Ein Kommentar von Susanne Nowak, Fachreferentin für Jugendberufshilfe im Netzwerk der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V., : Vor kurzem endete die erste öffentliche Ausschreibung zum Förderinstrument der Assistierten Ausbildung flexibel (AsA flex) gemäß der Vergabeverordnung. Bereits während des Ausschreibungsverfahrens gingen bei der Bundesagentur für Arbeit viele Fragen zur Angebotserstellung ein. Neuerungen und Änderungen erschwerten es den Trägern zusätzlich, ein Angebot abzugeben. Inzwischen liegen die Zu- bzw. Absagen der Regionalen Einkaufszentren der Bundesagentur für Arbeit vor. Nur sehr wenige Verbände aus der Trägerlandschaft der Jugendsozialarbeit erhielten einen Zuschlag, obwohl sie teils jahre- bzw. jahrzehntelange Erfahrung bei der Umsetzung von Ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) und/oder AsA haben.
Vielerorts haben teils in der Region unbekannte gewerbliche Träger das Rennen gemacht. Damit ist im Bereich abH/AsA die aufgebaute Struktur der Jugendberufshilfe (JBH) mit ihren fachlichen Standards und regionalen Kooperationen dezimiert worden. Die zu erwartenden Auswirkungen auf die Situation und Förderung der jungen Menschen werden durch die pandemische Situation noch verstärkt werden. Denn die jungen Menschen benötigen beim Übergang in Ausbildung professionelle Unterstützung und pädagogische Begleitung –wohl dringender als je zuvor.
Die Situation in der Jugendberufshilfe ist prekär
Durch die mangelnde Kontinuität aufgrund der Vergabesituation bei Förderangeboten für junge Menschen im SGB III leidet die Qualität ganz entscheidend. Immer wieder passiert es, dass langjährig erfahrene und professionell agierende Maßnahmeträger keine Zuschläge erhalten und Maßnahmen infolgedessen nicht umsetzen können. Das hat für die jungen Menschen fatale Folgen:
Mit der verlorenen Ausschreibung brechen für junge Menschen stabile Beziehungen zu professionellen Fachkräften ab. Das ist dramatisch, da pädagogische Arbeit in erster Linie auf Vertrauen basiert, welches die Jugendlichen in die sie begleitenden Fachkräfte setzen. Sie bieten ihnen eine tragfähige Beziehung und die Zusage einer verlässlichen Begleitung, mit der für sie berufliche Integration gelingen kann. Mit der aktuellen Zuschlagspraxis werden diese für junge Menschen notwendigen vertrauensvollen Beziehungen gekappt.
Auch für die Fachkräfte hat diese Entwicklung u. U. fatale Folgen: Wenn der Träger durch Wegbrechen der Maßnahme gezwungen ist, das Beschäftigungsverhältnis zu kündigen, droht ihnen Erwerbslosigkeit.
Fehlen diese erfahrenen Fachkräfte, können jahrelang aufgebaute und vertrauensvolle Kontakte zu Ausbildungsbetrieben, Handwerkskammern, Arbeitsagenturen, Berufsschulen sowie deren Lehrkräften und weiteren Akteur*innen im Ausbildungsprozess nicht aufrechterhalten werden. Das notwendige funktionierende Netzwerk wird somit zerschlagen.
Dies hat massive Auswirkungen auf die Träger sowie die Fachkräfte in der Jugendberufshilfe – und vor allem auf die jungen Menschen, die professionelle und kontinuierliche sozialpädagogische Begleitung benötigen und verdient haben.
AsA flex ist ein neues Förderinstrument mit komplexen Anforderungen. Somit wären seitens der Träger Erfahrung, Fachwissen und bestehende Kooperationen umso wichtiger für den Erfolg der Maßnahme:
- AsA flex weist u.a. durch die Zusammenführung der ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) und der bisherigen Assistierten Ausbildung (AsA alt) eine hohe Komplexität auf. Die Expertise von Trägern, die abH und/oder AsA umgesetzt haben, wäre notwendig, um mit dem neuen Förderinstrument Jugendliche erfolgreich begleiten zu können.
- Neue gewerbliche Träger müssen zunächst Personal gewinnen, eine Infrastruktur aufbauen und ein Netzwerk installieren. Sie können ihre Arbeit nicht unmittelbar aufnehmen. Wertvolle Zeit geht verloren, die den jungen Menschen auf der Suche nach einer beruflichen Perspektive fehlt.
- Mangelnde soziale Kontakte und Wissenslücken als Folge der Pandemie erfordern eine intensive Begleitung und Unterstützung junger Menschen bei der Ausbildungssuche und während der Ausbildung auf einem hohen pädagogischen Niveau. Insbesondere leistungsschwächere Jugendliche sind auf Unterstützung durch qualifiziertes Fachpersonal angewiesen. Gewerbliche Träger, die sich zunächst vor Ort etablieren und vernetzen müssen, werden dieses Personal kaum stellen können. Mit Blick auf die vermutlich schlechten Gehälter ist dies noch unwahrscheinlicher.
Die Rahmenbedingungen grenzen Träger aus
Mit „AsA flex“ wurden die Rahmenbedingungen geändert. Bereits in der Bewerbung um die Maßnahme müssen Stundenkontingente benannt werden, die für die Förderung und Begleitung der Jugendlichen sowie der Betriebe voraussichtlich anfallen werden. Ohne den realen Betreuungsaufwand tatsächlich zu kennen, muss dieses Kontingent geschätzt werden. Der Maßnahmeverlauf ist jedoch erfahrungsgemäß durch unvorhersehbare, betreuungsintensive Phasen gekennzeichnet, wie z. B. persönliche Krisen der jungen Teilnehmenden oder Konflikte mit dem Betrieb im Ausbildungsverlauf. Hierfür muss der Träger Personal vorhalten, um bei Bedarf reagieren zu können. Fällt durch die erforderliche sozialpädagogische Intervention ein höherer personeller Aufwand – und damit ein umfangreicheres Stundenkontingent – an, wird dieser Mehraufwand den Trägern jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt vergütet. Die Maßnahmeträger sind dadurch gezwungen, in finanzielle Vorleistung zu gehen, was viele schlichtweg nicht können, da sie als gemeinnützige Einrichtungen nicht die erforderlichen finanziellen Rücklagen bilden dürfen. Aufgrund dieses finanziellen Risikos hatten sich einige Träger von vorneherein bewusst nicht beworben.
Die Jugendberufshilfe benötigt dringend Rahmenbedingungen, die eine kontinuierliche sozialpädagogische Arbeit mit den jungen Menschen und den Erhalt der Strukturen sowie des Fachpersonals in diesem Handlungsfeld absichern.
Quelle: Susanne Nowak, Fachreferentin für Jugendberufshilfe im Netzwerk der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V.