Bildungsgerechtigkeit in Deutschland nicht in Sicht – zu vielen jungen Menschen bleiben Bildungschancen verwehrt

Die OECD hat ihren Bericht „Bildung auf einen Blick 2025“ veröffentlicht. Er liefert Daten zur Struktur und Leistungsfähigkeit der Bildungssysteme in den OECD-Staaten (Organisation for Economic Co-operation and Development; Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Auf der Grundlage von Analysen zu Bildungszugängen und zur Bildungsbeteiligung der verschiedenen Länder vergleicht er die jeweiligen Bildungslandschaft sowie -qualitäten. Der Schwerpunkt dieses Berichtes liegt im Bereich der „tertiären Bildung“, d.h. akademische Bildung und (höhere) berufliche Weiterbildung. Analysiert werden u. a. Abschlussquoten, Unterschiede bei den Arbeitsmarktergebnissen je nach Studienfach, Erfolgsquoten sowie die Kompetenzen von Erwachsenen mit einem Hochschulabschluss.

Der Bericht attestiert Deutschland im internationalen Vergleich einerseits gute Ergebnisse bei der beruflichen Bildung und der Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen, verdeutlicht andererseits aber auch manifeste strukturelle Barrieren im Bildungssystem.

59 % der 18- bis 24-Jährigen befinden sich in Ausbildung oder Studium – mehr als im OECD-Durchschnitt (53 %). Auch bei der Jugendarbeitslosigkeit schneidet Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Staaten mit 2,7 % gut ab. Ebenso liegt der Anteil derer, die weder in Ausbildung noch Beschäftigung sind, mit 10 % unter dem OECD-Wert von 14 %. Besonders hoch ist im internationalen Vergleich der Anteil an Abschlüssen in MINT-Fächern in Deutschland: So erwerben 35 % der Hochschulabsolvent*innen ihren Abschluss in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder Technik.

Als alarmierendes Ergebnis des Berichts ist allerdings der hohe Anteil junger Erwachsener zwischen 25 bis 34 Jahren ohne Abschluss im Sekundarbereich II in Deutschland zu bewerten. Dieser ist mit 15 % weiterhin sehr hoch, während er im restlichen OECD-Raum mit durchschnittlich 13 % rückläufig ist. Problematisch ist auch, dass in Deutschland lediglich 19 % derjenigen Erwachsenen einen „tertiären Abschluss“ erreichen, deren Eltern keinen oberen Sekundarabschluss besitzen. Laut Bericht ist dieser Unterschied im Vergleich stärker als in vielen anderen OECD-Ländern. Hingegen erreichen 72 % der Erwachsenen einen tertiären Abschluss, deren Eltern auch eine „höhere Ausbildung“ haben.

Diese Zahlen verweisen auf die stark ausgeprägte Kopplung von sozioökonomischer Herkunft und Bildungschancen in Deutschland. Den fortwährenden Kreislauf aus Bildungsarmut und limitierten Chancen hat die BAG KJS auch im aktuellen „Monitor Jugendarmut“ kritisch beleuchtet. Nur 21 % der Kinder, deren Eltern beide kein Abitur haben und im untersten Einkommensviertel liegen, besuchen das Gymnasium. Der Monitor verdeutlicht dabei insbesondere, dass die Armutsrisikoquote abhängig ist vom erreichten Schulabschluss. Mit einem Hauptschulabschluss ist das Armutsrisiko doppelt so hoch wie mit jedem anderen Abschluss, was zu einem fortwährenden Kreislauf aus Bildungsarmut und limitierten Chancen führt. 32 % der Personen ohne Schulabschluss sind arbeitslos. 54 % der in Armut lebenden Personen haben maximal einen Hauptschulabschluss.

Bildung muss besser und gerechter werden – was ist zu tun? Forderungen der Katholischen Jugendsozialarbeit

Verwehrte Bildungschancen bleiben nicht folgenlos für die weiteren Lebensbiografien junger Menschen. Daher müssen die Zugänge zu Bildung in Deutschland verbessert und Bildungschancen gerechter – vor allem unabhängig von der sozioökonomischen Herkunft – verteilt sein.

Aus Sicht der katholischen Jugendsozialarbeit sollten alle jungen Menschen, ihre Eltern/Erziehungsberechtigten und Lehrkräfte von präventiven und begleitenden Angeboten und Programmen der Jugendsozialarbeit sowie der Schulsozialarbeit profitieren können. Ein flächendeckendes Angebot der Schulsozialarbeit – möglichst in allen Schulformen – kann z. B. dazu beitragen, dem zunehmenden Phänomen Schulabsentismus sowie Schulabbrüchen entgegenzuwirken. Die neue Bund-Länder-Initiative „Startchancen-Programm“ erreicht zwar nur 10 % der Schulen bundesweit, kann aber zur Etablierung begleitender Angebote und präventiver Maßnahmen der Jugend- und Schulsozialarbeit beitragen. Wichtig ist jedoch, dass die Expertise und Erfahrungen aus der Jugend- und Schulsozialarbeit auch in die Programmumsetzung systematisch einfließen können.

Die Jugendsozialarbeit (JSA) fordert zudem seit Jahren eine inklusivere Gestaltung des Bildungssystems, insbesondere der beruflichen Bildung. Die gesetzliche Verankerung einer sogenannten Ausbildungsgarantie ist zu begrüßen. Allerdings muss es gelingen, dass allen jungen Menschen die Chance auf Ausbildung gewährt wird und bestehende Exklusionsrisiken überwunden werden. Jugendberufsangebote sind zu stärken, damit der Übergang junger Menschen in Ausbildung gelingt.

Der im Koalitionsvertrag formulierte Ausbau von Berufsorientierungsangeboten an Schulen ist aus Sicht der katholischen JSA ein wichtiger Ansatz. Hierbei sollte die Expertise der Jugendsozialarbeit einbezogen werden: Die Fachkräfte aus dem Feld der Jugendberufshilfe können die verschiedenen Berufsorientierungsprozesse bündeln und auf deren Basis die jungen Menschen bei der Entwicklung beruflicher Perspektiven individuell begleiten und unterstützen. Die katholische Jugendsozialarbeit fordert an dieser Stelle ein Übergangscoaching, welches bereits in den weiterführenden Schulen ansetzt und die berufliche Orientierung junger Menschen kontinuierlich begleitet. Weitere Impulse zur inklusiven Weiterentwicklung am Übergang Schule – Ausbildung – Beruf liefert ein im Juli 2025 veröffentlichter Fachbeitrag von Susanne Nowak.

Autorinnen: Susanne Nowak und Julia Schad-Heim (Bundesreferentinnen bei IN VIA Deutschland e. V. im Netzwerk der BAG KJS)

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