Die Ergebnisse der neu veröffentlichten Studie der Paritätischen Forschungsstelle vom Dezember 2024 erweitern die Perspektive auf das Thema Wohnungsarmut in Deutschland: Werden die Wohnkosten bei der Berechnung der Armutsquote in Deutschland berücksichtigt, liegt diese um etwa ein Drittel höher als bisher angenommen. Konkret bedeutet dies, dass 5,4 Millionen Menschen mehr von Armut betroffen sind als nach bisherigen konventionellen Berechnungen.
Nach der wohnkostenbereinigten Armutsermittlung sind insgesamt 17,5 Millionen Bürger*innen in Deutschland armutsbetroffen – das sind 21,2% der Bevölkerung. Nach konventioneller Armutsberechnung liegt dieser Wert hingegen bei 14,4%. Mit der Wohnarmutsquote wird Armut auf Grundlage des tatsächlich verfügbaren monatlichen Einkommens ermittelt. Die Berechnungen der Studie ziehen dafür zunächst alle Wohnkosten vom Einkommen ab. Daraufhin kann ein um die Wohnkosten bereinigtes Medianeinkommen auf Grundlage der verschiedenen Haushaltsnettoäquivalenzeinkommen gebildet werden. Die entsprechende Armutsgrenze wird laut Autor*innen auf Basis der 60-Prozent-Schwelle errechnet: Als arm gilt, wer über weniger als 60 % des Medianeinkommens verfügt. Den Berechnungen der Studie zufolge liegt dieser Schwellenwert für einen Ein-Personen-Haushalt bei 1.016 EUR. Die Studie basiert auf einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes.
Hohe Wohnkosten belasten insbesondere junge Menschen stark
Betrachtet man das Thema Wohnarmut nach soziodemografischen Merkmalen, dann wird deutlich, dass junge Menschen zwischen 18 bis 25 Jahren die größte Altersgruppe darstellen, die von wohnkostenbereinigter Armut betroffenen ist. Grund hierfür ist, dass sich ein großer Teil dieser Altersgruppe junger Menschen in der Ausbildung oder am Anfang des Berufslebens befindet. Dass hohe Mieten insbesondere Studierende und Auszubildende stark belasten, wird seit Jahren konstatiert.
Studierende, die nicht mehr zuhause wohnen, müssen im Durchschnitt etwa 54 % ihres Haushaltseinkommens für Mietkosten ausgeben. Auszubildende geben im Durchschnitt 42 % für Wohnkosten aus. Diese Prozentanteile liegen deutlich über dem nationalen Durchschnitt von 25 % des Haushaltseinkommens, die für Wohnkosten ausgegeben werden.
Wohnkostenüberbelastung
Laut der Studie der Paritätischen Forschungsstelle besteht eine Wohnkostenüberbelastung dann, wenn betroffene Personen 40 % oder mehr ihres Einkommens allein für Wohnkosten aufwenden müssen. „Armutsbetroffene geben durchschnittlich 46 Prozent ihres Einkommens allein fürs Wohnen aus, d. h. ihre Einkommen sind in sehr großem Ausmaß durch hohe Wohnkosten dezimiert“, so die Autor*innen der Studie. Wie Armut und Wohnen bzw. Wohnkosten direkt zusammenhängen, wird offensichtlich, wenn man den steigenden Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen der Menschen betrachtet. Dieser Anteil ist von 2020 bis 2024 kontinuierlich gestiegen. Wohnen wird somit immer teurer. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass Wohnen arm machen und Armut verstärken kann.
Lebensstandard in Deutschland: Verhältnis der Wohnkosten zum verfügbaren Einkommen entscheidend
Für die Autor*innen der Studie ist somit folgendes klar: „Die Zahlen lassen keinen anderen Schluss zu als, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen Wohnen vielerorts und millionenfach arm macht. Die Ungleichheit bei den Wohnkosten schafft und verschärft die Armut in Deutschland. Wer nur Einkommen betrachtet, nicht aber, dass Menschen immer weniger Geld zur Verfügung haben, weil sie hohe Wohnkosten aufbringen müssen, übersieht das Ausmaß von Armut in Deutschland.“
Letztlich wird der Lebensstandard nicht mehr in erster Linie durch die Einkommenshöhe bestimmt. Das Verhältnis vom Anteil der Wohnkosten am gesamten Haushaltseinkommen und wie viel Geld nach Abzug der Wohnkosten noch vom Einkommen übrigbleibt, wird immer relevanter.
Autorin: Mareike Klemz