Steigende CO₂-Preise sind ein wichtiges Instrument der Klimapolitik in Deutschland und Europa, um CO₂-Emissionen zu reduzieren. Als Folge sind steigende Energiepreise zu erwarten. Ohne gerechte Verteilung werden insbesondere einkommensschwächere Haushalte deutlich stärker belastet, weil sie im Durchschnitt einen höheren Anteil ihres Nettoeinkommens für Energie und Mobilität ausgeben als besser- und hochverdienende Haushalte.
Im Jahr 2024 hatte das Land Bremen eine Initiative im Bundesrat gestartet und einen Beschluss zum Klimageld in der Länderkammer erreicht. Die damalige Bundesregierung wurde aufgefordert, als Ausgleich für die steigenden Energiepreise ein Klimageld einzuführen. Die Ampel-Regierung hat dies nicht mehr umgesetzt. Im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung wird das Klimageld nicht mehr erwähnt. Wir sprechen mit Kathrin Moosdorf, der Bremer Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft als Initiatorin der damaligen Länderinitiative.
Wie steht es derzeit aus Ihrer Sicht um das Klimageld? Welchen Effekt sehen Sie durch ein gerecht gestaltetes Klimageld?
Kathrin Moosdorf: Klar ist, dass Menschen mit wenig Geld durch verschiedene Mechanismen finanziell zusätzlich belastet werden. Deshalb braucht es einen Ausgleich. So denke ich zum Beispiel an Auszubildende, Studierende, Arbeitslose und Alleinerziehende, die jetzt schon mit sehr wenig Geld auskommen müssen. Wenn nun aufgrund der CO2 -Bepreisung die Lebensmittelpreise und die Heizkosten steigen und die Menschen nicht mehr wissen, wie sie dies bezahlen sollen, ist das ein Problem.
Genau hier setzt das Klimageld an. Es soll insbesondere denjenigen einen Ausgleich bringen, die schon jetzt wenig Geld zur Verfügung haben. Diese Menschen haben aufgrund ihres Lebensstils ohnehin im Verhältnis zu Wohlhabenderen nur einen geringen Anteil am Ausstoß von Treibhausgasen, sind aber von der CO2 -Abgabe besonders getroffen. Das Klimageld kann einen Ausgleich bringen, da es ihnen Geld direkt zur Verfügung stellt. Ich bin überzeugt, dass dies auch die Akzeptanz für die dringend benötigten Klimaschutzmaßnahmen erhöht. Denn die Transformation in eine klimaneutrale Zukunft ist absolut zwingend. Wir sehen beinahe täglich die globalen Auswirkungen der voranschreitenden Klimakrise. Auch in Deutschland sind die Folgen unübersehbar: Es gibt vermehrt Dürren und Hitzewellen, andernorts schlimme Überschwemmungen. Besonders betroffen sind oft diejenigen, die wenig Geld oder Ressourcen zur Verfügung haben oder anderweitig benachteiligt sind.
Klar ist auch: die Transformation in eine klimaneutrale Zukunft fordert uns sehr. Sie fordert uns auf, unser Wirtschaftssystem, unsere Energieversorgung und auch unsere Gewohnheiten zu überdenken. Hier setzt die Bepreisung von CO2 an. Der Ausstoß von CO2 muss Geld kosten. Dinge, die die mit fossiler Energie entstehen, kosten dann entsprechend mehr. Mit dem eingenommenen Geld kann der Klimaschutz vorangetrieben wird.
Woran hakt es aus Ihrer Sicht?
Kathrin Moosdorf: Die vergangene Bundesregierung hat nach langem Ringen im Jahr 2024 endlich die technischen Grundlagen geschaffen, um das Klimageld auszuzahlen. Die Bundesländer haben auf unsere Bremische Initiative hin, schon im März 2024 einen Beschluss gefasst, in dem sie die Bundesregierung auffordern, das Klimageld zeitnah einzuführen. Alle technischen und rechtlichen Voraussetzungen sind geschaffen worden. Es könnte morgen losgehen mit dem Klimageld als ein wesentliches Instrument der sozial gerechten Transformation. Leider scheint die aktuelle Bundesregierung das Klimageld aber in der vorgesehenen Form ad acta gelegt zu haben. Das ärgert mich sehr.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht im Hinblick auf ein Klimageld die Möglichkeit, dessen Höhe am Einkommen auszurichten und dieses bei höheren Einkommen entsprechend zu reduzieren. Dies könnte zusätzliche fiskalische Spielräume ermöglichen, um auch auf soziale Härtefälle besser eingehen zu können. Wie bewerten Sie diesen Vorschlag?
Kathrin Moosdorf: Diese Option halte ich für das zentrale Ziel. Es ist richtig, dass starke Schultern auch mehr tragen können. Deswegen würde ich diesen Mechanismus befürworten. Im Moment ist mir jedoch wichtig, dass wir überhaupt erst einmal in die Umsetzung eines Klimagelds kommen. Im ersten Schritt brauchen wir deshalb zeitnah ein Klimageld, das den Menschen jetzt hilft, die steigenden Kosten, die die Transformation in eine klimaneutrale Zukunft verursacht, abzufedern. In einem zweiten Schritt kann man diese Entlastung dann weiterentwickeln, entsprechende Berechnungen veranlassen und sozial noch gerechter machen.
Könnten steigende Energiekosten – insbesondere für einkommensschwächere Haushalte – auf andere Wege reduziert werden?
Kathrin Moosdorf: Die Ampel-Regierung hat in den vergangenen Jahren viele verschiedene Maßnahmen umgesetzt, um den Strom- und Wärmekund*innen finanzielle Entlastungen zu ermöglichen. Es gibt also diverse Mechanismen, zum Beispiel die Strompreisbremse oder Mehrwertsteuersenkung. Die funktionieren teils mehr, teils weniger. Mir geht es aber darum, dass wir jetzt sichtbar machen, was der CO2 -Ausstoß tatsächlich kostet, und dass wir uns um einen echten Ausgleich bemühen. Ich halte das Klimageld hier für das absolut geeignete Instrument.
Was genau die schwarz-rote Koalition im Bund nun plant, ist nicht klar. Einige Aussagen sorgen mich. So ist zum Beispiel die im Koalitionsvertrag versprochene Entlastung für alle Stromkund*innen über die Absenkung der Stromsteuer, eher in weite Ferne gerückt. Wir wissen, was stattdessen beschlossen wurde: Industrie, Land- sowie Forstwirtschaft bekommen eine Absenkung, private Haushalte vorerst nicht. Damit ich nicht falsch verstanden werde: es ist richtig, dass wir diese Bereiche entlasten, insbesondere die Industrie beklagt die hohen Strompreise und benötigt viel Energie, zukünftig aus Erneuerbaren. Daran hängen Arbeitsplätze und wirtschaftliche Stabilität. Auf der anderen Seite aber die Bürgerinnen und Bürger zu vergessen, die ebenfalls Entlastung bräuchten, finde ich falsch.
Welche weiteren Möglichkeiten sind politisch geboten, um die durch den Klimawandel bedingte Transformation sozial gerecht zu gestalten?
Kathrin Moosdorf: Die Frage der sozial gerechten Gestaltung der Transformation beschäftigt mich sehr. Es gibt diverse Ansätze, die ich richtig finde. Zum einen braucht es natürlich das Klimageld. Zum anderen brauchen wir noch mehr Informationen, wer die Transformation hin zur Klimaneutralität aus eigener Kraft schafft und wer Unterstützung braucht. So haben wir in Bremen eine Analyse auf den Weg gebracht, die uns Aufschluss über die verschiedenen Stadtteile bringen soll. Nicht alle können es sich leisten, die notwendigen Investitionen zu tätigen, um klimaneutral zu leben. Wir brauchen Förderprogramme, die Menschen mit wenig Geld dabei unterstützen, ihr Haus klimaneutral zu heizen oder sich ein E-Auto anzuschaffen. Modelle von Social-Leasing wären ein anderer Weg zu diesem Ziel.
Bremen und Bremerhaven sind urbane Räume; viele Menschen pendeln unter Umständen aus dem Umland in die Stadt. In ländlichen Regionen entstehen oftmals höhere Energiekosten, u. a. durch längere Wege und schlechterem Zugang zu öffentlichem Nah- und Fernverkehr. Gerade der Verkehrssektor wird jedoch als wichtige Komponente zum Erreichen der Klimaziele und für mehr Klimaschutz angesehen. Welche Maßnahmen ergreifen Sie in Bremen, um den Verkehrssektor klimafreundlicher zu gestalten? Welche Möglichkeiten sehen Sie, um umweltfreundlichere Fortbewegungsmittel, auch in ländlichen Regionen, nachhaltig stärker zu fördern?
Kathrin Moosdorf: Der Verkehrsbereich spielt eine große Rolle im Alltag der Menschen und ist uns auch bei der CO2 -Bilanzierung wichtig. Im Land Bremen haben wir mit unseren beiden Städten Bremen und Bremerhaven viel Potenzial für den Fuß- und Radverkehr. In Bremen bauen wir an verschiedenen Orten Rad-Schnellwege. Das fördert den Radverkehr ungemein. Nicht umsonst ist in Bremen das Rad für sehr viele Menschen das Mittel der Fortbewegung. Wir haben aber auch den ÖPNV fest im Blick. Eine gute Anbindung mit Straßenbahnen und Bussen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, ist nicht nur eine Frage des Klimaschutzes, sondern auch eine soziale Frage. Es ist wichtig, dass auch Kinder und Jugendliche ein ÖPNV-Angebot haben, und dass wir das Bremer Umland mit einbeziehen und z. B. Straßenbahnlinien weiter ausbauen. Darüber hinaus brauchen wir eine gute Ladeinfrastruktur für E-Autos.
Ich sehe, dass dafür bundesweit erhebliche Investitionen notwendig sind. Der Ausbau des Angebots bei Radwegen, E-Mobilität sowie Bussen und Bahnen ist für mich gut angelegtes Geld. Ein funktionierender, ins Umland vernetzter und klimafreundlicher ÖPNV gehört für mich in jede gute Zukunftsvision einer modernen, lebenswerten Stadt.
Bildquelle: Presse/SUKW, Fotograf: Tristan Vankann.