Der Berliner Neurowissenschaftler Joachim Bauer sieht soziale Ausgrenzungserfahrungen als Grund für steigende Aggressivität in der Gesellschaft. „Nur wenn wir in den Bereichen soziale Ungleichheit, Bildung und kulturelle Partizipation energischer als bisher handeln, können wir dem derzeitigen, relativ hohen Angst- und Aggressionslevel innerhalb unserer Gesellschaft das Wasser abgraben“, sagte Bauer in einem Vortrag in der Dresdner Frauenkirche. Eine politisch relevante neurowissenschaftlich Erkenntnis sei: „Wer sich im sozialen Feld einer Gesellschaft Ausdruck geben darf, wer Anerkennung und Zugehörigkeit erlebt, erlebt Freude.“ Das steigere die Lebenszufriedenheit und senke im politischen Raum feindselige Emotionen. Die Schmerzzentren des menschlichen Gehirns reagierten nicht nur auf körperliche Schädigungen, so Bauer, sondern auch auf soziale Erfahrungen wie Ausgrenzung, Demütigung und Beschämung. Das fördere Wut und Aggression oder aber Resignation und Depression. „Diese Zusammenhänge sind der Grund, warum wir nicht nur im privaten Bereich, sondern auch im politischen Raum darauf achten müssen, Menschen keine soziale Ausgrenzungserfahrungen zuzufügen“, betonte Bauer. Vieles spreche dafür, dass eine Unzufriedenheit mit der persönlichen Unvollkommenheit den Wunsch begünstige, „die gefühlte persönliche Unvollkommenheit mit politischen Größenfantasien auszugleichen und das persönliche Manko zum Beispiel mit Nationalismus zu kompensieren“. Bauer ergänzte: „Der Mensch neigt, wenn er einmal gekränkt, sozial ausgegrenzt oder erniedrigt wurde, leicht dazu, in der Rolle des Gekränkten zu verharren – auch dann, wenn die äußeren Umstände sich gebessert haben.“ Manche politische Akteure förderten eine solche Haltung. Gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei es, dieser Opfer-Haltung entgegenzutreten.
Quelle: epd; KNA