Herausforderungen:
Zuwanderung als nationale Aufgabe
Die gegenwärtige Situation der Zuwanderung von jungen Menschen auf der Flucht stellt für Deutschland eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar. Diese besteht aus allgemeinen flüchtlingspolitischen und flüchtlingsrechtlichen Aufgaben und aus ethischen Fragen, die sich dem Wohlfahrtssystem stellen und auch einzelnen Professionen, dabei insbesondere der Sozialen Arbeit und den pädagogischen Fachkräften. Im Einzelnen heißt dies, dass in den jeweiligen für die Existenz relevanten Bereichen dauerhafte und leistungsfähige Angebote geschaffen werden, die es den jungen Flüchtlingen und ihren Familien ermöglichen, schnell einen Anschluss an die Aufnahmegesellschaft zu finden. Für das BJK sind deshalb die folgenden Punkte unerlässlich:
## Niederschwelliger Zugang zu Leistungen der Frühen Hilfen, des Kinderschutzes und weiterer Angebote der Kinder- und Jugendhilfe für alle jungen Menschen. (…)
## Das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe, auf Freizeit, kulturelle Angebote und Spiel muss in allen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche verwirklichbar sein. Der Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften ist zeitlich so weit wie möglich zu begrenzen.
## Insgesamt sind die zivilgesellschaftlichen Akteure und Akteure der Kinder- und Jugendarbeit gefordert, Begegnungsangebote und Integrationsmöglichkeiten vorzuhalten und zu entwickeln. Dazu sollten die vorhandenen Angebote nach § 11 SGB VIII gestärkt und ausgeweitet werden. Dies betrifft – je nach Angebot – vorallem die räumlichen und die finanziellen Rahmenbedingungen, aber auch die personelle Ausstattung.
Kinder und Jugendliche, die in Deutschland Schutz vor Krisen, Krieg und Verfolgung suchen.“
Das Bundesjugendkuratorium (BJK) ist ein von der Bundesregierung eingesetztes Sachverständigengremium. Es berät die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Kinder- und Jugendhilfe und in Querschnittsfragen der Kinder- und Jugendpolitik. Dem BJK gehören bis zu 15 Sachverständige aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Wissenschaft an. Die Stellungnahme in vollem Umfang entnehmen Sie dem Anhang.
Link: www.bundesjugendkuratorium.de
Quelle: Bundesjugendkuratorium
Dokumente: BJK_Stellungnahme_2016_01.pdf