Lauter werden für Kinder und Jugendliche

Der Wahltag blieb spannend bis tief in die Nacht. Nun also wird es wohl eine CDU/CSU–SPD-Bundesregierung. Stimmen die ersten Analysen, dann haben uns vor allem die jüngeren Frauen in den Städten vor noch mehr Rechtsextremismus und Rechtspopulismus bewahrt.  Vor der neuen Bundesregierung stehen schwierige Koalitionsverhandlungen. Und wir wissen, dass wir in diesen Zeiten immer mit Überraschungen rechnen müssen. Während dieser Beitrag entsteht, lese ich, dass das knapp gescheiterte BSW überlegt, das Wahlergebnis prüfen zu lassen. Ob dies tatsächlich Auswirkungen haben könnte, ist derzeit noch unklar. Doch anstatt weiter in die Glaskugel zu blicken, sollten wir zunächst auf die Kinder- und Jugendpolitik der vergangenen Ampel-Regierung schauen.

Das Resümee kann kurz ausfallen: Danke für sehr wenig. Die Grünen sind damit gescheitert, wirksame Kinder- und Jugendpolitik im Bund zu gestalten. Vollmundig hatten sie angekündigt, Kinder in den Mittelpunkt ihrer Politik zu stellen. Es ist aber nicht gelungen, mehr Kinder und Jugendliche aus der Armut zu holen oder ihre Chancen nachhaltig zu verbessern. Sicherlich das größte Desaster: Jugendministerin Lisa Paus schaffte es nicht, eine Kindergrundsicherung durchzusetzen. Und nein: Das ist nicht nur die Schuld der FDP. Auch das angekündigte Mehr an Partizipation junger Menschen sehen wir nirgendwo, trotz Nationalem Aktionsplan mit vielen engagierten Akteur*innen der Kinder- und Jugendhilfe. Ein Tiefpunkt war erreicht, als die Jugendministerin im Haushalt 2024 ganze Programme ersatzlos streichen wollte – ausgerechnet bei der Beratung junger Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und bei der Extremismusprävention an Schulen.

Aber auch die SPD hat es nicht geschafft, eine funktionierende Ausbildungsgarantie auf den Weg zu bringen und bei der Förderung der Jugendberufshilfe endlich wieder sozialpädagogische Fachlichkeit vor Wettbewerb zu stellen. Sie hat sogar zugelassen, dass Geld für Eingliederungshilfen junger Menschen als Verwaltungskosten im Jobcenter genutzt werden könnte. Ich denke, man könnte sich auf Folgendes einigen: Alles, was die grüne Ministerin trotz passablem Koalitionsvertrag der Ampel in ihren dreieinhalb Jahren im Jugendministerium (BMFSFJ) nicht hinbekommen hat, wird jetzt voraussichtlich auf Jahre unerreichbar bleiben.

Und nun mit Schwarz-Rot? Werden es Kinder und Jugendliche überhaupt mit ihren Bedarfen und als Menschen mit Rechtsansprüchen in einen Koalitionsvertrag schaffen? Oder werden sie als Objekte mit Defiziten betrachtet?

Die Parteien haben sich im Wahlkampf sehr dürftig zu Fragen der Kinder- und Jugendpolitik geäußert.  Das Bundesjugendkuratorium beschreibt dies als „ein fragmentiertes, begrenztes und hoch selektives Verständnis (…), das den Lebenslagen der jungen Menschen und der Bedeutung von Kinder- und Jugendpolitik für unsere Gesellschaft nicht gerecht wird.“ Im Programm der Christdemokraten sehe ich, dass sie Kinder und Jugendliche zudem eher als Problem verstehen: die Parteispitze will die Strafmündigkeit auf 12 Jahre senken und es droht die Rückkehr des Wehr- und Zivildienstes, von der CDU als „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“ verbrämt, das der „Persönlichkeitsentwicklung“ diene (wir wissen, dass unterdessen etwa die FSJ- Stellen nicht ausreichen und regelmäßig finanziell gefährdet sind). Auch blockiert die Union seit Jahren das Wahlalter auf Bundesebene auf 16 Jahre abzusenken und verhindert so echte demokratische Teilhabe und Einflussnahme.

Auf mehr und bessere Kinder- und Jugendpolitik oder gar mehr Partizipation darf man also nicht hoffen. Egal ob nun CDU/CSU oder SPD das BMFSFJ übernehmen. Wenn es denn bei einem BMFSFJ in der aktuellen Form überhaupt bleibt. Es wird jetzt darum gehen, noch Schlimmeres zu verhindern. Erstrecht, wenn nun massiv Gelder in die Verteidigungspolitik fließen und absehbar der Kinder- und Jugendhilfe fehlen werden.  Auf die Parteien können sich die jungen Generationen gerade eher nicht verlassen. Die Verbände und Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe müssen deshalb noch lauter für die Interessen der jungen Menschen werden. Allen Kindern und Jugendlichen muss eine #Starke Zukunft ermöglicht werden.

Die BAG KJS wird mit zehn zentralen Forderungen die Bildung einer neuen Bundesregierung und die Arbeit des Parlaments begleiten. Die Forderungen sind mit konkreten Vorschlägen hinterlegt: Gerechte Bildung organisieren, Jugendarmut bekämpfen, Demokratie und Beteiligung stärken, jugendgerechte Politik umsetzen, Übergänge in Ausbildung und Beruf verbessern, Perspektiven öffnen, eine offene und solidarische Gesellschaft schaffen, Klimagerechtigkeit erreichen und Europa gestalten.

Und die Strukturen müssen gestärkt werden. Dazu gehört auch ein hinreichend ausgestatteter und dynamisierter Kinder- und Jugendplan des Bundes, der die bundeszentralen Aktivitäten und Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe absichert. Gerade in einer alternden Gesellschaft, die durch Umbrüche und Unsicherheiten geprägt ist, brauchen Kinder und Jugendliche verlässliche Förderung, Beteiligung und Schutz. Diese Rechte müssen endlich im Grundgesetz verankert werden. Deshalb: Lauter werden für Kinder und Jugendliche!

 

Autor: Tom Urig

Tom Urig ist Geschäftsführer der BAG Katholische Jugendsozialarbeit. 

In der vergangenen Legislaturperiode hat er die Jugendsozialarbeit u.a. im Jugendpolitischen Beirat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ)  zum Nationalen Aktionsplan (NAP)  für Kinder- und Jugendbeteiligung und im Beirat zum NAP „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“ beim BMFSFJ vertreten. Er ist Mitglied im Bündnis für die Jugend. 

 

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