Wohnen ist ein Menschenrecht – und wird für junge Menschen zur Herausforderung

Am 10. Mai 2025 findet deutschlandweit der Tag der Städtebauförderung unter dem Motto „Lebendige Orte, starke Gemeinschaften“ statt. Dieser ist eine Initiative des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, der Länder, des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.  Sie laden dazu ein, an der Gestaltung der eigenen Nachbarschaft mitzuwirken. Für viele junge Menschen hat diese partizipative Idee allerdings nichts mit ihrer realen Wohnsituation zu tun. Denn obgleich Wohnen ein Menschenrecht ist, scheint dieses für viele junge Menschen zunehmend bedroht zu sein.

Steigende Mieten, fehlender sozialer Wohnungsbau und unzureichende Unterstützungssysteme führen dazu, dass junge Menschen kaum mehr Zugang zu bezahlbarem Wohnraum haben. Wohnungslosigkeit ist längst kein Randphänomen mehr, sondern Ausdruck struktureller Versäumnisse. Das zeigen aktuelle Analysen wie der Monitor „Jugendarmut in Deutschland 2024/2025“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS), der Schattenbericht der Nationalen Armutskonferenz (nak) vom Januar 2025 oder der Wohnungslosenbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2024. Die im neuen Koalitionsvertrag formulierten Vorhaben zu den Themen Wohnen oder Wohnungslosigkeit müssen in der politischen Praxis konkretisiert werden. Ansonsten werden die Zahlen wohnungsloser junger Menschen weiter steigen. Silke Starke-Uekermann, u.a. Projektleitung für den Monitor „Jugendarmut in Deutschland“, kommentiert die Entwicklungen.

Wohnungslosigkeit ist kein persönliches Scheitern, sondern ein politisches Versagen

Im März 2025 hat das Deutsche Institut für Menschenrechte die Bundesregierung eindringlich dazu aufgefordert, Wohnungslosigkeit entschieden zu bekämpfen. In seiner Stellungnahme fordert das Institut unter anderem Mietpreisregulierung, eine Stärkung des Mietrechts sowie mehr sozialen Wohnungsbau. Denn: Wohnen sei nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern ein menschenrechtlich geschütztes Gut. Besonders alarmierend ist die Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland – laut Schätzungen waren es Anfang 2024 rund 531.600, darunter viele junge Menschen.

Auch der Schattenbericht 2025 der nak bestätigt: Wohnungslosigkeit wird hierzulande als eine der sichtbarsten Folgen sozialer Ungleichheit beschrieben. Die nak kritisiert, dass die bisherige Wohnraumpolitik weder präventiv noch nachhaltig ist. Besonders betroffen seien junge Erwachsene, die aus Jugendhilfeeinrichtungen, Pflegefamilien oder prekären Lebenslagen in die Selbstständigkeit entlassen werden – oft ohne ausreichende finanzielle Mittel oder Wohnperspektiven. Die Armutskonferenz fordert deshalb einen bundesweiten Aktionsplan zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit, der das Recht auf Wohnen gesetzlich verankert und präventive Unterstützungsangebote deutlich ausbaut. Als Mitglied der Nationalen Armutskonferenz unterstützt die BAG KJS diese Forderungen.

Im Monitor „Jugendarmut in Deutschland“ – aktualisiert Ende 2024 – stellt die BAG KJS die spezifische Situation junger armutsbetroffener Menschen in den Mittelpunkt. Im Schwerpunkt befasst sie sich mit den Lebensbereichen Wohnen und Mobilität. Die BAG KJS macht deutlich: Wer jung ist und wenig Einkommen hat, findet kaum noch bezahlbaren Wohnraum. Viele Auszubildende, Studierende und Berufseinsteiger*innen geben einen Großteil ihres Einkommens für Miete aus – wenn sie überhaupt eine Wohnung finden. Besonders dramatisch: Der Bestand an Sozialwohnungen hat sich seit 2006 nahezu halbiert. Gab es damals noch über zwei Millionen, waren es im Jahr 2023 nur noch etwa eine Million Sozialwohnungen.

Wege aus der Wohnungsnot: Was junge Menschen jetzt brauchen

Die BAG KJS fordert – wie auch die Armutskonferenz – unter anderem eine deutliche Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus und eine Anpassung der finanziellen Ausbildungsförderung an die tatsächlichen Wohnkosten. Nur so könne verhindert werden, dass junge Menschen in Armut oder Wohnungslosigkeit abrutschen.

Die Analysen, Berichte und Stellungnahmen machen unmissverständlich klar: Wohnungslosigkeit junger Menschen ist kein individuelles Versagen, sondern Ausdruck eines politischen und gesellschaftlichen Missstands. Wer Jugendarmut bekämpfen will, muss bezahlbaren Wohnraum schaffen, Zugangshürden zum Wohnungsmarkt abbauen und präventiv handeln. Die nachfolgenden Punkte sind dafür nicht nur notwendig, sondern auch unverzichtbar:

  • mehr sozialer Wohnungsbau, um dauerhaft bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen zu schaffen
  • angepasste Förderinstrumente, etwa beim BAföG und bei der Berufsausbildungsbeihilfe, die reale Mietkosten berücksichtigen, auch um im sozialpädagogisch begleiteten Jugendwohnen Unterstützung finden zu können
  • stärkere Mietpreisregulierung, um Verdrängung und Mietexplosionen entgegenzuwirken, damit Wohnraum auch für Geringverdiener*innen zugänglich wird und bleibt
  • kommunale Fachstellen zur Wohnraumsicherung, die frühzeitig eingreifen und Wohnungslosigkeit verhindern

Wohnen darf kein Luxus sein – erst recht nicht für junge Menschen, die am Anfang ihres Lebenswegs stehen. Jetzt ist die Politik gefordert: Das Recht auf Wohnen muss auch für junge Menschen praktisch eingelöst werden.

 

Autorin: Silke Starke-Uekermann

Meinungsbeiträge oder Kommentare sind persönliche Äußerungen und spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider.

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