Geringere Bildungschancen, Gesundheitsgefährdungen und eine verringerte gesellschaftliche Teilhabe – all das sind Folgen von Kinder- und Jugendarmut. Der neue UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland 2025 zeigt erneut die alarmierende Lage von armutsbetroffenen oder – gefährdeten Kindern und Jugendlichen. Er verdeutlicht: Es werden endlich wirksame und dauerhafte Maßnahmen gegen Kinder- und Jugendarmut benötigt.
Der seit 2006 erscheinende Bericht befasst sich mit verschiedenen Lebensbereichen von Kindern und Jugendlichen. In diesem Jahr wurde er im Auftrag von UNICEF Deutschland durch das Deutsche Jugendinstitut (DJI) von insgesamt 27 Expert*innen erarbeitet. Zum ersten Mal waren auch 23 Jugendliche an der inhaltlichen Schwerpunktsetzung beteiligt. Untersucht wurden unter anderem die Bereiche Bildung, soziale Beziehungen und Gesundheit.
Grundlegende Bedürfnisse können häufig nicht erfüllt werden
Die Zahlen sind besorgniserregend: Über eine Million Kinder gelten als depriviert, d. h. sie müssen auf die Erfüllung grundlegender Bedürfnisse verzichten. Darunter fallen alltägliche Dinge wie zum Beispiel der Ersatz von Kleidung, eine beheizte Wohnung oder warme Mahlzeiten. 44 Prozent der armutsgefährdeten Kinder leben in überbelegten Wohnungen. Und auch die Zahlen zur Wohnungslosigkeit zeichnen kein positives Bild: Mindestens 130.000 Kinder sind wohnungslos und in kommunalen Unterkünften untergebracht. Die Hochrechnungen des neuesten Berichts der BAG Wohnungslosenhilfe kommt sogar auf rund 264.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.
Armut prägt das ganze Leben
Im UNICEF-Bericht wird außerdem deutlich: Armut beeinflusst das gesamte Aufwachsen junger Menschen. Sei es mit Blick auf ihre Bildungschancen, ihre gesellschaftliche Teilhabe und sogar ihre sozialen Kontakte. Der Bericht zeigt auf, dass die Unterschiede schon früh anfangen. So können immer mehr Kinder nicht gut lesen (ca. 25 Prozent). Gleichzeitig setzt das deutsche Bildungssystem voraus, dass derartige Kompetenzen durch Eltern vermittelt werden, was in armutsbetroffenen Haushalten häufiger nicht der Fall ist. Auch das Gefühl, von ihrem Umfeld, also Eltern und Lehrkräften, seltener gut unterstützt zu werden, verstärkt die Ungleichheiten zusätzlich. Diese sind schwer wieder aufzuholen und wirken sich auch zu einem späteren Zeitpunkt im Leben noch auf die beruflichen Möglichkeiten aus. Durch fehlende Unterstützung von Lehrkräften und Eltern verlassen armutsbetroffene Jugendliche die Schule häufiger ohne Abschluss und haben so auch später auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen.
Armut macht krank
Auch mit Blick auf die Gesundheit der jungen Menschen kommt der Bericht zu besorgniserregenden Ergebnissen. Bereits im Jahr 2022 gaben 40 Prozent der 11- bis 15-jährigen an, mehrfach die Woche oder sogar täglich unter körperlichen Beschwerden wie beispielsweise Kopfschmerzen zu leiden. In der aktuellen Untersuchung zeigte sich in der Selbsteinschätzung der jungen Menschen, dass die meisten von ihnen ihre psychische Gesundheit als nicht gut einordneten. Eine besonders niedrige Selbsteinschätzung zeigte sich dabei bei armutsbetroffenen Mädchen. Dadurch wird deutlich, wie ungleiche Lebenslagen und Geschlechterungerechtigkeiten durch Armut noch verschärft werden.
Es geht auch anders: Jugendarmut im europäischen Vergleich
Deutlich wird auch: Deutschland schneidet im europäischen Vergleich schlecht ab. In Deutschland können häufiger Bedürfnisse von Kindern aus finanziellen Gründen nicht gestillt werden, als beispielsweise in Norwegen, Finnland oder Portugal.
Die Erkenntnisse aus dem UNICEF-Bericht decken sich auch mit aktuellen Zahlen, die die Ministerien und die Bundesagentur für Arbeit (BA) vor einigen Tagen veröffentlichten. Demnach ist jede*r vierte Minderjährige in Deutschland auf Sozialleistungen angewiesen. Mitte des Jahres lebten 1,8 Millionen Minderjährige vom Bürgergeld. Weitere 1,3 Millionen wurden vom Kinderzuschlag unterstützt.
Armut endlich wirksam bekämpfen
Die Berichte zeigen erneut klar auf, dass dringend gehandelt werden muss. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) fordert schon seit Langem eine wirksame Strategie zur Bekämpfung und langfristigen Vermeidung von Jugendarmut. Diese muss beinhalten, sozialstaatliche Leistungen existenzsichernd und bedarfsgerecht zu gestalten, Strukturen der Jugendsozialarbeit zu stärken und allen Kindern und Jugendlichen ein Aufwachsen ohne Armut in Deutschland zu ermöglichen. Denn nur wenn junge Menschen finanziell unbelastet sind, können sie ihr Leben selbstbestimmt und gesund gestalten.
Autorin: Franziska von Deimling (Fachreferentin für Jugendsozialarbeit des BDKJ im Netzwerk der BAG KJS)



