Die digitale Welt in der LGBTIQ-Community – Chance oder Risiko?

Der Online-Workshop „Digitale Medien & queere Jugend: Chancen, Risiken, Perspektiven für die Praxis“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS), IN VIA Deutschland und der Stiftung Digitale Chancen rückte Mitte November die Lebenslagen und Diskriminierungserfahrungen junger queerer Menschen in den Mittelpunkt. Ziel des Workshops war es, den Teilnehmenden sowohl ein Gefühl für die digitalen Lebensrealitäten der jungen Menschen als auch praktische Ansätze für die Jugendarbeit zu vermitteln.

QueeResilience – Strengthening Digital Resilience and Wellbeing in LGBTQ+ youth

Referent Matthias Wolf von der Stiftung Digitale Chancen stellte in seinem Vortrag Ergebnisse aus dem europäischen Kooperationsprojekt „QueeResilience“ vor, welches die Vor- und Nachteile digitaler Medien für das Wohlbefinden von LGBTQ+ Jugendlichen untersucht. Nachdem die Teilnehmenden einen Einblick in Potenziale und Herausforderungen für queere junge Menschen bei der Nutzung digitaler Medien erhalten hatten, gab es in einer anschließenden Diskussion Raum für Austausch über eigene Erfahrungen.

Chancen von digitalen Medien können laut Matthias Wolf die Bildung von sicheren Communitys für den Aufbau sozialer Kontakte sein. Außerdem dienten soziale Medien als wichtige Informationsquelle innerhalb der Community. Dabei könnten die Jugendlichen sich niedrigschwellig und anonym einbringen, was eine Teilhabe in konservativeren oder unsicheren Umfeldern schaffe. Gesellschaftliche Normvorstellungen könnten so infrage gestellt und die Sichtbarkeit der LGBTIQ-Community erhöht werden.

Doch der digitale Raum birgt auch Herausforderungen: Laut dem EU-LGBTIQ Survey III (2023) ist die LGBTIQ-Community überdurchschnittlich häufig von Cybermobbing und Hatespeech betroffen. Darunter könne die psychische Gesundheit leiden, da Cybermobbing und Hassreden das Risko für Depressionen sowie ein geringes Selbstwertgefühl und Suizidalität erhöhten. Eine weitere Folge von Hassreden sei der digitale Rückzug der Betroffenen, was wiederrum zu sogenannten unsichtbaren Communities führe und mit einem verzerrten Meinungsbild einhergehe. LGBTIQ+ Personen seien ebenfalls im digitalen Raum vermehrt die Zielscheibe von negativ behafteten Stereotypen sowie Desinformationen.

Praktische Tipps für die Jugendsozialarbeit

Matthias Wolf stellte konkrete Tools und Methoden für Fachkräfte der Jugendsozialarbeit vor, um junge (queere) Menschen in der Nutzung digitaler Medien zu begleiten und in dem Zusammenhang ihr Wohlbefinden zu steigern. Einige der vorgestellten Methoden sind u. a.:

  • Reflexionsübungen mit den Jugendlichen durchzuführen und dabei positive und negative Wirkung von genutzten Apps aufzulisten
  • Apps auf dem Startbildschirm neu zu ordnen
  • Perspektivwechsel – sich selbst ein Konzept für eine Social Media Plattform zu überlegen
  • Regelmäßige Emotions-Check-Ins, um Gefühle und Erfahrungen sichtbar zu machen
  • Suche nach positiven Rollenbildern
  • Unterstützung bei Cybermobbing

Diese und viele weitere Tipps und Tricks sind online ausführlich in dem Guidebook des QueeResilience Projekt nachzulesen.

In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass der Beratungsbedarf im Umgang mit digitalen Medien bei den Fachkräften in der Jugendsozialarbeit bereits sehr groß ist und zunehmend wächst. Jugendliche knüpfen immer mehr Kontakte im digitalen Raum, verbringen mehr Zeit online und sind dadurch sowohl mehr Chancen als auch Risiken ausgesetzt. Um sich mit der aktuellen Lebenswelt der (queeren) Jugendlichen vertraut zu machen und sie besser begleiten zu können, ist es ein neuer, aber zentraler Bestandteil der Arbeit von pädagogischen Fachkräften, sich mit den digitalen Lebensrealitäten der jungen Menschen auseinanderzusetzen. Dafür braucht es zum einen eine stärkere Sensibilisierung für diese Thematik, und zum anderen die Wissensvermittlung von Methoden, um junge (queere) Menschen in ihrem Wohlbefinden im digitalen Raum stärken zu können.

Aufruf zur Teilnahme an einer Workshop-Pilotierung  

Das Projekt QueeResilience ist eine europäische Kooperation mit Partnerorganisationen aus Tschechien, Litauen und der Slowakei. Gefördert wird es durch das Programm Erasmus+ der Europäischen Kommission. Sein Ziel ist es, das digitale Wohlbefinden queerer Jugendlicher zu stärken. Dafür werden Jugendorganisationen und Fachkräfte gesucht, die Lust haben, zwei kurze Workshop-Konzepte (je 60–90 Minuten) in ihrer Arbeit mit Jugendlichen auszuprobieren.

Die Workshops beschäftigen sich mit den Themen:

  1. Mehrfachdiskriminierung im Internet
  2. Digitale Medien für das eigene Wohlbefinden nutzen

Beide Formate lassen sich gut in eine bestehende Jugendgruppe integrieren, idealerweise mit Gruppen, in denen mehrere offen queere Personen zwischen 16 und 25 Jahren dabei sind. Es kann entweder eines der beiden Konzepte oder beide Workshops getestet werden. Alle Materialien und Anleitungen werden von QueeResilience zur Verfügung gestellt. Im Vorfeld wird zudem ein Vorgespräch mit den beteiligten Fachkräften oder Jugendleiter*innen geführt, um das Konzept gemeinsam durchzugehen und Fragen zu klären. Die Durchführung erfolgt anschließend bei den Fachkräften bzw. Teilnehmenden vor Ort – auf Wunsch auch mit Begleitung von QueeResilience. Nach dem Workshop findet eine Feedbackrunde mit den Teilnehmenden statt.

Bei Interesse oder Rückfragen, steht Matthias Wolf (Projektleitung QueeResilience) als Ansprechperson zur Verfügung (mwolf@digitale-chancen.de).

Autorin: Lynn Kriegs (Fachreferentin bei IN VIA Deutschland e. V. im Netzwerk der BAG KJS)

Ähnliche Artikel

Der Bildausschnitt zeigt eine Hand, die mit einem Kugelschreiber ein Kreuz auf einem blauen Wahlzettel machen möchte.

Jugendliche nehmen das Wählen ernst

Für die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) haben Thorsten Faas, Sigrid Roßteutscher und Armin Schäfer analysiert, wie junge Menschen über die vergangene Bundestagswahl denken. Weniger das Ergebnis, mehr

Demonstrierende junge Frauen mit bunten Plakaten, die auf das Problem des Klimawandels hinweisen und von denen eine Frau ein Megaphon in der Hand hält.

Hürden und Schwierigkeiten für die Jugendbeteiligung

Aktuelle Forschungsbefunde des Deutschen Jugendinstituts (DJI) machen deutlich, dass strukturelle Hürden und soziale Ungleichheit verhindern, dass Kinder und Jugendliche ihre gesetzlich verankerten Beteiligungsrechte wahrnehmen können.

Zum Inhalt springen