Mehr als 1,2 Millionen Menschen im Alter zwischen 20 und 29 Jahren haben keinen Berufsabschluss. Auch im Jahr 2016 scheiterte das System an der Aufgabe, 300.000 jungen Menschen den weichenstellenden Schritt zwischen Schule und Ausbildung zu ermöglichen. Gleichzeitig blieben 2016 über 43.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. Das sogenannte Passungsproblem auf dem Ausbildungsmarkt spitzt sich immer weiter zu. Wenn auch regional sehr unterschiedlich, zeigt der bundesweite Blick die Schwachstellen des Bildungssystems: Der Übergangsbereich ist durch junge Geflüchtete angewachsen, für die ein Sprach- oder Integrationskurs den ersten Schritt in die Ausbildung darstellt. Aber auch rund 45 Prozent der Jugendlichen mit einem Hauptschulabschluss gelang 2015 der wichtige Schritt in eine Ausbildung nicht nahtlos. Es fehlen immer noch zehntausende Ausbildungsplätze.
Der Ausbildungsreport des DGG fast auch diese Herausforderungen nachvollziehbar zusammen. Darüber hinaus bietet er eine ausführliche Analyse der Ausbildungssituation und stellt konkrete Forderungen zur Verbesserung.
Auszüge aus dem Ausbildungsreport 2017:
„Die wichtigsten Ergebenisse im Überblick: (…)
Am unteren Ende der Skala rangieren wie im Vorjahr die Fachverkäufer_innen im Lebensmittelhandwerk sowie die Hotelfachleute. Berücksichtigt man weiterhin, dass auch die Köchinnen und Köche sowie die Verkäufer_innen ihre Ausbildung verhältnismäßig häufig schlecht bewerten, zeigt dies, dass nach wie vor im Hotel- und Gaststättenbereich sowie im Einzelhandel erhebliche Anstrengungen notwendig sind, um diese Ausbildungsberufe für junge Menschen attraktiv zu machen. Ähnliches gilt für die Friseur_innen: Bei ihnen wirkt sich die deutlich unterdurchschnittliche Bezahlung seit Jahren negativ auf die Bewertung aus. (..)
## Ausbildungszufriedenheit Der Großteil der Auszubildenden (71,9 Prozent) ist mit seiner Ausbildung
»zufrieden« oder sogar »sehr zufrieden«. Das ist erfreulich, kann aber nicht über die bestehenden Probleme der anderen Auszubildenden hinwegsehen lassen, zumal die Ausbildungszufriedenheit, die 2014 auf den bislang niedrigsten im Rahmen des Ausbildungsreports ermittelten Wert gefallen ist, nicht mehr spürbar angestiegen ist. (…)
## Ausbildungsfremde Tätigkeit Mit 11,5 Prozent hat sich der Anteil der Auszubildenden, die angaben,
im Betrieb »immer« oder »häufig« ausbildungsfremde Tätigkeiten ableisten zu müssen, im Vergleich zum Vorjahr wieder leicht erhöht (+ 0,9 Prozentpunkte). Er liegt damit in etwa auf dem Niveau des Jahres 2014. Die längerfristige Beobachtung ergibt, dass sich an diesem Problem in den zurückliegenden Jahren nicht viel verändert hat.
## Fachliche Anleitung Wie bereits in den zurückliegenden Jahren hat der größte Teil der Auszubildenden eine_n Ausbilder_in (92,4 Prozent). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass immerhin 7,6 Prozent kein_e Ausbilder_in an der Ausbildungsstelle zur Verfügung steht. Bei weiteren 10,3 Prozent der Auszubildenden mit Ausbilder_in ist diese_r »selten« bis »nie« präsent. (…)
## Wahl des Ausbildungsberufs Die Wahl des richtigen Ausbildungsberufs ist eine wichtige Voraussetzung
für einen erfolgreichen Ausbildungsverlauf. Erfreulicherweise konnten 33 Prozent der im Ausbildungsreport befragten Auszubildenden ihren Wunschberuf und weitere 39,5 Prozent zumindest einen von mehreren für sie interessanten Berufen erlernen. Gut ein Fünftel der Auszubildenden (20,8 Prozent) machte seine Ausbildung allerdings in einem Beruf, der eigentlich nicht geplant war, 6,8 Prozent bezeichneten ihren Ausbildungsberuf gar als eine »Notlösung«.
Weibliche Auszubildende können dabei offensichtlich seltener ihre Ausbildungswünsche realisieren. Mehr als ein Viertel von ihnen (25,4 Prozent), und damit deutlich mehr als von den männlichen Auszubildenden (17,2 Prozent), gaben an, bei ihrem Ausbildungsberuf handele es sich um eine Alternative, die sie eigentlich nicht geplant hätten. 7,2 Prozent bezeichnen ihren Ausbildungsberuf als »Notlösung« (männliche Auszubildende: 6,4 Prozent). Die Auszubildenden in den »ungeplanten Berufen« sind deutlich seltener zufrieden mit ihrer Ausbildung (58,7 Prozent) als die Auszubildenden in ihren Wunschberufen (83,8 Prozent). Von den Auszubildenden, die ihren Ausbildungsberuf als »Notlösung« bezeichneten ist nur gut jede_r Dritte (35,9 Prozent) mit der Ausbildung zufrieden. Gerade bei diesen Auszubildenden ist die Gefahr einer Vertragslösung oder sogar eines Ausbildungsabbruchs entsprechend deutlich höher. (…)
## Geschlechtsspezifische Unterschiede in der Ausbildung Auch in diesem Jahr zeigen die Ergebnisse des Ausbildungsreports
nur sehr punktuell Unterschiede in den Bewertungen von weiblichen und männlichen Auszubildenden auf, die unabhängig von den gewählten Ausbildungsberufen bestehen. Grundsätzlich bestätigt sich damit erneut, dass die zweifellos bestehenden Benachteiligungen weiblicher Auszubildender insgesamt weniger auf individuelle geschlechtsspezifische Diskriminierungen am Arbeitsplatz zurückzuführen zu sein scheinen, als vielmehr auf die starken Qualitätsunterschiede in der Ausbildung in unterschiedlichen Branchen und Ausbildungsberufen sowie auf das geschlechtsspezifische Berufswahlverhalten insbesondere junger Frauen. Sie entscheiden sich überdurchschnittlich häufig für tendenziell schlechter bewertete Berufe bzw. ergreifen mangels Alternative eine Ausbildung in einem dieser Berufe, obwohl diese nicht unbedingt zu ihren Wunschberufen zählen – auch weil Betriebe ihre Auswahl häufig noch nach tradierten Rollenbildern treffen. )…)
Fazit und Forderungen: Ausbildung besser machen.
Der diesjährige Ausbildungsreport bestätigt, dass in vielen Branchen gesetzliche Regelungen nicht eingehalten werden. Um die betrieblichen Ausbildungsbedingungen zu verbessern und zu gestalten sowie die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit der Ausbildung aufrechtzuerhalten, ist unter anderem auch eine Reform des zentralen Gesetzes der dualen Ausbildung, des Berufsbildungsgesetzes, weiterhin dringend notwendig. (…)
Der Ausbildungsreport zeigt, wo es Handlungsbedarf gibt:
Die bei den Kammern angesiedelten Berufsbildungsausschüsse müssen in ihrer Rolle als Qualitätsorgan durch eine verbindliche Verankerung eines Unterausschusses zur Ausbildungsqualität, gestärkt werden. Die Aufgaben der Ausbildungsberater_innen müssen im Berufsbildungsgesetz konkretisiert werden: durch eine verpflichtende regelmäßige Berichterstattung an die Berufsbildungsausschüsse. Damit die Kammern ihrer Kontrollfunktion in den Ausbildungsbetrieben nachkommen können, braucht es eine massive Personalaufstockung. Um sich im Zweifel bei Verstößen vor der Durchsetzung von
Sanktionen – aufgrund ihrer Doppelfunktion – als Arbeitgeberverband und neutrale Kontrollstelle der Ausbildung nicht gegen die eigenen Mitglieder richten zu müssen, braucht es deutlich mehr Rückhalt durch den Gesetzgeber. Er muss dafür Sorge tragen, dass die gesetzlich bzw. tarifvertraglich
festgelegten Standards vor Ort auch eingehalten werden. Für den Fall, dass dieses Dilemma nicht aufgelöst werden kann, fordert die Gewerkschaftsjugend die Schaffung unabhängiger Institutionen, die für die Qualitätssicherung und -entwicklung zuständig sind. Hierfür bedarf es im ersten Schritt eines
Beschwerdemanagements, das die Auszubildenden in ihren Problemen ernstnimmt, ihren Schutz gewährleistet und leicht zugänglich ist.
## Eignung von Ausbilder_innen: Die Ausbildereignungsverordnung muss dringend aktualisiert und modernisiert werden. Methodisch-didaktische und jugendpsychologische Kompetenzen für Ausbilder_innen sollten im Gesetz als zwingend notwendig festgeschrieben sein. Dazu gehören auch regelmäßige Weiterqualifizierungen. (…)
## Berufsschulpakt zur Verbesserung der Qualität an Berufsschulen:
Für den betrieblichen Teil der Ausbildung gelten im Berufsbildungsgesetz zu großen Teilen einheitliche rechtliche Rahmenbedingungen, die die Gleichwertigkeit der Ausbildungsbedingungen bundesweit sicherstellen sollen. Diese Gleichwertigkeit muss auch am zweiten Lernort der dualen Ausbildung, der Berufsschule, sichergestellt werden. (…)
## Arbeitszeiten und Überstunden: Die Gewerkschaftsjugend fordert eine Ergänzung des § 17 Berufsbildungsgesetz dahingehend, dass keine Beschäftigung erfolgen darf, die über die vereinbarte, wöchentliche Ausbildungszeit hinausgeht. Schichtdienste und Wochenendarbeit dürfen nur zulässig sein, wenn die
Ausbildungsinhalte unter der Woche nicht vermittelt werden können. (…)
## Schriftlicher Ausbildungsnachweis und Ausbildungsplan:
Es bedarf neben dem Ausbildungsrahmenplan, der die Ausbildungsinhalte des jeweiligen Berufsbildes festlegt, auch eines rechtlichen Anspruchs auf einen betrieblichen Ausbildungsplan, der auf die konkreten Gegebenheiten im Betrieb abgestimmt ist. Der § 11 des Berufsbildungsgesetzes sollte entsprechend angepasst werden. Als Lernzielkontrolle muss dem Ausbildungsnachweis mehr Beachtung geschenkt werden. Er gehört gesetzlich verankert: Auszubildende müssen ihr Berichtsheft unter Anleitung und Hilfestellung der Ausbilder_innen während der Arbeitszeit schreiben können, um Lernprozesse gemeinsam zu
reflektieren.
## Ankündigungsfrist bei geplanter Nichtübernahme: Planungssicherheit und Perspektiven nach der Ausbildung sind wichtig. Die Gewerkschaftsjugend macht sich stark für eine unbefristete Weiterbeschäftigung ausgebildeter Fachkräfte. Für den Fall einer beabsichtigten Nichtübernahme muss im § 24 Berufsbildungsgesetz eine dreimonatige Ankündigungsfrist verankert werden.
## Ausbildungsmittel und Fahrtkosten: Auszubildende haben einen Anspruch auf Chancengleichheit beim Zugang zur Ausbildung. Sie darf nicht an finanziellen Belastungen scheitern. Daher müssen alle im Zusammenhang mit der Ausbildung entstehenden Kosten vom Ausbildungsbetrieb übernommen werden. Neben betrieblichen Ausbildungsmitteln wie Sicherheitskleidung und Arbeitsmittel sind auch die schulischen Mittel, z. B. Fachliteratur, durch den Arbeitgeber zu tragen. Fahrtkosten vom Wohnort zur Ausbildungsstätte und zur Berufsschule sowie die Unterkunftskosten im Blockunterricht müssen erstattet werden. In § 14 Berufsbildungsgesetz muss eine Klarstellung zur Kostenfreiheit erfolgen. (…)“
Link: http://jugend.dgb.de/ausbildung
Quelle: DGB