DIW-Studie: Spürbarer Einfluss der sozialen Herkunft junger Menschen in Deutschland auf Sprach- und Mathekompetenzen

Sprach- und Mathekompetenzen hängen in Deutschland bei Schulbeginn stärker von sozialer Herkunft ab als in anderen Ländern – so lautet das Fazit einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in Kooperation mit der Universität Leipzig. Grundlage der Studie sind repräsentative Datensätze aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden (am Beispiel der Stadt Rotterdam), den USA und Japan, die die Forschenden hinsichtlich des Zusammenhangs von Sprach- und Mathekompetenzen und sozialer Herkunft von Schulanfänger*innen analysiert und ausgewertet haben.

Die Daten der PISA-Studien (Programme for International Student Assessment) gelten als wichtiger Anhaltspunkt dafür, wie es um die Kompetenzen von 15-jährigen in Deutschland in den Bereichen Mathe­matik, Natur­wissenschaften und Lesen bestellt ist, und wie Bildungsungleichheiten verringert werden können. Den Autoren der DIW-Studie zufolge, würden viele Kompetenzunterschiede bereits vor Schulbeginn bestehen und somit mit der sozialen Herkunft zusammenhängen. Kinder aus Familien mit geringen Einkommen und geringerer elterlicher Bildung würden in Deutschland einen stärkeren Bildungsnachteil aufweisen als jene aus besser gestellten Familien mit höherer Bildung. Die elterliche Bildung würde dabei jedoch einen noch wichtigeren Einfluss auf die kindlichen Kompetenzen ausüben als das Haushaltseinkommen.

Den Ergebnissen der Studie zufolge können 19,5 % der Unterschiede in sprachlichen Kompetenzen von Schüler*innen in Deutschland zu Schulbeginn durch die soziale Herkunft erklärt werden. Damit ist dieser Einfluss in Deutschland deutlich stärker ausgeprägt als in anderen Ländern. Am geringsten fällt dieser Wert in Japan (4,6 %) und Frankreich (6,8 %) aus. Bei den Mathematikfähigkeiten im Zusammenhang mit sozialer Herkunft sind die USA mit 14,2 % Spitzenreiter – jedoch dicht gefolgt von Deutschland mit 13,9 %.

Einfluss demografischer Merkmale

Demografische Merkmale von Schüler*innen werden oftmals als Erklärung für Ungleichheit und schlechtere Leistungen angeführt, merken die Forschenden an. Zu diesen werde gezählt, ob die Familien zugewandert seien, ob zu Hause auch die Unterrichtssprache gesprochen werde und ob die Schüler*innen mit einem oder beiden Elternteilen aufwuchsen. Unter Berücksichtigung dieser demografischen Merkmale fielen die Unterschiede zwischen den Ländern zwar kleiner aus, doch der Zusammenhang von sprachlichen Kompetenzen und sozialer Herkunft sei in Deutschland immer noch am stärksten ausgeprägt, stellen die Studienherausgeber fest.

„Soziale Ungleichheit in Schulleistungen führt zu sozialer Ungleichheit bei Bildungsabschlüssen und Erwerbschancen. Dies widerspricht der Idee, wonach nur individuelle Anstrengungen und Leistungen für Bildungserfolg zählen sollten, nicht jedoch die familiären Rahmenbedingungen, in denen Kinder aufwachsen. Zudem ist dies volkswirtschaftlich ineffizient, da das Potenzial sozial benachteiligter Schüler*innen nicht ausgeschöpft wird“, merken die beiden Autoren der Studie, Jascha Dräger und Thorsten Schneider, an.

Bedeutung frühkindlicher Bildung

Frühkindliche Bildungsangebote könnten helfen, diese sozialen Ungleichheiten zu verringern. „Wir denken, dass sich diese Ungleichheiten am ehesten dadurch verringern lassen, indem man die frühkindliche Bildung und Betreuung weiter ausbaut und sie insbesondere für Familien mit geringem Einkommen leichter verfügbar macht. Zudem sollten frühkindliche Bildungseinrichtungen gut ausstattet und die Erzieher*innen gut ausbildet werden“, erläutert Dräger. Dadurch könnten die Startchancen für Kinder unabhängig von ihrem familiären Hintergrund verbessert werden. Als Vorbild dafür könne Frankreich dienen. Dort mache sich laut Studie der Einfluss der sozialen Herkunft aufgrund eines umfassenden, gut ausgebauten Systems kostenloser frühkindlicher Betreuung deutlich weniger bemerkbar. Für das föderale Bildungssystem in Deutschland – gegenüber dem zentralistischen in Frankreich – ist daher eine engere Abstimmung zwischen den föderalen Strukturen notwendig, um Qualität-Standards bundesweit zu erreichen.

 

Autorin: Mareike Klemz

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