Notwendigkeit von Medienbildung in der Jugendsozialarbeit

Soziale Medien und Messengerdienste sind aus dem Leben der meisten jungen Menschen in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Sie dienen nicht nur der Kommunikation untereinander oder der Unterhaltung, sondern stellen auch eine wichtige Informationsquelle zu verschiedensten gesellschaftlichen, politischen und sozialen Themen dar. Doch neben ihrem großen Potenzial als Quelle der Wissensvermittlung, werden über sie auch täglich zahlreiche Falschmeldungen, Beleidigungen, Bedrohungen und Hass verbreitet.

Laut einer Erhebung der Menschenrechtsorganisation HateAid in Zusammenarbeit mit der Universität Klagenfurt, die im Jahr 2024 veröffentlicht wurde, gaben 63,1 % der befragten 18- bis 27-Jährigen an, digitale Gewalt beobachtet zu haben. Direkt betroffen war fast ein Drittel der Befragten. Die Studie hat zudem die Auswirkungen digitaler Gewalt auf das Verhalten junger Erwachsener analysiert. Ergebnis: Verzicht auf soziale Medien ist trotz dieser negativen Erfahrungen für die Befragten keine Option. Sie gaben an, zu versuchen durch Eigenzensur und vorsichtigem Online-Verhalten präventiv zu handeln. Klar von den Befragten geäußert wurde zudem der Wunsch nach einem respektvollen, offenen und freundlichen Umgang im Netz, ohne Gewalt und Hass.

Das Selbstlerntool SwipeAway

Obgleich viele junge Menschen von digitaler Gewalt betroffen sind oder von Fake News, Desinformationen und Hass im Netz berichten, können nur wenige konkrete Wege zum Umgang mit diesen Themen nennen. Da ein Boykott der Plattformen für die meisten jungen Menschen keine Option ist, bedarf es einer Möglichkeit sich kritisch und reflektiert mit den Inhalten auseinandersetzen zu können. An diesen Punkt setzt das Projekt „re:set – Jugend gegen Hass im Netz“ der Amadeu Antonio Stiftung an: Ziel ist es aktiv gegen Hass und menschen- und demokratiefeindliche Erzählungen im Netz vorzugehen und für diese Themen zu sensibilisieren. Es soll dazu ermutigt werden genauer hinzuschauen – und digitale Zivilcourage zu zeigen. Aus dieser Motivation heraus entstand das Online-Selbstlerntool SwipeAway.

„Das Selbstlerntool sensibilisiert für Angriffe auf eine vielfältige Gesellschaft im Online-Raum und fördert ein Bewusstsein für digitale Zivilcourage. Es behandelt Funktionsweisen von Plattformen wie TikTok und problematisiert menschen- und demokratiefeindliche Inhalte, um aufzuzeigen, wie diese geteilt und normalisiert werden  und was man dagegen tun kann. SwipeAway kombiniert politische Bildung mit medienpädagogischen Ansätzen, die eine kritische Reflexion des eigenen Nutzungsverhaltens ermöglichen und zu einem bewussten Umgang mit Social-Media-Plattformen befähigen“, erläutern die Verantwortlichen. Primäre Zielgruppe sind dabei Jugendliche, junge Erwachsene, politische Bildner*innen und pädagogische Fachkräfte.

„Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Hassrede, die den digitalen Raum tagtäglich fluten, verringern den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie haben nicht nur negative Auswirkungen auf die unmittelbar Betroffenen, sondern weitreichende Folgen für die Wahrnehmung von Diversität. Denn viele Nutzer*innen ziehen sich aufgrund von Hassrede aus Online-Diskursen zurück, wodurch die Vielfalt unterschiedlicher Meinungen im Netz stark reduziert wird. Hassrede bedroht die Meinungsfreiheit und gefährdet die demokratische Debattenkultur. Da junge Menschen im Vergleich zu anderen Altersgruppen einen größeren Teil ihrer Zeit online verbringen, sind sie besonders von Hassrede, Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und demokratiefeindlichen Äußerungen betroffen“, sagen Christiane von Websky und Laura Scharm des Bereiches Teilhabe und Zusammenhalt der Stiftung Mercator, durch die das Projekt „re:set – Jugend gegen Hass“ gefördert wird. Durch das Selbstlerntool sollen Äußerungen im digitalen Raum hinterfragt, Desinformationen besser erkannt, und eine demokratische und diskriminierungsfreie Debattenkultur im Netz gefördert werden.

Umgang mit sozialen Medien in der Jugendsozialarbeit

Die Jugendsozialarbeit ist in ihrer Praxis auf vielfältige Weise mit Digitalisierung und der digitalen Teilhabe junger Menschen konfrontiert. Die Bedeutsamkeit des digitalen Raums und insbesondere der sozialen Medien für junge Menschen gilt es dabei nicht zu unterschätzen. Umso wichtiger ist es für die Jugendsozialarbeit junge Menschen bei einem souveränen und reflektierten Umgang mit Medien zu fördern; denn dieser wirkt sich nicht nur auf ihre Verselbstständigung, sondern auch auf die Stärkung ihrer demokratischen Bildung und politischen Teilhabe aus. Den Jugendlichen sollte daher die Möglichkeit geboten werden, die eigene Social-Media-Nutzung, die eigenen Erfahrungen im Digitalen und die Mechanismen der Verbreitung von Desinformationen, Hass und demokratiefeindlichen Themen im digitalen Raum zu reflektieren und darüber mit den Fachkräften ins Gespräch zu kommen. Auf diese Weise soll eine kritische Auseinandersetzung mit diesen Themen und der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung angeregt werden.

Für alle (pädagogischen) Fachkräfte und Interessierten gibt es spezifische Handreichungen, die nicht nur als Wissens- und Gesprächsgrundlage im Bereich Medienbildung und -nutzung dienen, sondern oftmals auch konkrete Beispiele und Materialien enthalten. Die Amadeu Antonio Stiftung hat für ihr Selbstlerntool SwipeAway eine Broschüre mit thematischen Hintergrundinformationen und medienpädagogischen Ideen zu Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Internet und dem Umgang damit herausgegeben. Diese Broschüre richtet sich insbesondere auch an Interessierte ohne großes Vorwissen im medienpädagogischen Bereich und kann für den Unterricht oder Workshops verwendet werden.

Die Broschüre „Hassrede im Netz. Von den Grenzen der Meinungsfreiheit“ von klicksafe (Landesanstalt für Medien NRW) in Kooperation mit AJS NRW bietet neben Informationen und Handlungsempfehlungen für die Entwicklung von Gegenstrategien auch konkrete Tipps für die Arbeit mit jungen Menschen.

Die Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) bietet mit seiner Praxismethode „Soziale Medien – (Auch) Ein Wohlfühlort der Zukunft“ Materialien als flexibel einsetzbares Workshop-Format an. Diese sollen Fachkräfte dabei unterstützen mit Kindern und Jugendlichen ab 10 Jahren über Themen wie digitale Resilienz, mentale Gesundheit, Medienkompetenz und Zivilcourage ins Gespräch zu kommen. Dadurch soll das eigene Medienhandeln reflektiert und für einen bewussten Umgang mit sozialen Medien sensibilisiert werden.

 

Autorin: Mareike Klemz

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