Integration statt Obergrenzen

Die Debatte um Quoten oder Obergrenzen für junge Menschen mit „Migrationshintergrund“ an deutschen Schulen ist stigmatisierend, populistisch und teilweise rassistisch. Und dennoch ist sie notwendig. Aus der Perspektive der Jugendsozialarbeit muss es jedoch um die Chancen vieler junger Menschen auf gesellschaftliche Teilhabe gehen. Allerdings mit wirksamen Angeboten zur Integration und Förderung statt mit Quoten und Obergrenzen, findet Michael Scholl, Grundlagenreferent der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit. Eine Bewertung:

Bundesministerin Karin Prien formuliert in einem Interview vorsichtig, dass es sinnvoll sein könnte, Kinder und Jugendliche mit mangelnden Deutschkenntnissen im System Schule breiter zu verteilen – zur Entlastung von Lehrkräften. Ihr erstes Versäumnis: Sie spricht über ein dänisches Modell, das es in der diskutierten Form nicht gibt. Ihr zweites Versäumnis: Sie macht sich zur Anwältin der Erwachsenen im Bildungssystem statt zur Anwältin der Kinder und Jugendlichen mit Sprachfähigkeiten in Deutsch. Ihr drittes Versäumnis: Sie widerspricht nicht dem Narrativ „mangelnde Deutschkenntnis = Migration“. Und damit bleibt sie im Denken ihrer Partei gefangen, die seit Jahrzehnten Menschen, die nach Deutschland einwandern, als Problem sieht – statt ein Deutschland, das Einwanderung von Menschen verhindert, als Problem zu begreifen.

Der Bund kann Integration gestalten

Als Bundesbildungsministerin bleibt Karin Prien ohne großen Einfluss auf Schule und Kita in Länderhoheit. Als Bundesjugendministerin kann sie die Integration junger Menschen jedoch nachhaltig gestalten. Der Bund kann investieren, um individuelle Förderung sicherzustellen. Das gelingt ideal in angemessen kleinen Lernräumen, mit Unterstützung durch multiprofessionelle Teams aus Lehrkräften, Sozialarbeiter*innen und -pädagog*innen oder Psycholog*innen sowie in einer lernförderlich gestalteten Umgebung. So jedenfalls sieht es der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Der Deutsche Lehrerverband hält es unter anderem aus pädagogischer Sicht für ratsam, wenn Kinder in ihrem Wohnumfeld eingeschult werden und Schulweg oder Freizeit gemeinsam erleben können.

Wissenschaftlich fundierter Maßnahme-Mix

Ein Mix aus wissenschaftlich fundierten Maßnahmen sei Erfolg versprechend, wird Karin Prien zitiert. Es scheint unter Expert*innen unumstritten, dass Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse in der Regel große Schwierigkeiten in der Bildungslaufbahn und im späteren Berufsleben haben. Unbestritten ist auch, dass für Lehrkräfte wie Schüler*innen das Miteinander in der Klasse schwierig gestaltet werden kann, wenn keine gemeinsame Sprache als Grundlage dient. Ein verpflichtender Sprachtest im Alter von vier Jahren in Kitas kann deswegen aufzeigen, ob und in welchem Umfang eine Sprachförderung auf die Schule vorbereiten muss. Für alle Kinder. Für junge Menschen, die im schulpflichtigen Alter nach Deutschland kommen und bleiben wollen, sind vergleichbare altersgerechte Tests und Angebote zu entwickeln. Die Jugendmigrationsdienste (JMD) können ihre Expertise einbringen.

Die Länder sind bei diesem Modell in der Pflicht, Tests und Förderung gemeinsam und bundesweit einheitlich zu gestalten, die Fachkräfte zu qualifizieren und individuelle Förderung zu organisieren. Der Bund sollte im Interesse des gesellschaftlichen Zusammenhalts und einer nachhaltigen Wirtschaftspolitik die Länder bei dieser Aufgabe stärken – finanziell und mit langfristigen Bundesprogrammen zur Beratung und Qualifizierung.

Obergrenzen sind der falsche Ansatz

Migrationsquoten, Obergrenzen oder ähnliche Ideen bleiben grundlegend falsch. Die in seriösen Studien gemessenen Lern- und Sprachrückstände bei jungen Menschen mit Einwanderungsbezug haben komplexe Gründe: Statistisch betrachtet wachsen sie häufiger unter widrigen Verhältnissen auf, weil ihre Eltern ärmer sind, schlecht Deutsch sprechen und andere Bildungsniveaus erreicht haben. Integration ist der Schlüssel für bessere Bildungschancen und sie gelingt durch wirksame Förderung: mehr Fachkräfte, gute Lernumgebung (moderne und freundliche Gebäude), passende Förderprogramme. Davon profitieren alle. Ausgrenzung bewirkt das Gegenteil und schwächt am Ende das weltoffene Miteinander in der demokratischen Gesellschaft.

Autor: Michael Scholl

Ähnliche Artikel

Integration statt Obergrenzen

Die Debatte um Quoten oder Obergrenzen für junge Menschen mit „Migrationshintergrund“ an deutschen Schulen ist stigmatisierend, populistisch und teilweise rassistisch. Und dennoch ist sie notwendig.

JFMK zur Neutralität

Die Jugend- und Familienminister*innen-Konferenz (JFMK) bekräftigt in einem Beschluss: „Das entschiedene Eintreten gegen Aussagen und Handlungen, die mit Demokratie sowie Grund- und Menschenrechten nicht vereinbar

Skip to content