Keinen einheitlichen Standard für die Ausgaben der Kinder- und Jugendhilfe

Auszüge aus der IW-Analyse „Was kostet die Kinder- und Jugendhilfe“ von Dominik H. Enste und Marine Möller:
„(…) Die Ausgaben in den Bundesländern
Eine erste Betrachtung der Bundesländer zeigt, dass die Ausgaben der Kinder- und Jugendhilfe pro Einwohner und pro unter 18-Jährigen stark variieren. So werden in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg weit über 500 Euro pro Einwohner ausgegeben, während es in Schleswig-Holstein, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen unter 400 Euro sind. Die Varianz wird größer, wenn die Ausgaben pro Kind oder Jugendlichen betrachtet werden. Diese liegen in Berlin und Bremen pro unter 18-Jährigen bei knapp unter 4.000 Euro, in Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit rund 2.200 Euro ungefähr bei der Hälfte. Deutschlandweit betragen die Ausgaben pro Einwohner 441 Euro und pro unter 18-Jährigen 2.704 Euro. Auffallend ist, dass die Ausgaben in den Stadtstaaten am höchsten sind, was unter anderem durch eine andere Sozialstruktur innerhalb der Stadtstaaten erklärt werden könnte. (…)

Erklärungsansätze für Ausgabenunterschiede
(…) Die äußeren Bedingungn können in den einzelnen Bundesländern zwar verschieden sein, dennoch ist fraglich, ob sie derartig große Ausgabenunterschiede erklären können. Die Kinder- und Jugendhilfe ist ein Gut, das staatlich gefördert werden muss. Eine effektive Bereitstellung kann zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit beitragen. Zu bedenken ist allerdings, ob die derzeitige Ausgestaltung des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses hierfür die geeignete Marktkonstellation ist. Die Marktordnung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe mag zwar wettbewerblich ausgestaltet sein, allerdings wird der Wettbewerb dadurch abgeschwächt, dass Leistungserbringer und -gewährer teilweise in Personalunion auftreten. Es gibt keine echte Leistungsevaluation, sodass die Effizienz nicht überprüft werden kann. Seit dem Erscheinen des 12. Hauptgutachtens der Monopolkommission, in dem auf die unbefriedigende Wettbewerbssituation im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe hingewiesen wurde, hat es eine Reihe von wettbewerblichen Fortschritten gegeben. Dennoch existieren weiterhin Hindernisse, die Unterschiede erklären können.

Ein Ansatz zur Erklärung der Ausgabendifferenzen zwischen den Bundesländern ist die unterschiedliche Finanzierungsform innerhalb der Kommunen (Objektbzw. Subjektförderung). Eher deutet die starke Varianz in den Ausgaben pro Fall zwischen den Bundesländern darauf hin, dass deutliche Unterschiede bei der Effizienz des Mitteleinsatzes vorliegen. Hier besteht immenser Forschungs- und Evaluationsbedarf. (…) Bei allen Veränderungen der Ausgestaltungsrichtlinien im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wären die Wohlfahrtsunternehmen am stärksten betroffen. Auf der anderen Seite könnte der Staat – und damit der Steuerzahler – durch eine effizientere Mittelverwendung sehr viel Geld sparen. Dies betrifft nicht nur die freien Träger, sondern auch die öffentlichen Träger, deren Effizienz ebenfalls auf dem Prüfstand steht. (…) Ein (…) Problem stellt der Jugendhilfeausschuss dar. In diesem zentralen Steuerungsgremium des Jugendamtes werden Entscheidungen über die finanzielle Ausstattung und die Auswahl der zu fördernden Maßnahmen getroffen. Im Jugendhilfeausschuss sind Repräsentanten der anerkannten freien Träger nicht nur vertreten, sondern mit Stimmrecht ausgestattet. Freie Träger sind also an Entscheidungen beteiligt, die sie persönlich betreffen – sie können dafür sorgen, dass sie selbst viele Aufträge erhalten. Es handelt sich hierbei um ein institutionelles Wettbewerbshemmnis. Um nicht auf die Beratungsfunktion der Vertreter der freien Träger verzichten zu müssen, schlägt die Monopolkommission vor, dass diesen Mitgliedern des Jugendhilfeausschusses das Stimmrecht entzogen werden soll. Somit wäre der Interessenskonflikt entschärft.

Da sich die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Kinder- und Jugendhilfe bewährt hat, sollte auch weiter daran festgehalten werden. Dennoch gilt es zu bedenken, dass es um sehr viel Geld geht. Besonders die stationäre Unterbringung von Kindern bringt den freien Trägern Einnahmen von rund 9 Milliarden Euro jährlich. Vor diesem Hintergrund stimmen die hohen Wachstumsraten mit 65 Prozent (seit 2005) bei den Inobhutnahmen und mit 20 Prozent (seit 2008) bei den Unterbringungen in Einrichtungen bedenklich. So ist es für die freien Träger deutlich lohnender, wenn die Kinder in festen Einrichtungen untergebracht werden. Möglicherweise bestehen hier Fehlanreize bei der Entscheidungsfindung für eine Maßnahme. Hinzu kommt, dass weder überprüft wird, ob die Leistungen stattfinden, noch, ob sie wirklich gut und zielführend sind. Die Monopolkommission empfiehlt die Erhebung und Nutzung disaggregierter Daten sowie eine flächendeckende Evaluation der Leistungen in der Kinder- und Jugendhilfe. Vor dem Hintergrund der Varianz der Ausgaben ist diese Empfehlung ausdrücklich zu befürworten. (…)“

Die Studie in vollem Textumfang entnehmen Sie aufgeführtem Link.

Link: Was kostet die Kinder- und Jugendhilfe

Quelle: 

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