Armutsbetroffene junge Menschen haben schlechtere Chancen auf gesundheitliche Versorgung – mit langfristigen Folgen für Körper und Psyche. Ein Hautausschlag, der niemanden interessiert. Eine Angststörung ohne Therapieplatz. Ein gebrochener Arm, der nicht behandelt wird, weil die Krankenkassenkarte fehlt. Solche Erfahrungen sind für junge Menschen in prekären Lebenslagen keine Seltenheit. Ihre gesundheitlichen Chancen hängen maßgeblich vom Geldbeutel der Eltern ab – und vom Zugang zu einem Gesundheits- und Sozialsystem, das sie oft nicht mitdenkt.
Gesundheit als soziale Frage
Was wie eine Binsenweisheit klingt, ist ein Ausdruck verankerter sozialer Ungleichheit. Schon in der Kindheit und Jugend zeigt sich: Wer wenig Geld hat, lebt oft beengt, isst ungesund, geht seltener zur Vorsorge und leidet häufiger unter psychischer Belastung. Laut dem aktuellen Monitor „Jugendarmut in Deutschland“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e. V. ist der Zugang zu gesundheitlicher Versorgung für armutsbetroffene Jugendliche im Vergleich zu nicht armutsbetroffenen Gleichalterigen erschwert – sei es durch bürokratische Hürden, lange Wartezeiten auf Psychotherapieplätze oder schlichtweg durch das Fehlen von Anlaufstellen.
Schon im Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2018“ hatte die BAG KJS auf die gesundheitlichen Folgen von Armut hingewiesen. Besonders psychische Belastungen, chronische Erkrankungen und der schwierige Zugang zu Präventions- und Unterstützungsangeboten wurden damals als zentrale Herausforderungen für von Benachteiligung betroffene junge Menschen benannt. Vieles davon gilt bis heute – mit der Folge, dass junge Menschen in prekären Lebenslagen gesundheitlich immer noch deutlich schlechter dastehen als Gleichaltrige in sozio-ökonomisch besseren Situationen.
Die Nationale Armutskonferenz (nak), ein Bündnis sozialer Organisationen, die sich für eine aktive Politik der Armutsbekämpfung einsetzen, hat sich deshalb jetzt mit einem eindringlichen Appell an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses im Bundestag gewandt. Ihr Ziel: Die Kausalität von Armut und Krankheit endlich durchbrechen. „Es braucht eine Gesundheitspolitik, die gezielt benachteiligte Menschen stärkt, statt sie zu übersehen“, heißt es im kürzlich veröffentlichten Positionspapier.
Besonders gefährdet dabei sind junge Menschen, die wohnungslos sind oder ohne festen Krankenversicherungsstatus leben. Für sie ist der Zugang zu medizinischer Versorgung stark eingeschränkt – oft fehlt es an Versicherung, Informationen oder schlicht an einer erreichbaren Anlaufstelle. Der Anteil der Wohnungslosen ohne Krankenversicherung ist signifikant höher als beim Rest der Bevölkerung. Auch für Geduldete und junge Geflüchtete beschränkt sich die medizinische Versorgung meist auf Notfälle. Prävention, psychische Gesundheit oder eine kontinuierliche Behandlung bleiben ein Luxus.
Was sich jetzt ändern muss
Dabei zeigen bestehende Modelle, wie es anders gehen kann: In einigen Kommunen gibt es sogenannte „Präventionsketten“ – Netzwerke aus Jugendhilfe, Gesundheitsdienst und Sozialarbeit, die niedrigschwellige Angebote machen. Doch diese Projekte sind oft befristet und abhängig von Fördermitteln. Die nak fordert daher nun die Verstetigung und den Ausbau solcher Strukturen, mehr Mittel für den öffentlichen Gesundheitsdienst, sowie mehr kultursensible, anonyme und erreichbare Anlaufstellen, insbesondere für Jugendliche.
Denn junge Menschen erleben Armut nicht als statistische Größe, sondern als Dauerstress: Schlaflosigkeit, Überforderung, und Zukunftsangst. Nicht selten schlägt das auf die psychische Gesundheit. Suizidprävention, so das Papier, müsse deshalb über die Notaufnahme hinausgedacht werden – durch rund um die Uhr erreichbare Beratungsangebote, die niemanden nach Herkunft, Einkommen oder Wohnsituation fragen.
Auch die BAG KJS, die sich für junge, von Benachteiligung oder Armut betroffene Menschen einsetzt, unterstützt diese Forderungen. Ihre Erfahrung aus der Jugendsozialarbeit zeigt, dass sich die gesundheitlichen Folgen von Armut oft durch mehrere Lebensjahre ziehen: Schulabbruch; ohne Abschluss, keine Ausbildung; ohne Ausbildung, keine Arbeit; ohne Arbeit, keine Wohnung. Begleitet wird dies von psychischen Krisen – bis hin zur dauerhaften gesellschaftlichen Ausgrenzung.
Fazit
Wer Gesundheit ernst nimmt, muss Armut bekämpfen. Und wer Armut bekämpfen will, darf Gesundheit nicht als Privatsache behandeln. Diese Verbindung sollte stärker in den Fokus politischer Entscheidungen rücken – besonders wenn es um junge Menschen in schwierigen Lebenslagen geht.
Autorin: Silke Starke-Uekermann (Referentin für Fachliches Controlling und Projektleitung Monitor „Jugendarmut“ der BAG KJS)