Ausbildungschancen junger Migrantinnen und Migranten trotz intensiver Suche gering

Eine neue Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) beleuchtet die Ausbildungsmarktsituation für junge Migranten: Trotz der aktuellen, besseren Ausbildungsmarktsituation ist die Suche nach einem Ausbildungsplatz für junge Menschen aus Familien mit einer Migrationsgeschichte nach wie vor sehr schwierig. Ein Grund dafür ist, dass sie bei Verlassen der allgemeinbildenden Schule im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund über niedrigere schulische Qualifikationen verfügen, was ihre Aussichten auf eine Ausbildungsstelle schmälert.

Auch ethnische Herkunft, Aufenthaltsort und rechtlicher Status wirken sich aus

Dabei ist der Personenkreis der jungen Migrantinnen und Migranten sehr heterogen. Sie unterscheiden sich z. B. nach ethnischer Herkunft, Aufenthaltsdauer in Deutschland und rechtlichem Status. So ist es insbesondere für Jugendliche, deren Familien aus der Türkei oder arabischen Staaten stammen, deutlich schwerer, einen Ausbildungsplatz zu finden, als für Jugendliche anderer Herkunftsregionen – auch wenn sie über die gleichen Schulabschlüsse verfügen.

Auszüge aus der BIBB-Analyse der „Einmündungschancen von Bewerberinnen und Bewerbern differenziert nach Herkunftsregionen“ und ihren zentralen Erkenntnissen:

„Bei den in Deutschland lebenden Jugendlichen mit Migrationshintergrund handelt es sich um eine sehr heterogene Gruppe. Die Unterschiede betreffen nicht nur die ethnische oder geografische Herkunft der Jugendlichen; ihre Familien sind auch aus unterschiedlichen Gründen und zu unterschiedlichen Zeiten nach Deutschland zugewandert. Die Mehrheit der jungen Migrantinnen und Migranten ist in Deutschland geboren, viele haben Deutsch bereits im Kindesalter gelernt und ein großer Teil besitzt auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Andere leben dagegen erst seit kurzer Zeit hier, sind als Quereinsteiger mit zunächst geringen deutschen Sprachkenntnissen ins deutsche Schulsystem gekommen und haben zum Teil auch keinen sicheren Aufenthaltsstatus. Die vielfältigen Unterschiede zwischen Jugendlichen, die aus Familien mit einer Zuwanderungsgeschichte stammen, werden bei den nachfolgenden Analysen zum Übergang in Berufsausbildung nur zum Teil berücksichtigt. Die vorgenommene Differenzierung der Migrantengruppen orientiert sich weitgehend an der geografischen Herkunft der Jugendlichen bzw. ihrer Familien, wobei vier Herkunftsregionen unterschieden werden. (…)

Die Untersuchung des BIBB beruht auf der Befragung ausbildungsreifer Jugendlicher, die bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Bewerber/-innen um einen Ausbildungsplatz gemeldet waren (BA/BIBB-Bewerberbefragung 2010).

In der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2010, welche die Datengrundlage für die hier vorgestellten Analysen zu den Erfolgschancen von Ausbildungsstellenbewerbern und -bewerberinnen bildet, wird das Vorliegen eines Migrationshintergrunds wie folgt indirekt definiert: Bewerber/-innen, die in Deutschland geboren sind und alleine die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und ausschließlich Deutsch als Muttersprache gelernt haben, gelten als Deutsche ohne Migrationshintergrund; für alle anderen wird von einem Migrationshintergrund ausgegangen. Dies bedeutet allerdings, dass bei Jugendlichen, die zwar aus einer Familie mit einer Zuwanderungsgeschichte stammen, gleichzeitig aber einen deutschen Geburtsort, ausschließlich die Muttersprache Deutsch und ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit aufweisen, der Migrationshintergrund nicht identifiziert werden kann. Die Erfassung der hierfür notwendigen Informationen über die Herkunft der Eltern ist im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragungen nicht möglich. (…)

Persönliche Merkmale und schulische Qualifikation

Wie setzt sich im Vermittlungsjahr 2009/2010 der Personenkreis der Bewerber/-innen zusammen? Nach den Ergebnissen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2010 haben 26% einen Migrationshintergrund. (…)

Von den Bewerberinnen und Bewerbern mit Migrationshintergrund stammt über ein Drittel (36%) aus osteuropäischen Staaten und den GUS-Staaten. Es ist davon auszugehen, dass sie bzw. ihre Familien in den meisten Fällen als (Spät-)Aussiedler/-innen zugewandert sind. Ein nahezu ebenso großer Anteil hat mit 35% eine türkisch-arabische Herkunft. Der weit überwiegende Teil derjenigen türkischer Herkunft dürfte von Arbeitsmigrantinnen und -migranten abstammen, die in den 1960er- bis Anfang der 1970er-Jahre aus der Türkei als „Gastarbeiter/-innen“ nach Deutschland kamen. Bei der kleineren Gruppe der Bewerber/-innen arabischer Herkunft erfolgte die Zuwanderung der Eltern wahrscheinlich häufig im Rahmen von Fluchtmigration. 18% der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund haben eine südeuropäische Herkunft. Auch ihre Familien sind wahrscheinlich oftmals im Rahmen der Gastarbeiteranwerbung zugewandert. Zu einem kleineren Teil handelt es sich aber auch um Familien, die erst später nach Deutschland einreisten, vor allem im Zuge von Arbeitsmigration, die aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU-Staaten jederzeit möglich ist, oder Fluchtmigration aus dem ehemaligen Jugoslawien. Die übrigen 12% der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund stammen aus anderen Teilen der Erde, d. h. den nord- und mitteleuropäischen Staaten, Amerika, Australien sowie Afrika und Asien (ohne die arabischen Staaten). Sie stellen die heterogenste Migranten gruppe dar, die jedoch aufgrund zu geringer Fallzahlen nicht weiter differenziert werden konnte.

Insgesamt ist über die Hälfte der Ausbildungsstellenbewerber/-innen (57%), die aus einer Familie mit einer Zuwanderungsgeschichte stammen, in Deutschland geboren. Über zwei Drittel (69%) der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund haben Deutsch als Muttersprache gelernt, und zwar größtenteils gemeinsam mit der Sprache ihres Herkunftslandes, seltener als einzige Sprache. Für knapp ein Drittel ist Deutsch nicht Muttersprache, sondern wurde später erlernt. Besonders häufig trifft dies auf Jugendliche mit osteuropäischem Hintergrund zu (52%), die größtenteils außerhalb Deutschlands geboren sind (78%), und eher selten auf diejenigen mit türkisch-arabischem Hintergrund (16%), die weit überwiegend in Deutschland geboren sind (86%). (…)

Junge Frauen planen am Ende der Schulzeit häufiger die Aufnahme einer berufsfachschulischen Ausbildung als männliche Jugendliche. Daher sind sie unter den Bewerberinnen und Bewerbern für eine betriebliche Ausbildung seltener vertreten als junge Männer. … Von den Bewerberinnen und Bewerbern aus Familien mit einer Zuwanderungsgeschichte hat ein Viertel am Jahresende 2010 bereits ein Alter von über 20 Jahren erreicht, bei denjenigen ohne Migrationshintergrund trifft dies auf nur 18% zu. Bewerber/-innen osteuropäischer Herkunft sind besonders häufig schon über 20 Jahre alt (29%).

Die Unterschiede in der schulischen Qualifikation der Bewerber/-innen mit und ohne Migrationshintergrund sind relativ groß: (…) Demnach verfügen junge Migrantinnen und Migranten wesentlich seltener über einen mittleren oder höheren Schulabschluss, haben dafür aber erheblich öfter einen Hauptschul- oder Sonderschulabschluss bzw. (noch) keinen Schulabschluss. Bewerber/-innen mit südeuropäischem Hintergrund besitzen am häufigsten maximal einen Hauptschulabschluss. Jugendliche türkisch-arabischer Herkunft weisen am seltensten die (Fach-)Hochschulreife auf.

Bei Bewerberinnen und Bewerbern südeuropäischer Herkunft ist dies anders: Während auch ihnen mit einem Hauptschulabschluss nur vergleichsweise selten der Übergang gelingt (22 %), steigt ihre Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem mittleren Schulabschluss bereits beträchtlich an (40 %). Besitzen sie die (Fach-)Hochschulreife, so ist die Einmündungsquote mit 59 % sogar die höchste von allen Vergleichsgruppen – einschließlich der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.

Auch bei den Schulnoten, die die Bewerber/-innen auf ihrem letzten Schulzeugnis erhalten haben, zeigen sich große Abweichungen. Im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund kommen gute oder sehr gute Deutschnoten bei jungen Migrantinnen und Migranten erheblich seltener, ausreichende oder schlechtere Noten dagegen deutlich öfter vor. Die Mathematik noten fallen zwar ebenfalls ungünstiger aus, aber die Unterschiede sind geringer. Am ungünstigsten schneiden bei den Deutschnoten Jugendliche mit türkisch-arabischem Hintergrund ab, bei den Mathematiknoten diejenigen mit einer Herkunft aus Südeuropa oder den anderen Staaten der Erde. Bemerkenswert ist, dass Bewerber/-innen osteuropäischer Herkunft in Mathematik die besten Ergebnisse aufweisen, besser noch als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. (…)

Einmündung in betriebliche und außerbetriebliche Berufsausbildung

(…) Die Einmündungsquoten unterscheiden sich auch deutlich zwischen den verschiedenen Migrantengruppen. Während Jugendlichen osteuropäischer und südeuropäischer Herkunft mit 34% bzw. 33% etwas häufiger die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung gelingt, sind es bei Jugendlichen mit türkisch-arabischem Hintergrund lediglich 20%. Die Einmündungsquoten in betriebliche Ausbildung steigen in der Regel an, je höher die Schulabschlüsse der Bewerber/-innen sind. (…)

Die Analyse zeigt, dass sich bei Bewerberinnen und Bewerbern mit türkisch-arabischem Hintergrund kein Vorteil eines mittleren Schulabschlusses erkennen lässt. Die Übergangsquoten in eine betriebliche Ausbildung sind mit 20% ebenso niedrig wie bei maximal einem Hauptschulabschluss. Selbst wenn diese Jugendlichen eine (Fach-)Hochschulreife vorweisen können, bleiben ihre Aussichten gering (26%).

Bei Bewerberinnen und Bewerbern südeuropäischer Herkunft ist dies anders: Während auch ihnen mit einem Hauptschulabschluss nur vergleichsweise selten der Übergang gelingt (22%), steigt ihre Erfolgswahrscheinlichkeit bei einem mittleren Schulabschluss bereits beträchtlich an (40%). Besitzen sie die (Fach-)Hochschulreife, so ist die Einmündungsquote mit 59% sogar die höchste von allen Vergleichsgruppen – einschließlich der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund.

Die gemeldeten Bewerber/-innen mit südeuropäischer Herkunft besitzen mit 48 % am häufigsten maximal einen Hauptschulabschluss. Bei türkisch-arabischer Herkunft sind es 45%, bei osteuropäischer 43%. Ohne Migrationshintergrund beträgt der Anteil lediglich 33%. Bewerber/-innen mit türkisch-arabischem Hintergrund weisen relativ häufig einen mittleren Schulabschluss (45%) auf, aber nur selten die (Fach-)Hochschulreife (7%). Bei südeuropäischer Herkunft erreichen die entsprechenden Anteile 38% und 10%, bei osteuropäischer Herkunft 42% und 13% (ohne Migrationshintergrund 51% und14 %).

Junge Migrantinnen und Migranten werden bei der Ausbildungsplatzsuche zudem seltener zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Während sich mehr als drei Fünftel der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund persönlich in Betrieben vorstellen können, trifft dies nur auf die Hälfte der jungen Migrantinnen und Migranten zu. Noch niedriger liegt der Anteil bei Jugendlichen mit türkisch-arabischem Hintergrund (46 %). (…)

Die Bewerber/-innen, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz gefunden haben, sind am Jahresende 2010 in unterschiedliche Alternativen eingemündet. Ein kleiner Teil befindet sich in außerbetrieblicher beziehungsweise schulischer Berufsausbildung oder einem Studium (mit Migrationshintergrund: 13%, ohne: 15%). Die übrigen Bewerber/-innen gehen zum Beispiel weiter zur Schule, besuchen einen teilqualifizierenden Berufsbildungsgang, jobben oder sind arbeitslos. Dies kommt bei jungen Migrantinnen und Migranten häufiger vor als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund (55% zu 40%).

Insgesamt sind die Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund mit ihrer aktuellen Situation daher auch unzufriedener als diejenigen ohne Migrationshintergrund. Seltener ist ihr Verbleib „wunschgemäß“ oder entspricht einer „in Betracht gezogenen Möglichkeit“ (48% zu 60%). Öfter stufen sie hingegen ihre Situation als „Notlösung“ oder „Sackgasse“ ein (21% zu 16%). Bei den Jugendlichen mit türkisch-arabischer Herkunft trifft dies sogar auf ein Viertel zu. (…)“

Quelle: BIBB

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