Das Bundesjugendkuratorium (BJK) hat Empfehlungen für die zukünftige Bundesregierung veröffentlicht. Dabei wird deutlich vom BJK herausgestellt, dass die Rechte, Chancen und Teilhabe junger Menschen in Deutschland gestärkt werden müssen – insbesondere in Anbetracht einer alternden Gesellschaft und der Notwendigkeit einer generationengerechten Sozialpolitik. Das BJK fordert eine entschlossene Kinder- und Jugendpolitik für die 21. Legislaturperiode. Diese sei Demokratieförderung und zentrales Element für eine gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft.
Klare Kritik äußert das BJK an den Wahlprogrammen der Parteien. Diese zeigten „ein fragmentiertes, begrenztes und hoch selektives Verständnis von Kinder- und Jugendpolitik, das den Lebenslagen der jungen Menschen und der Bedeutung von Kinder- und Jugendpolitik für unsere Gesellschaft nicht gerecht wird.“ Benötigt würde eine Politik, die „sich an der generationalen und sozialen Lage sowie der Diversität der jungen Menschen orientiert und keine Gruppe ausgrenzt und kriminalisiert“. „Die gegenwärtigen politischen Positionierungen führen demgegenüber zu einer Verunsicherung und Spaltung – auch unter jungen Menschen in Deutschland“, so die Aussage des Beratungsgremiums der Bundesregierung.
Infrastrukturpolitik weiterdenken
Infrastrukturpolitik dürfe sich nicht nur auf materielle und digitale Aspekte begrenzen, wie etwa Schienen, Straßen, Energieversorgung und digitale Netze. „Die Chancen junger Menschen sind entscheidend davon abhängig, wie und ob in die Institutionen des Aufwachsens – Schulen, Kindertageseinrichtungen, Kinder- und Jugendarbeit, Gesundheitsförderung – investiert wird“, betont der Vorsitzende des BJK, Prof. Dr. Wolfgang Schröer. Es brauche daher ein finanzstarkes Investitionsprogramm für die sozialen und bildungsorientierten Infrastrukturen junger Menschen. Die konkreten Empfehlungen für die Kinder- und Jugendpolitik der zukünftigen Bundesregierung von Seiten des BJK sind in acht Handlungsfelder unterteilt.
Kinder- und Jugendpolitik 2025 bis 2029
1. Rechtliche Stellung von jungen Menschen in der Gesellschaft stärken
Das BJK unterstreicht die Bedeutung der Rechte junger Menschen, insbesondere jene auf Förderung, Beteiligung und Schutz, im Grundgesetz zu verankern. Angesichts einer alternden Gesellschaft, in der junge Menschen eine Minderheitsposition darstellten, gelte es junge Menschen als eigenständige Grundrechtsträger*innen anzuerkennen und sie in politische Entscheidungsprozesse verbindlich miteinzubeziehen. Weitere Forderungen sind das Wahlalter auf 16 Jahre abzusenken und digitale Rechte junger Menschen zu stärken.
2. Für eine starke Demokratie: Stärkung der gesellschaftlichen und politischen Partizipation junger Menschen
Neben einer gesetzlichen Verankerung der Demokratieförderung, fordert das BJK auch eine systematische und aktive Beteiligung junger Menschen in Form von Kinder- und Jugendbeteiligung in allen Bundesministerien. Angebote politischer Bildung und Demokratieförderung sollten nicht nur bundesweit ausgebaut, sondern auch ihre Finanzierung langfristig gesichert sein. Auf diese Weise solle demokratische Beteiligung und Teilhabe aller jungen Menschen gefördert werden.
3. Kinder- und Jugendarmut bekämpfen – soziale Mobilität in der Bildung ermöglichen
„Armutsbekämpfung und Bildung müssen miteinander verknüpft werden, um die Entwicklung von Potenzialen der jungen Generationen für die Zukunft zu ermöglichen. Die soziale Mobilität und der Bildungserfolg hängen in Deutschland noch immer stark von der sozioökonomischen Herkunft ab“, so das Fazit des Beratungsgremiums. Maßnahmen zur Bekämpfung der Kinder- und Jugendarmut und das bestehende Leistungssystem müsse grundlegend weiterentwickelt und verbessert werden, um Armut wirksam zu bekämpfen. Dies beinhalte auch eine transparente und plausible Reform des Übergangsbereiches zwischen Schule und Beruf. Ziel müsse sein, soziale Mobilität und Bildungserfolg – und somit Chancengerechtigkeit – für alle jungen Menschen unabhängig von ihrer sozioökonomischen Herkunft durch gezielte Bildungspolitik zu ermöglichen.
4. Gewaltfreies Aufwachsen und Kinderschutz strukturell absichern
Wenngleich das Recht junger Menschen auf ein gewaltfreies Aufwachsen seit 2000 im §1631 BGB verankert ist, müssen Schutzkonzepte zur Verwirklichung der Rechte von jungen Menschen gegen Gewalt gesetzlich verankert werden. Diese müssen auch auf digitale Räume ausgeweitet werden, fordert das BJK. Neben klaren Strukturen für den Kinderschutz, müsse auch die Finanzierung von Fachberatungsstellen und Präventionsmaßnahmen sichergestellt werden.
5. Kinder- und Jugendhilfe – inklusiv öffnen, Qualität sichern, und digital modernisieren
„Die zukünftige Bundesregierung muss die Organisation der inklusiven Kinder- und Jugendhilfe gesetzlich regeln. Die diskriminierungsfreie Teilhabe aller junger Menschen muss der Maßstab des gesetzlichen Handelns sein“, fordert das BJK. Benötigt werden neben Standards zur weiteren Qualitätssicherung in der Ganztags- und Kindertagesbetreuung sowie im Kinderschutz, auch ein Digitalisierungspakt für die Kinder- und Jugendhilfe. Aufgrund des Fachkräftemangels, nicht nur der Kinder- und Jugendhilfe, bedürfe es einer besseren systemübergreifenden Planung von (multi-)professionellen Angeboten und Diensten. Das BJK sieht hierfür die Entwicklung und nachhaltige Förderung von Modellprojekte als Schlüssel für die Stärkung der Rechte junger Menschen.
6. Zugänge zur Gesundheitsversorgung und -förderung von Kindern und Jugendlichen verbessern
Die physische und mentale Gesundheit junger Menschen werde stark durch die soziale Lebenslage geprägt, betont das BJK. „Insofern muss verstärkt in eine verbesserte, ziel-gruppenspezifische, evidenzbasierte und systematische Prävention im Bereich der Gesundheit junger Menschen investiert werden“, lautet die Forderung. Angebote müssten niedrigschwellig sein und an den Orten zur Verfügung stehen, an denen junge Menschen sich zum großen Teil in ihrem Alltag aufhalten: Kindertagesbetreuung, Schule und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Neben dem Ausbau digitaler Gesundheitsangebote bedürfe es auch eines stetigen und umfassenden Monitorings der physischen sowie psychischen Gesundheit junger Menschen.
7. Flucht – Potenziale junger Menschen erkennen
„Die zukünftige Bundesregierung hat die Aufgabe, sicherzustellen, dass gerade auch junge (unbegleitete) Geflüchtete Chancen zur Integration erhalten und sich ein sicheres und gutes Leben in Deutschland verwirklichen können. Junge Geflüchtete haben das Recht auf eine diskriminierungsfreie Kindheit und Jugend mit Zukunftsperspektiven. Vor diesem Hintergrund gilt es, krisenfeste und flexible kommunale Infrastrukturen für die Unterbringung, den Schutz, die nachhaltige Betreuung und Begleitung junger Geflüchteter sicherzustellen. (…) Die Bundesregierung sollte durch ein Bund-Länder-Programm – das finanziell auch entsprechend untersetzt ist – die Rahmenbedingungen schaffen, dass eine Integration und ein Schutz junger Menschen vom ersten Tag an möglich werden. Dies beinhaltet ein schnelles Clearing, Sprachförderung, eine zügige Aufnahme.“
8. Recht auf Zukunft: generationengerechte Klimapolitik schaffen
Die Folgen der Klimakrise wirken sich insbesondere bei jungen Menschen auf ihre zukünftige Teilhabe und Freiheiten aus. Es bedürfe daher einer systematischen Einbindung junger Menschen in allen klimapolitisch relevanten Entscheidungsprozessen.
Klimabildung müsse als Teil von Bildungsprozessen „strukturell in den verschiedenen Orten des Aufwachsens verankert werden“, fordert das BJK. Klimafreundliches Verhalten müsse durch spezifische Maßnahmen sozial gerecht gefordert werden. Dies beinhalte die Förderung von bezahlbaren, klimafreundlichen Mobilitätsangeboten.
Das Bundesjugendkuratorium (BJK)
Das Bundesjugendkuratorium (BJK) ist ein von der Bundesregierung eingesetztes Sachverständigengremium. Es berät die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Kinder- und Jugendhilfe und in Querschnittsfragen der Kinder- und Jugendpolitik. Dem BJK gehören bis zu 15 Sachverständige aus Politik, Verwaltung, Verbänden, Zivilgesellschaft und Wissenschaft an. Das Kuratorium bezieht junge Menschen in geeigneter Weise in seine Beratungen ein. Die Mitglieder werden durch die Bundesministerin/den Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Dauer der laufenden Legislaturperiode berufen.
Autorin: Mareike Klemz